Bei der Gesprächsreihe „Islam verstehen“ sehen Besucher eine Moschee von innen und erfahren, wie Muslime beten. Muslime wünschen einen Raum für rituelle Waschungen auf dem Friedhof Finkenriek

Wilhelmsburg Christen und Muslime in Wilhelmsburg informieren gemeinsam über den Islam. Eine öffentliche Gesprächsreihe an fünf Abenden bis Juni soll der Bevölkerung näher bringen, woran genau Muslime glauben. Wie Muslime beten, zeigt ein Besuch in der Ayasofya Moschee im Vogelhüttendeich am 23. April. „Wir müssen den Menschen die Furcht nehmen und uns besser kennenlernen“, sagt der Imam der Islamischen Gemeinde in Wilhelmsburg, Mehmet Enes Nas.

Als Ausdruck von Vorbehalten gegenüber dem Islam bewerten Muslime ihren bisher unerfüllten Wunsch nach einem Waschraum auf dem städischen Friedhof Finkenriek. Ein etwa 30 Quadratmeter großer Bau würde für eine würdevolle Waschung ausreichen. „Das rituelle Waschen der Leichen ist ganz wichtig für die Muslime“, sagt Mehmet Enes Nas. Der Regionalauschusss Wilhelmsburg hatte sich im Jahr 2010 mit einem Waschhaus auf dem Friedhof Finkenried befasst – realisiert wurde er aber nicht. In dem nicht-öffentlichen interreligiösen Gesprächskreis auf der Elbinsel sprechen evangelische Pastoren und türkische Imame zurzeit über einen zweiten Anlauf, die Stadt zum Bau eines Waschhauses in Wilhelmsburg zu bewegen. Die rituelle Waschung der Toten sei in allen großen Religionen bekannt, heißt es.

Dass Christen und Muslime zusammenarbeiten oder zumindest im Meinungsaustausch stehen, hat in Wilhelmsburg mittlerweile Tradition und eine feste Organsiationsform angenommen. Seit dem Jahr 1999 gibt es den interreligiösen Dialog, bei dem die geistigen Oberhäupter, Pastoren und Imame, zusammenkommen. Heute gehören dem Gesprächskreis fünf türkische muslimische Gemeinden und die beiden evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden auf der Elbinsel. „Rudimentär“ nehme auch die evangelisch-methodistische Gemeinde daran teil, sagt Friederike Raum-Blöcher, Pastorin für Verständigungsarbeit beim Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Hamburg-Ost. Mehmet Enes Nas möchte die neue albanische muslimische Gemeinde hinzuziehen, die sich an der Harburger Chaussee gebildet hat.

Die hitzige Debatte um den Bau einer Moschee, die den Stadtteil Wilhelmsburg polarisierte, hatte im Jahr 1999 dazu geführt, dass sich Christen und Muslime regelmäßig treffen. „So konnte es nicht weiter gehen, wir dachten, wir müssen uns kennenlernen“, erinnert sich Friederike Raum-Blöcher an die Geburtsstunde des interreligiösen Dialogkreises. Nur ein jahr später war seine friedensstiftende Wirkung erneut gefragt: Als im Jahr 2000 ein Pittbull einen sechs Jahre alten türkischen Jungen zu Tode biss, ging Mehmet Enes Nas in die Schule des Jungen, um die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen.

Nach dem Attentat auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 fand eine gemeinsame Presseerklärung der christlichen und muslimischen Gemeinden in Wilhelmsburg bundesweit Beachtung. Im Islam und im Christentum gebe es keine Hinweise, die Gewalt rechtfertigen, lautete die Botschaft.

Als sichtbaren Erfolg seiner Arbeit sieht der christlich-muslimische Dialogkreis den muslimischen Seelsorgers am katholischen Krankenhaus Groß-Sand an. In einem gemeimsamen Projekt, initiiert vom Kirchenkreis Hamburg-Ost, wollen Christen und Muslime am 11. April gemeinsam pilgern.

Etwa sechs- bis siebenmal im Jahr besuchen Schulklassen aus Wilhelmsburg die türkische Islamische Gemeinde am Vogelhüttendeich, um den gelebten Islam in ihrer Nachbarschaft kennenzulernen. Die Ayasofya-Moschee ist ein umgebautes Gewerbegebäude in einem Hinterhof wie es so typisch ist für muslimische Gemeinden in Hamburg. In dem Raum mit den aus der Türkei importieren blauen Kacheln beten täglich etwa 60 bis 70 Menschen. Zu dem im Islam wichtigen Freitagsgebet versammeln sich dort 500 bis 600 Gläubige. „An Feiertagen bis zu 1000 Menschen“, sagt Mehmet Enes Nas.

Die türkische Islamische Gemeinde Wilhelmsburg wird in einem umgebauten, früheren Supermarkt in der Rotenhäuser Straße umziehen – unweit der katholischen St-Bonifatius-Kirche. 400.000 bis 500.000 Euro wird die Islamische Gemeinde nach Angaben ihres Imams in ihr neues Gemeindezentrum investieren. Der Bau werde als Moschee erkennbar sein, sagt Mehmet Enes Nas, aber ohne Minarett auskommen. Den für eine Moschee eigentlich typischen Turm für den Gebetsrufer hält der Iman in Hamburg für kaum durchsetzbar. „Ich merke sehr viele Vorbehalte bei den deutschen Einwohnern, bei allen Konfessionen“, sagt auch Friederike Raum-Blöcher.

Mit der Gesprächsreihe „Islam verstehen“, die am Mittwoch, 26. Februar, beginnt, wollen Mehmet Enes Nas und Friederike Raum-Blöcher für mehr Verständnis werben. „Die Muslime sind unseer Mitbürger“, sagt die evangelische Verständigungspastorin, „sie zahlen Steuern und zahlen für unsere Renten.“

Die Gesprächsreihe ist auch eine Antwort auf Flugblätter des Hilfswerks Operation Mobilisation (OM), die auf der Elbinsel aufgetaucht waren. Die Organisation evangelikaler Christen ist bekannt dafür, Muslime missionieren zu wollen, und verschenkt dazu Bibeln in arabischer Sprache. Der interreligiöse Dialogkreis dagegen sieht in den Bekehrungsversuchen etwas, dass den Frieden stören könnte.