„Kein Jugendlicher darf uns verloren gehen“: Landkreis Harburg und Süderelbe AG eröffnen die Talentschmiede U20 für Hauptschüler mit Anlaufschwierigkeiten.
Hanstedt. Das Feuer ist angezündet – jetzt geht es darum, das Eisen in die Hand zu nehmen und loszulegen: Die Talentschmiede U20 ist ein neues Gemeinschaftsprojekt des Landkreises Harburg und der Wachstumsinitiative Süderelbe AG.
Das Ziel: Hauptschüler fördern, die es schwer haben, berufliche Perspektiven zu finden. In der Oberschule Hanstedt, eine der acht Partnerschulen, ist das Projekt jetzt potenziellen Partnern und Mentoren aus lokalen Unternehmen vorgestellt worden.
30 Schüler der achten Klassen können an der Talentschmiede teilnehmen, die sie bis zum Schulabschluss begleitet. Ein einwöchiges Camp in den Osterferien, sieben Wochenendseminare und dazwischen Einzelgespräche mit den Mentoren sollen die Schüler fit für den Beruf machen.
Dabei geht es weniger um Schulnoten: Die Schüler sollen vor allem ihre Persönlichkeit stärken, ihre Neigungen herausfinden und Berufe in der Praxis kennenlernen.
Hintergrund für die Zusammenarbeit von Schulen und Wirtschaft ist aber nicht nur die Situation der schwächeren Schüler, sondern auch der demografische Wandel, durch den es für manche Branchen schon heute schwierig ist, Nachwuchskräfte zu finden.
„Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen Jugendlichen zu verlieren“, mahnte Landrat Joachim Bordt. Den Anstoß zu dem Projekt gab Andreas Buß, Vorstandsmitglied der Laurens Spethmann Holding.
Diese setzt schon lange auf Förderung von benachteiligten Jugendlichen mit der eigens dafür gegründeten Firma „Zukunft durch Ausbildung“.
Projektleiter Dr. Oliver Brandt von der Süderelbe AG erläuterte die Hintergründe: „Die angesprochenen Schüler haben oft ein mangelndes Selbstwertgefühl, sind abschlussgefährdet oder haben ein nachteiliges Umfeld.“
Dies bestätigte auch Andreas Buß: „Ausbildungshemmnisse sind etwa ein fehlender Schulabschluss, Behinderungen und unzureichende Sprachkenntnisse. Versteckte Hemmnisse sind Schulden, Sucht, Krankheiten und Straftatengefährdung.
Im Nachhinein festgestellte Hemmnisse sind auffälliges Sozialverhalten, gestörte soziale Strukturen, fehlende Motivation oder Verwahrlosung.“ Die Talentschmiede soll derartige Hemmnisse abbauen oder abmildern.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion berichteten Unternehmer von ihren Erfahrungen mit schwierigen Jugendlichen – und welche positiven Aspekte sie dennoch fanden.
„Wir haben die Chance, den Schülern auch mal was zu sagen. Wir vermitteln es so, dass sie es verstehen, und dann nehmen sie es auch an“, sagte Kerstin Witte vom Autohaus Kuhn+Witte. Etwa in Sachen Arbeitsschutz: Sie stelle Praktikanten schon mal vor die Wahl „entweder du kommst nicht mehr mit offenen Schuhen – oder dein Praktikum ist beendet“.
Sie kritisierte, dass Fehlverhalten in der Schule kaum noch Konsequenzen habe. Ina Dierksen vom Hotel Sellhorn in Hanstedt berichtete, ihre Auszubildenden hätten große Probleme in Deutsch und Mathe.
Zum Glück habe sie engagierte Mitarbeiter, die sich um die jungen Leute kümmerten. Und Spediteur Detlev Dose, der zugab, selbst ein schlechter Schüler gewesen zu sein, ist heute dankbar, Menschen an seiner Seite gehabt zu haben, die an ihn glaubten: „Davon will ich etwas zurückgeben.“
Ähnlich sah es Roger Grewe, DRK-Geschäftsführer. „Meine Mentoren waren mein Vater und mein Großvater, später mein Lehrherr.“ Andreas Buß hielt es für wichtig, dass sich Arbeitsagenturen und IHK mit den Anforderungen der Unternehmen an ein Berufsbild beschäftigen.
„Es gibt zum Beispiel immer noch keine Ausbildung, die auf Verkauf im Außendienst ausgerichtet ist.“ Berufsbilder und -bezeichnungen gehörten regelmäßig auf den Prüfstand. „So ist aus dem Handelsfachpacker die Fachkraft für Lagerlogistik geworden.“
Die Initiatoren appellierten an die Unternehmer, Mentoren und Projektpartner zu werden. Sie werden ausführlich auf ihre Aufgabe vorbereitet und geschult. „Der Nebeneffekt: Sie können neue Kontakte knüpfen“, sagte Oliver Brandt. Das Projekt ist zunächst für zwei Jahre befristet.
Von den rund 300.000 Euro Kosten trägt der Landkreis Harburg 25 Prozent, der Rest kommt aus EU-Mitteln. Für die Mentoren ist ein Treffen im Februar geplant. Weitere Auskünfte erteilt Oliver Brandt unter Telefon 040/35513412, beim Landkreis ist Friedrich Goldschmidt, Telefon 04171/693343, zuständig.
Das Bewerbungsverfahren für die Schüler beginnt im Januar in den teilnehmenden Schulen: Hauptschule Vossbarg Neu Wulmstorf, Grund- und Hauptschule Hittfeld, Grund- und Oberschule Ilmer Barg Winsen, IGS und Waldschule Buchholz, Schule am Düvelshöpen Tostedt, Oberschule Salzhausen und Oberschule Hanstedt. Weitere Infos unter www.talente-harburg.de.