In der Talentschmiede U20 werden Jugendliche ein Jahr vor dem Hauptschulabschluss aufs Arbeitsleben vorbereitet. Schon jetzt wächst so mancher über sich selbst hinaus
Salzhausen „Meine Zukunft ist die Zukunft von morgen, ich bin U20, kein Beruf macht mir Sorgen...“ erklingt es in dem lichtdurchfluteten Foyer im Haus Schnede. 30 Achtklässler singen begeistert ihr Lied. Geschrieben hat den Text die 14-jährige Annika Hackbarth, die mit den anderen Jungen und Mädchen aus dem Landkreis Harburg am Projekt „Talentschmiede U20“ der Süderelbe AG und des Landkreises Harburg teilnimmt. Im Haus Schnede, einsam im Wald bei Salzhausen gelegen, werden die Achtklässler aus acht Haupt-, Ober- und Gesamtschulen im Landkreis eine Woche lang auf das vor ihnen liegende Projektjahr vorbereitet. Die Initiative will Schülern, die sich schwer tun bei Berufsorientierung und Persönlichkeitsfindung, auf die Sprünge helfen. Ob allgemein mehr Selbstvertrauen lernen oder ganz konkret eine Ausbildungsstelle zu bekommen – das Rüstzeug gibt ihnen die Talentschmiede an die Hand. Zumal nicht alle so konkrete Vorstellung haben wie Annika, die Köchin werden will, oder Astrit, der gern Kfz-Mechaniker werden möchte. Einen Wunschbetrieb hat er auch schon: „Am liebsten wäre mir das Autohaus Kuhn+Witte.“
„Unser Ziel ist, jedem Schüler im Landkreis eine Perspektive zu bieten“, sagte Erster Kreisrat Rainer Rempe gestern bei einem Pressegespräch im Haus Schnede. In der „KickstartCamp“ genannten Einführungswoche wird den Schülern ein strukturierter Tagesablauf vorgegeben, inklusive Frühsport und Entspannungsmöglichkeiten am Abend, Workshops und Coaching. „Auch die Anleitung zum Freizeitverhalten gehört dazu“, sagt Teamleiterin Ina Kremer. Darunter versteht sie Anregungen, wie Freizeit mit kreativem Arbeiten, interessanten Sportarten oder den guten alten Gesellschaftsspielen abwechslungsreich gestaltet werden kann.
„Ich fand das Projekt schon bei der Vorstellung in der Schule sehr interessant“, sagt der 14-jährige Astrit, der die IGS Buchholz besucht. Er hofft, dass die Talentschmiede ihm hilft, seine Noten zu verbessern und dadurch auch eine Ausbildungsstelle zu finden. Annika nimmt mit, dass sie jetzt weiß, wie sie sich zum Beispiel bei einem Bewerbungsgespräch verhalten sollte. „Ich will mich nicht mehr einschüchtern lassen und bin jetzt viel offener – auch was das Kennenlernen neuer Schüler angeht“, sagt sie.
Dass man bei der Talentschmiede neue Freunde findet, begeistert auch Astrit. Eine davon ist Cassandra. In ihrer Projektgruppe „Kreatives Arbeiten“ sollen sie mit sechs anderen Schülern eine große Wanduhr bauen. Beide sitzen jetzt am Rechner und versuchen anhand einer Skizze zu ermitteln, wie groß die Ziffern für die echte Uhr werden müssen. „Ich erhoffe mir, dass sich meine Schulnoten verbessern und ich zielstrebiger arbeite“, sagt die 15-Jährige, die später gern Fotografin werden möchte. Weitere Projektgruppen beschäftigen sich mit Musik, Filme machen und Bewegung. Im Keller trainieren Leon und Hussam an der Tischtennisplatte, die Reporter begrüßen sie alle per Handschlag. Stolz berichten sie, dass sie für das Filmprojekt extra viel gelaufen sind und anschließend auch noch Liegestütze gemacht haben. Selbst im Regen. „Wir sahen aus wie die Ferkel“, sagt Leon und grinst.
Der Anfang ist also gemacht – „nun müssen die Schüler auch Durchhaltevermögen zeigen“, sagt Ina Kremer. Bis zum Ende der 9. Klasse haben sie noch viel vor sich: Weitere sieben Coaching-Wochenenden werden folgen. Das erste findet Ende Mai statt, und dann werden die Jugendlichen auch ihre Mentoren kennenlernen. 22 haben sich bereits gemeldet, „es wäre toll, wenn es noch mehr werden, damit wir jedem Schüler einen Coach zuteilen können“, sagt Projektleiter Oliver Brandt von der Süderelbe AG. Mentoren sollten im Berufsleben stehen und gegenüber Jugendlichen aufgeschlossen sein.
Im Landkreis Harburg gebe es zum Glück für die Jugendlichen zahlreiche engagierte Unternehmer und Führungskräfte. „Sei es Andreas Buss von der OTG, oder Autohausinhaberin Kerstin Witte“, so Rempe. „Gute Nachricht für dich“, wendet er sich Astrit zu. Der strahlt übers ganze Gesicht.