Wie Volker Rosenblatt eine Marktnische am Himmel entdeckte und seine Firma Service-Drone aufbaute. Jetzt sucht er gemeinsam mit seinem Partner nach einem Investor, damit die Firma weiter wachsen kann.
Buchholz Vor dem Start spricht sie ihren Piloten an. Die Drohne checkt die Höhenkontrolle und das GPS und hat dann noch Zeit für einen guten Rat. „Flieg vorsichtig“, mahnt sie Volker Rosenblatt. Macht er, schließlich hat er den 4.8 Eagle entwickelt und den Typ inzwischen mehr als 250-mal verkauft. Rosenblatt lässt den Octocopter mit seinen acht Rotoren bis in Kopfhöhe aufsteigen, nach rechts und links durch die Luft hüpfen und sanft auf dem Parkplatz landen. Der gehört zum Zentrum für Business&Innovationen (ISI) im Gewerbegebiet II in Buchholz, wo seine Firma Service-Drone seit Mai ihren Sitz hat.
Mit seinen unbemannten Flugobjekten ist Rosenblatt, ein 46 Jahre alter gelernter Chemiker, direkt in eine Marktlücke gestartet. Als er mit seinem gleichberechtigten Partner Oliver Knittel erstmals die Neuentwicklung vorstellte, kamen 60 Interessierte. Bei dem Debüt in einem Hotel in Stillhorn verkauften sie gleich drei der Geräte, mit denen Gelände aus der Luft vermessen, Fracht transportiert oder auch ein Bereich überwacht werden kann.
Das Stück für 12.500 Euro. Inzwischen sind insgesamt 350 bis 400 Drohnen aus Buchholz weltweit in der Luft. Der Umsatz hat sich auf rund zwei Millionen Euro eingependelt. Knittel und Rosenblatt schreiben schwarze Zahlen. „Bislang haben wir uns noch nie Geld leihen müssen“, versichert Rosenblatt. Die beiden Chefs haben zehn Mitarbeiter eingestellt. Sechs in Buchholz für Bau und Konstruktion, vier in Berlin für Entwicklung, Marketing und Verwaltung.
Auch mit ihrer Technologie liegen Rosenblatt und Knittel vorn. Denn sie gehören zu den 22 Firmen, die die siebenköpfige Jury von Artie, dem regionalen Netzwerk für Technologie, Innovation und Entwicklung im Nordwesten Niedersachsens, für einen Innovationspreis ausgesucht und besucht hat. Zu Artie gehören zehn Landkreise, die Städte Buchholz, Stade und Rotenburg sowie eine Samtgemeinde.
„Wir wollen mit dem undotierten Preis zeigen, dass wir eine innovative Region mit qualifizierten Arbeitsplätzen sind“, sagt Jurymitglied Wilfried Seyer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung des Landkreises Harburg, deren Büros ebenfalls im ISI angesiedelt sind. So arbeitet ganz in der Nähe auch die Hanseatische Industrie Elektronik, die Elektronik für Schweißanlagen entwickelt, ein weiterer Aspirant für den Innovationspreis, der am 16. Oktober erstmals vergeben werden soll.
Drohnen-Konstrukteur Rosenblatt pflegt seine Leidenschaft für Modelle bereits seit Jahrzehnten. Mit acht Jahren befasste er sich mit Modellen von Schiffen und Autos. Stets angetrieben. Über Flugzeuge, von denen auch heute noch das ein oder andere in der Drohnen-Werkstatt steht, ging es zu den Hubschraubern. Von 1995 bis 2002 führte er ein Geschäft für Hubschrauber-Rotorblätter.
Seine Familie jedoch ernährte der gebürtige Buchholzer 25 Jahre lang als Messwarten-Fahrer im Kraftwerk von Dow Chemical in Stade. Als er dann 2008 erneut komplette Modell-Hubschrauber verkaufte, lernte der Knittel kennen. Der kam zunächst als Kunde und kaufte mehrere Helicopter. Aus der Geschäftsbeziehung entwickelte sich die Partnerschaft. Beide entschlossen sich, Hobby und Nebentätigkeit zum Hauptberuf zu machen.
Knittel organisierte im Oktober 2010 die Road-Show für das Unternehmen mit dem Auftritt in Stillhorn. Schon wenige Wochen später war klar, dass Anbieter fehlten, die für Industrie, Vermessung und Filmwirtschaft fertige Modell liefern konnten. Das tut Service-Drone jetzt mit Modellen, die 20.000 bis 50.000 Euro kosten und bis zu fünf Kilogramm Gewicht tragen können.
Gefertigt werden die Drohnen in den 200 Quadratmeter großen Räumen der Werkstatt gleich neben dem Büro von Rosenblatt. Für die Octocopter wird das leichte, aber feste CFK eingesetzt, das auch Airbus für seine modernsten Jets verwendet. Hauptteile sind der Kameraträger, der Motorkranz, auf den die Rotoren sitzen und die Flugsteuerung, die auf einer 55 mal 55 Millimeter großen Platine sitzt. Das Flugobjekt wird insgesamt aus mehreren hundert Teilen zusammengesetzt und erreicht mit 2,5 kW, also etwa der Leistung eines Mopeds, eine Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h. „Die gesamte Konstruktion ist eine Eigenentwicklung“, sagt Rosenblatt.
Das aktuelle Ziel der Unternehmer geht nun in eine neue Richtung. Sie suchen einen Investor, um weiter zu wachsen oder einen Partner, der bereits über einen internationalen Vertrieb verfügt. So beispielsweise einen Hersteller von Traktoren für die Landwirtschaft, weil seine Kunden auch als Drohnen-Kunden infrage kommen. „Die Geräte können im Überflug feststellen, wo überall Dünger gebraucht wird und so den Einsatz der Mittel effektiver gestalten“, sagt Rosenblatt.
Möglichkeiten für die Copter, die bei Gelände-Vermessungen mit ihrem eingebauten Programm auf fünf Millimeter genau arbeiten, gibt es ausreichend. Allein den US-Markt, der im kommenden Jahr erstmals für die Geräte geöffnet werden soll, schätzt Rosenblatt auf 100 Milliarden Dollar. Allerdings will die Firma erst neue Mitarbeiter einstellen, sobald ein Partner gefunden ist. Eine Produktion von 1000 Coptern im Jahr mit bis zu 20 Mitarbeiter hält er aber künftig für möglich.
Nach der Auslieferung der Drohnen dauert es drei Tage, bis die neuen Kunden das Gerät beherrschen. „Nach unseren Workshops im österreichischen Ellmau stellt in Niedersachsen die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr eine Aufstiegsgenehmigung aus“, sagt Rosenblatt. Sie reicht bis zu einer Höhe von gut 150 Metern (500 Fuß), weil Flugzeuge und Hubschrauber nur darüber unterwegs sind. Die Buchholzer liefern das zertifizierte Gerät.
Notwendig ist oft eine Haftpflichtversicherung sowie ein polizeiliches Führungszeugnis. Die Genehmigung gilt für ein Jahr und kann verlängert werden. Für den Einsatz im Alltag lässt sich die Flugstrecke programmieren. Das Steuerpult dient allein dazu, in einem Notfall eingreifen zu können.
Anders ist das bei Filmaufnahmen, in denen Szenen zu sehen sind, die aus der Luft aufgenommen wurden. Hier stehen Rosenblatt oder sein 20-Jähriger Sohn Jim an der Funk-Fernbedienung und lassen ihre Drohnen über das Geschehen gleiten. So bei dem Action-Film „Hitman 2“, der gerade abgedreht wurde oder bei „Automata“ mit Antonio Banderas, der im September in die US-Kinos kommen soll. Bilder vom Dreh hat der Firmenchef in sein Büro aufgehängt.
Daneben gibt es auch eins mit den Ehepaar Robert und Carmen Geiss, deren Leben auf ihrer Jacht mit dem fliegenden Auge dokumentiert wurde. Solche Dienstleistungen sind wirtschaftlich attraktiv. Die Tagesgage liegt bei 5000 Euro. „Schließlich“, weiß Rosenblatt, „können nur wenige die Drohnen so genau fliegen.“
Sollte sich Service-Drone beim Artie-Preis durchsetzen, winkt der Firma als Gewinn neben einem Pokal ein Image-Film. Nicht nur als Protagonisten, sondern auch als Kameramänner dürften dabei auch Vater und Sohn Rosenblatt mitwirken. Schließlich wäre der Streifen ohne Bilder aus der Luft undenkbar. Vorsichtig fliegen ist Ehrensache.