Forschungstaucher sind im Harburger Binnenhafen auf ein Konstruktionsteil aus Eiche gestoßen. Es gehört zu der früheren Brücke, die 400 Jahre lang die Harburger Schlossstraße mit der Schlossinsel verband.
Harburg. Forschungstaucher sind im Harburger Binnenhafen auf ein Konstruktionsteil aus Eichenholz gestoßen. Archäologe Philip Lüth ist sich sicher, dass das etwa 1,30 Meter lange Bauteil zu der früheren Brücke gehört, die etwa 400 Jahre lang bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Harburger Schlossstraße mit der Schlossinsel verband.
Drei Gründe sprächen dafür, dass es sich tatsächlich um ein Bauteil der historischen Brücke handele: Ein erster Hinweis sei das für solch ein Bauwerk typische Material Eichenholz, sagt der Archäologe. Einkerbungen lassen erkennen, dass es ich ein Konstruktionsteil sei. Im Wasser hätten weder Gebäude gestanden noch habe es an der Stelle Schiffsbau gegeben. Aber exakt an der Fundstelle habe 400 Jahre lang eine Brücke gestanden.
Das Holzstück lag in der Mitte des Lotsekanals in etwa sechs Meter Tiefe. Aus welcher Zeit es stammt, ist noch offen. Das Archäologische Museum Hamburg wird den Balken untersuchen lassen. Philip Lüth rechnet mit einem Ergebnis in zwei bis drei Monaten.
Die Wissenschaftler haben den Korridor in Höhe des heutigen Kanalplatzes nicht zufällig gewählt. Eine Untersuchung des Lotsekanals mit einem Seitensichtsonar im Februar 2013 hatte den Tauchgang vorbereitet. Mit Hilfe von Schallwellen lassen sich am Grund Gegenstände in einer Größe von Autoreifen orten.
Die Forscher haben lange dünne Objekte im Boden des Lotsekanals ausgemacht. „Wir haben vermutet, dass es sich am Pfostenstümpfe der Brücke handeln könnte“, sagt Philip Lüth.
Vier Forschungstaucher der Universität Kiel haben jetzt im Auftrag des Archäologischen Museums Hamburg an zwei Tagen nach Hinweisen auf die mittelalterliche und neuzeitliche Brückentrasse gesucht. Es ist die erste unterwasserarchäologische Untersuchung in Hamburg überhaupt.
Die Archäologen erhoffen sich Erkenntnisse über die Konstruktion und das Alter der Brücke. Sie halten es für wahrscheinlich, dass die Brücke über den Lotsekanal älter sei als die 400 Jahre, die sich anhand von historischen Quellen beweisen lassen.
„Wir wissen nur wenig über die Brücke“, erklärt Philip Lüth, warum die Archäologen unter Wasser in sechs Meter Tiefe in die Geschichte Harburgs eintauchen. Nebenbei hofft er auf archäologisch wertvollen „Beifang“ im Schlamm des Lotsekanals: „Viele Dinge fallen von Brücken ins Wasser“, sagt er, „Keramikfunde wären schön.“
Auf welchen Weg ein Handwerkzeug auf den Grund des Lotsekanals gefunden hat, das einer der Forschungstaucher jetzt an die Oberfläche gebracht hat, ist offen. Philip Lüth hält es für einen Spachtel, der möglicherweise 100 Jahre alt sein könnte.
Für gute Laune sorgt auch ein Fundstück, das archäologisch bedeutungslos ist: Einer der Froschmänner taucht mit einer ganz offensichtlich neuzeitlichen Forke auf und wirkt dabei majestätisch wie der Meeresgott Poseidon mit seinem Dreizack. In dem drei bis sechs Meter tiefen Lotsekanal sehen die Taucher beinahe nichts, sie orientieren sich an einer leine entlang und ertasten die Fundstücke nur. Die Sicht in dem trüben Binnenhafenwasser sei maximal einen halben Meter weit, sagt Philip Lüth. In dem Moment, an dem der Taucher einen Gegenstand vom Grund aufhebt und das Sediment aufwirbelt, sei alles schwarz.
„Nullsichttauchen ist Teil unserer Ausbildung“, sagt Philip Lüth. Forschungstaucher wie er und seine in Harburg mit ihm eingesetzten Kollegen Tobias Höhne, Marlen Kröger und Felix Rönsch sind eine seltene Spezies: Nur etwa zehn bis 15 Forschungstaucher gebe es in ganz Deutschland.
Immer nur zwei Taucher gehen gleichzeitig ins Wasser. Die anderen beiden halten Kontakt über Sprechfunk und halten sich zur Sicherheit bereit, um im Notfall helfen zu können. Eine rote Boje zeigt den Standort des Tauchers im Wasser. Zusätzlich signalisiert eine Fahne, die alle Schiffsführer kennen sollten, Abstand zu halten.
In sechs Meter Tiefe ist das Binnenhafengewässer zehn bis zwölf Grad kühl. Angenehm, meint Philip Lüth. Lästig sei dagegen der faulige Geruch, der sich auf der Haut und in der Nase festsetzt. „Wie Brandgeruch unter Wasser“, erklärt Marlen Kröger, „eine Mischung aus Fäulnis und Ölgeruch“. Nach dem Bad im Binnenhafen haben die vier Forschungstaucher vor allem Sehnsucht nach einem: ein langes, intensives Duschbad.