Gebäude mit Geschichte: Das Kloster Lüne wurde im Jahr 1172 gegründet und besitzt Prozessionsfahnen, die einzigartig sind auf der Welt. Zwei Brände hat es in den Jahrhunderten überstanden.

Lüneburg. Wer das Kloster Lüne besucht, den begrüßt das Gemurmel eines Brunnens. Mehr als 600 Jahre alt ist das gotische Stück, und genauso lange schon plätschert Wasser in seine bronzene Schale. Dort, wo der Brunnen murmelt, treffen sich auch die Besucher des Ortes, an dem die Grundregel des Benedikt von Nursia aus dem 6. Jahrhundert gilt: ora et labora, bete und arbeite.

Es war 1140, als der Abt des Lüneburger Klosters St. Michaelis dem Mönch Rethard gestattete, als Einsiedler zu leben. Der hielt es aber nicht lange einsam vor den Toren der Stadt aus, Mönch Dietrich löste ihn bald ab und baute mit Hilfe seiner Mitbrüder eine Kapelle: die Jakobikapelle, 1157 geweiht.

Ihren Namen behielt sie nur für kurze Zeit, befand sich unter ihren Reliquien doch ein Stück der Kleidung des heiligen Bartholomäus: So bürgerte sich mit der Zeit der Name Bartholomäuskapelle ein. Womit die Gedanken in die Gegenwart streifen: zur heutigen Kirche St. Bartholomäi des Klosters Lüne, 1410 geweiht.

Offiziell gegründet 1172, hatte sich das Kloster zunächst um die ehemalige Kapelle herum entwickelt und war eine Stiftung, in der zwölf Frauen in geistlicher Gemeinschaft lebten.

In den Dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts brannten die Gebäude ab, danach wurde Lüne wiederaufgebaut. Fortan lebten die Frauen in dem Nonnenkloster nach den Regeln des heiligen Benedikt: Armut, Keuschheit und Gehorsam. 1372 stand das Kloster abermals in Flammen, drei Frauen kamen ums Leben. Wieder baute man es neu auf, und noch heute stehen Gebäude aus dem 14. Jahrhundert sowie Teile des Vorgängerbaus auf dem Klostergelände.

Als das Kloster katholisch war, lebten die Nonnen in Klausur, komplett abgeschieden von der Außenwelt. 1531 hatte die Reformation ihren Durchbruch in Lüneburg, und 1562 verfügte der Landesherr, dass keine katholischen Frauen mehr nach Lüne dürfen. Was folgte, war ein konfliktreicher, umkämpfter Prozess, der über Jahrhunderte dauerte und das Leben im Kloster Lüne änderte.

Aus der katholischen Zeit erzählen bis heute die Marienkranz-Madonna und der Propststuhl. In dem nun evangelischen Kloster wohnen die Damen des Konvents in einer Glaubens-, Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Bis in die Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden sogenannte Expektanzen verkauft, also Anwartschaften für einen Platz im Kloster. Kamen in früheren Zeiten nicht alle Mädchen und Frauen freiwillig nach Lüne, ist das heute ausschließlich so.

Die älteste Truhe ist von 1174. Das schwere Holz hat beide Brände des Klosters überstanden. Zu den ältesten und seltensten Zeugen der Zeit vor der Reformation zählen außerdem Altar- und Fastentücher aus dem 13. (!) Jahrhundert, die die Nonnen gestickt haben sowie im Kloster gefertigte Bildteppiche und Banklaken aus der Zeit um 1500 – die Lüneburger Stücke besitzen Weltrang. Auf dem ganzen Globus einzigartig sind die Prozessionsfahnen des Klosters aus der Zeit um 1410. So birgt das am Kloster angesiedelte Museum für klösterliche Textilkunst Schätze, von denen viele nichts ahnen.

Nicht zu vergessen die mehr als 600 Jahre alte Eibe im Garten! Sie ist etwa 15 mal 15 Meter groß und der vermutlich älteste Baum Lüneburgs.

Für das Leben heute sorgt nicht nur die Äbtissin Reinhild Freifrau von der Goltz: Sie öffnet das Kloster gern und häufig für die Öffentlichkeit, wirbt per E-Mail für Konzerte, Vespern, Mediationsabende, Lesungen und Märchen-Wandelgänge in dem mehr als 600 Jahre alten Gemäuer.

Auch das Café bringt Leben auf das jahrhundertealte Gelände, sei es draußen auf der Streuobstwiese oder drinnen inmitten von Ausmalungen von 1648. Bis Mitte Oktober führen die Konventualinnen zudem mehrmals täglich Gäste durch das Kloster: Sie zeigen zum Beispiel den 8,50 Meter langen Tisch aus einem einzigen Eichenstamm, die ehemaligen Nonnenzellen, den Kreuzgang mit den Rippengewölben und Buntglasfenstern aus dem 14. bis 17. Jahrhundert sowie den Winterremter: In dem ehemals einzigen beheizbaren Raum stieg warme Luft aus Öffnungen in den Bodenfliesen.

Seit einigen Monaten lädt das Kloster gemeinsam mit der Kirchengemeinde Lüne zudem zu einer Abendvesper auf dem Nonnenchor ein. Dort haben Restauratoren den Fußboden vor einigen Jahren zum Teil erneuert – und zwar mit Dielen aus Eichen, die mehr als 100 Jahre lang im Wildpark des Klosters gewachsen waren und aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt werden mussten.