Landwirt Stefan Becker möchte in dem Buchholzer Ortsteil seinen Betrieb um 1080 Tiere erweitern. Doch die Anwohner wollen das verhindern
Buchholz. Es ist ein Konflikt, der schon so manches Dorf zerrissen hat. Ein Landwirt plant einen neuen Maststall, sei es für Hähnchen, Puten oder Schweine, um seinen Betrieb für kommende Generationen zukunftssicher zu machen. Doch die Anwohner laufen gegen die Pläne Sturm, denn sie befürchten Geruchsbelästigungen und Umweltschäden. Im Buchholzer Ortsteil Meilsen ist genau dieser Konflikt Realität geworden.
Stein des Anstoßes ist die Familie Becker. Der 26-jährige Stefan Becker, derzeit Student der Agrarwissenschaften an der Uni Kiel, will auf dem Hof seines Vaters Heinz Becker, 57 Jahre alt und parteiloses Mitglied des Steinbecker Ortsrats, zwischen Meilsener Straße und Wenzendorfer Straße einen Stall für 1080 Mastschweine inklusive Verladerampe und Güllebehälter errichten. Ende kommenden Jahres, wenn Stefan Becker seinen Uniabschluss in der Tasche hat, soll der Stall fertig sein. Die Beckers, die den 1890 gegründeten Hof in bald fünfter Generation führen, wollen dann mit drei, vielleicht bald vier Familien von der Schweinemast leben. Neben Stefan Becker sind das seine Schwester Christine, die Eltern Heinz und Regine Becker und die Großeltern Karl-Heinz und Margarete Becker.
„Wenn die Anwohner gegen den Stall sind und sich durchsetzen, was wäre dann mit uns?“, fragt Stefan Becker. Er sitzt gemeinsam mit seinem Vater und seiner Mutter am Küchentisch und kann seine Sorge nicht verbergen. „Jeder Wirtschaftszweig in Deutschland darf sich weiterentwickeln, nur die Landwirtschaft anscheinend nicht.“ In den Dörfern Steinbeck und Meilsen gäbe es im kommenden Jahr mit ihnen nur noch zwei Landwirte. „Wenn wir auch noch aufgeben, wäre bald ganz Schluss.“ Auf dem insgesamt 90 Hektar großen Betrieb baut die Familie unter anderem Winterweizen, Roggen und Raps an, das Hauptstandbein ist jedoch die Schweinehaltung. 350 Plätze für Ferkel und 450 Mastschweine gibt es bereits, dazu sollen die 1080 neuen Plätze kommen.
Gemeinsam mit der Bauberatung der Landwirtschaftskammer seien die Pläne im vergangenen Jahr gefasst worden, erklärt der Landwirt. Alle Vorgaben eines sogenannten privilegierten Bauvorhabens, also eines Bauvorhabens im Außenbereich, würden erfüllt. Dazu gehört unter anderem, dass sie 50 Prozent des Schweinefutters selbst herstellen, außerdem haben sie einen Flächennachweis für die anfallende Gülle erbracht. Die abschließenden Genehmigungen des Landkreises, der als Untere Naturschutzbehörde und Immissionsschutzbehörde beteiligt ist, sowie der Stadt Buchholz, die über den Bauantrag entscheidet, stehen allerdings noch aus.
Genau das ist die große Hoffnung der Anwohner vom Waldweg und der Hohlheide. Sie haben sich zur mittlerweile 30 Mitglieder zählenden Interessengemeinschaft Erhalt des Landschaftsschutzgebiets Stuvenwald zusammengeschlossen, um mit einer Stimme gegen den Maststall zu sprechen. Gemeinsam mit dem Runden Tisch Natur-, Umwelt- und Tierschutz Buchholz haben sie mehr als 150 Unterschriften gesammelt. „Bis vor wenigen Tagen wussten wir überhaupt nichts von diesem Stall“, sagt Dagmar Schaller-Wolf empört. Sie ist erst im Juni mit ihrem Mann Lothar Schaller von Hamburg nach Buchholz gezogen, um näher bei ihrer Tochter Annabelle und deren Familie zu sein, die ebenfalls Neu-Buchholzer sind.
„Wir wollten ruhig und schön wohnen, damit die Kleinen ohne Probleme rauskönnen“, sagt Annabelle Kristo und wiegt ihre zwei Monate alte Tochter Evelyn auf dem Arm. Sicherlich habe sie gewusst, dass es auf dem Land auch mal nach Land riechen könne. Aber den beißenden Gestank von Mastanlagen habe sie nicht auf der Rechnung gehabt. „Das wird ja kein Biobetrieb sein“, sagt sie. Auch Carmen Huttart, 91 Jahre alt und seit 1988 Bewohnerin des Waldwegs, fürchtet den Geruch, zumal sie schon jetzt vom bestehenden Beckerschen Maststall mit 450 Tieren nicht verschont wird. „Im Schlafzimmer riecht es oft nach Chemie“, sagt sie.
Die Forderung der Anwohner ist deshalb eindeutig: Der Stall soll nicht an dieser Stelle errichtet werden. Sie könnten ja verstehen, dass der Landwirt seinen Betrieb erweitern möchte, sagt Jürgen Riebesell. Aber müsse das unbedingt an diesem Standort sein? Könnte man nicht irgendwo eine Alternative für die Beckers finden, etwa am Gewerbegebiet Trelder Berg, wo noch viele Flächen frei seien und der Stall niemanden störe? Vergleicht man diese Worte mit denen von Stefan Becker, spürt man die Hilflosigkeit beider Seiten in diesem Konflikt. Er könne die Bedenken der Anwohner ja verstehen, sagt auch der Landwirt. Aber wenn sein Betrieb nicht expandiere, könne er weder mit der Konkurrenz mithalten noch die Familie ernähren. „Wir sind uns außerdem sicher, dass sie den Stall kaum riechen werden.“
Es liegt nun an den Behörden von Stadt und Landkreis, eine Bewertung des Falls zu treffen. Obwohl die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises zunächst positive Signale für die Genehmigung gesendet hatte, soll nach Aussage von Kreissprecher Johannes Freudewald jetzt noch einmal verschärft geprüft werden. Der Stuvenwald ist ein Landschaftsschutzgebiet, das von der Stadt Buchholz als Ausflugsziel touristisch beworben wird. Passt da ein Schweinemaststall ins Bild? Die Konsequenz einer möglichen „Verunzierung“ der Landschaft müsse genau erörtert werden, sagt Freudewald. Vorgesehen ist unter anderem, um den Stall eine hohe Hecke zu pflanzen.
Eine weitere Rolle spielt die Nähe zu einem Wasserschutzgebiet. Auch hierfür werde es besondere Auflagen geben, so der Kreissprecher. Beispielsweise werde eine Kontrolldrainage eingerichtet werden müssen. Als Drittes kommt aus Kreissicht die Immissionsschutzbehörde zum Zuge, die bisher aufgrund der großen Abstände zu Wohnbebauung und Wald keine Bedenken gesehen hat. „Eine endgültige Stellungnahme des Landkreises wird es erst im Januar geben“, sagt Freudewald.
Auch die Stadt Buchholz als Genehmigungsbehörde des Bauantrags will im Januar eine Entscheidung treffen. „Wir müssen prüfen, ob es planungsrechtlich zulässig ist“, sagt Stadtsprecher Heinrich Helms und meint damit unter anderem Fragen der Statik. Der Verwaltungsausschuss hatte eigentlich Anfang Dezember über das Thema beraten sollen, den Beschluss aber auf das neue Jahr verschoben. Noch vor der Sitzung soll es zudem eine Informationsveranstaltung für die Anwohner geben. Sie sollen – leicht verspätet, aber dennoch vor einer Entscheidung – von den Plänen offiziell erfahren.