Wenn die neue Brücke fertig ist, wird die alte „rückgebaut“. Das ist ein nettes Wort für Abreißen und Verschrotten. Vielen Hafenkennern ist sie ein liebgewonnenes Ärgernis
Neuhof/Hohe Schaar. Jeder einzelne ist 40 Meter lang, sechs Tonnen schwer und muss millimetergenau eingepasst werden. Das Einhängen der Träger für die Vorlandbrücke der neuen Rethequerung ist nicht nur für den Kranfahrer ein haariger Job. Ein halbes Dutzend Männer am Boden hilft, die riesigen Bauteile genau in Position zu bringen. Mit dem Wetter hat die Crew Glück: Es herrscht kaum Wind und beste Sicht. Trotzdem verlässt sich der Kranfahrer nicht nur auf sein Auge: Eine Kamera am Haken liefert präzise Bilder in seine Kabine.
Sechs Träger wurden am Sonnabend für die südliche Seite der neuen Brücke angeliefert und eingebaut. Sie haben eine Reise durch ganz Deutschland hinter sich: „Die Stahlträger sind in Dessau angefertigt worden“, sagt Mathias Heuer, Ingenieur bei der Hamburg Port Authority (HPA), dem Bauherrn der Brücke, „danach wurden sie nach Ingolstadt gebracht Dort erhielten sie eine Betondecke.“
In dieser Decke stecken wiederum Bewehrungseisen zur Montage einer weiteren Stahlbetonschicht quer über alle sechs Träger als Grundlage des Fahrbahnaufbaus. Damit werden die Bauarbeiter sich bsi zum Sommer beschäftigen.
Nach Hamburg kamen die sechs Träger in einer logistischen Großoperation: Jeder Träger auf einem eigenen Spezial-Schwertransporter, dessen Chassis die Fracht selbst bildete: Der Hinterachswagen des Transporters war auf der Hinfahrt nur durch den Brückenträger mit dem Zugfahrzeug verbunden. Für die Rückfahrt ohne Träger wird er dann einfach in die Anhängerkupplung gehängt. Die Fahrer sind in der Nacht angekommen, haben mittlerweile ausgeschlafen und stehen mit Reisebechern voll Kaffee zusammen, fachsimpeln, und genießen den Blick über die Rethe. Besonders das Verholen eines großen Frachters aus der Süderelbe zum Kalikai mit zwei Schleppern interessiert sie. Das ist genau ihr Job, nur auf dem Wasser.
Im Sommer sollen hier an der Rethe die Hauptteile der Brücke, die beiden Klappflügel angeliefert werden. Sie kommen auf dem Wasserweg. „Komplett fertig wird die neue Brücke dann im Jahr 2015", sagt Ingenieur Heuer.
Bis dahin werden die Flügel mit der Steuerungsmechanik und- elektronik verbunden und Probeläufe veranstaltet, bis alles an der Klappbrücke richtig klappt. Richtig heißt in diesem Fall: präzise. Die beiden Brückenflügel sollen mit reißverschlussähnlichen Zähnen ineinander fassen. Das vermeidet die klappbrückentypische Holperlücke und verringert auch die Hebelkräfte auf die einzelnen Flügel.
Wenn die neue Brücke fertig ist, wird die alte „rückgebaut“. Das ist ein nettes Wort für Abreißen und Verschrotten. Vielen Hafenkennern ist sie ein liebgewonnenes Ärgernis: Im Schnitt 40-mal am Tag ist die 80 Jahre alte Hubbbrücke für den Autoverkehr gesperrt – meistens nicht, weil Schiffe darunter hindurch fahren, sondern weil die Hafenbahn diagonal über die Brückenzufahrten rollt. Vor allem auf der Neuhöfer Seite kann das lange dauern, denn um Kesselwagen-Züge im anliegenden Tanklager zusammenzustellen, wird die gesamte Brücke als Rangiergleis genutzt.
Bei der neuen Brücke wird der Nutzungskonflikt vermieden: Die Bahngleise werden auf die Westseite der Brücke verlegt, sodass der Rangierverkehr nicht mehr die Fahrbahn quert. Die südliche Zufahrt zur Klappbrücke führt die Fahrbahn sogar auf einer eigenen Brücke über die Gleise hinweg. Diese Entzerrung findet nicht nur an der Rethe statt, sondern ist auch für die Kattwyk-Brücke geplant. Im Verbund können die beiden Brücken dann relativ zuverlässig die Köhlbrandbrücke entlasten.
Als markantes Baudenkmal stehen lassen möchte man die alte Hubbrücke nicht: „Auch hochgefahren hat die alte Brücke nur eine begrenzte Durchfahrtshöhe“, sagt HPA-Ingenieur Heuer, „außerdem können wir so auch die Durchfahrtsbreite um 20 Meter vergrößern. Das ist wichtig, weil ja gleich östlich hinter der Brücke der Reiherstieg rechtwinklig von der Rethe abzweigt. Bislang muss dort jedes Schiff mit zwei Schleppern herumgedrückt werden. Das kann einfacher werden.“
Der zweite Träger sitzt mittlerweile. Der dritte Fahrer zieht sein langes Spezialgefährt bis zur alten Brücke vor. Die Kran-Bodencrew beginnt, den dritten Träger anzulaschen. Bis zum Abend wollen sie mit allen sechs fertig sein.