Unter den gut 50.000 Wilhelmsburgern sind nicht alle für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße auf das Bahngelände. Einige klagen gegen das Vorhaben. Dennoch laufen Bauvorbereitungen auf Hochtouren.
Wilhelmsburg. Juristisch ist der Fall noch lange nicht erledigt. Fünf Klagen laufen gegen die geplante Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße (B4/75) auf den westlichen Rand des von Nord nach Süd durch Wilhelmsburg verlaufenden Eisenbahngeländes. Kläger befürchten in der Hauptsache mehr Lärm durch die näher an Wohngebiete heranrückende Straße.
Dennoch ist die vom Bundesverkehrsministerium mit dem Bauprojekt beauftragte DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) zuversichtlich, bis 2017 das westliche Bahngelände von alten Bahngleisen geräumt und für den Straßenbau vorbereitet zu haben, so dass die neue Bundesstraße 4/75 dann voraussichtlich 2019 in Betrieb genommen werden kann.
Mit Erledigung von Restarbeiten an Geh- und Radwegtunneln, Rampen für Anschlüsse der A26 und dem Anpassen der Parkanlage ist bis 2021 zu rechnen. Etwa 4,5 Kilometer lang und 24 Meter breit soll die neue vierspurige Wilhelmsburger Reichsstraße werden. Die Breite reicht für eine zusätzliche Standspur je Fahrtrichtung und einen vier Meter breiten Mittelstreifen. Die Baukosten liegen derzeit bei etwa 156 Millionen Euro.
Erst kürzlich hat die DEGES ein Büro für die Bauüberwachung und die Bau-Oberleitung an der Rotenhäuser Straße in Wilhelmsburg eingerichtet. An der Rotenhäuser Straße soll in Zukunft die Zu- und Abfahrt der B4/75 mit sogenannten „Holländischen Rampen“ ans Wilhelmsburger Straßennetz angebunden werden. Der bisherige Anschluss an der Mengestraße/Neuenfelder Straße entfällt.
„Wir zählen hier derzeit 14 Beschäftigte im Büro“, berichtet DEGES-Abteilungsleiter Peter Pfeffermann. Und die vorbereitenden Arbeiten für das Gesamtvorhaben beginnen jetzt, Fahrt aufzunehmen. Neben dem Bund ist die Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation beteiligt.
Hamburg hat großes Interesse an der Verlagerung der Straße, weil auf diese Weise in Zukunft nur noch eine gemeinsame Verkehrsachse aus Straße und Schiene das Stadtgebiet Wilhelmsburgs teilt und durch Aufgabe der alten B4/75 Platz für Wohnungsbau geschaffen werden kann. An 5000 Wohneinheiten wird gedacht.
Vor den Sommerferien vergangenen Jahres war der Planfeststellungsbeschluss ergangen und am 8. August war an der Leipeltstraße vom Hamburger Bürgermeister und dem damaligen Bundesverkehrsminister das Projekt mit einem symbolischen ersten Spatenstich gestartet worden.
Weil die Straßenverlegung aber noch nicht in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden ist und somit dafür im Haushalt auch kein Geld bereit steht, tritt die beauftragte DEGES in eigener Verantwortung in Vorleistung. Und wegen der Klagen ist derzeit auch nicht an den Straßenbau zu denken. Wohl aber wird das Gelände für das Bauvorhaben vorbereitet.
„Dagegen haben wir auch nichts einzuwenden“, sagt Jochen Klein, Geschäftsführer der etwa 200 Mitglieder zählenden Klagegemeinschaft „Rechtsschutz Lebensqualität Wilhelmsburg“. Nach den Worten von Klein haben Wilhelmsburger auch nichts gegen die Rettungswege, die entlang der künftigen Lärmschutzwände geschaffen werden.
Weil im Auftrag der DEGES an der Brackstraße/Schwentnerring und zuletzt am Katenweg alte, 2,50 Meter hohe Lärmschutzwände entlang der S-Bahngleise ohne Vorankündigung abgerissen worden waren, mussten Anwohner den vollen Lärm ertragen, weswegen sie protestierend auf die Straße gingen.
Inzwischen wird das geräumte Gelände nach den Worten von Lars Hasting-Popp, bei der Zerna Baumanagement zuständig für den Bereich Bahnbetrieb, nach Bombenblindgängern abgesucht.
Am Katenweg entsteht bis August auf 130 Meter Länge eine 5,50 Meter hohe neue Lärmschutzwand. Bis September soll an der Brackstraße und am Schwentnerring eine gleich hohe Lärmschutzwand fertig sein.
Auf dem Gelände zwischen dem alten Ringlokschuppen am Vogelhüttendeich und der Thielenstraßenbrücke sind bereits knapp 20 Kilometer alter Bahngleise entfernt worden. Das Gelände wird ebenfalls auf Kampfmittel sondiert.
Bereits Ende dieses Jahres soll die beauftragte Dresdener Firma Bechert & Partner im Baubüro an der Rotenhäuser Straße mit ihrem Projekt-Team einziehen. Das Unternehmen wird für den Straßenbau zuständig sein.
DEGES-Abteilungsleiter Peter Pfeffermann nennt im Straßenbau sieben Schwerpunkte: Den Anschluss Süd im Bereich Kornweide mit den beiden Brücken der Hafenbahn, die Lärmschutzwand-Bereiche zum igs-Gelände, beim S-Bahnhof, der Hermann-Keesenberg-Brücke, der Max-Eyth-Straße im Alten Bahnhofsviertel, der Anschlussstelle Rotenhäuser Straße und dem Anschluss mit Brückenbau am Ernst-August-Kanal.