Die 63-Jährige betreut in einer ehemaligen Pension im Buchholzer Ortsteil 20 Asylbewerber aus allen Teilen der Welt. Familienanschluss gibt es bei ihr inklusive.

Buchholz. Eines steht fest: Der bloße Name „Flüchtlingsunterkunft“ gilt für die Suerhoper Pension von Monika Fiske nicht. Bei der 63-Jährigen geht es eher wie in einer WG zu. Die 20 Männer aus allen Teilen der Welt, die dort in ihrem weißen Häuschen mit Garten ein neues Zuhause gefunden haben, können sich wohl zu den am besten untergebrachten Asylbewerbern im Landkreis Harburg zählen.

Wo die Flüchtlinge in größeren Einrichtungen sehr auf sich allein gestellt sind und anonym bleiben, haben sie mit Monika Fiske eine Frau an ihrer Seite, die für viele von ihnen so etwas wie eine Mutter geworden ist. Sie hilft ihnen bei der Übersetzung von Behördenbriefen, bringt Tee, wenn jemand Bauschmerzen hat und fährt sie im Notfall sogar nachts ins Krankenhaus. „Das Kochen übernehmen sie aber selbst“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Und auch ihre Zimmer halten die Männer eigenständig sauber. Ein Hotel Mama, das ist Monika Fiske keinesfalls.

Die kleine Frau mit dem wachen Blick ist in erster Linie ein Mensch und als solchen sieht sie auch jeden ihrer Untermieter an. Dabei war ihr anfangs nicht ganz klar, wie sie sich den Neuankömmlingen gegenüber am besten verhalten soll. Vier Männer aus Pakistan waren es, die im Januar erstmals einen Fuß über ihre Türschwelle setzten. Kurz zuvor hatte sich Monika Fiske beim Landkreis Harburg gemeldet, der schon damals dringend nach neuen Unterkünften suchte.

Die Suerhoperin hatte bis dahin eigentlich eine Pension für Monteure und davor ein Altenheim in dem Haus betrieben, das auch sie selbst mit ihrem Mann und den zwei erwachsenen Kindern bewohnt, und sich dann entschlossen, Flüchtlinge aufzunehmen. Der Landkreis schaute sich die Räume genau an und gab schließlich grünes Licht.

Als kurz danach die ersten jungen Männer mit Sack und Pack vor ihr standen, schwirrte ihr der Kopf vor Anweisungen und Informationen der Behörde: Sie solle darauf gefasst sein, dass eines Tages die Abschiebung der Männer drohen und dann auch zu nächtlicher Stunde ein Mannschaftswagen vorfahren könne. Ihre Zimmer solle sie zu ihrer eigenen Sicherheit lieber abschließen, und dann erhielt sie auch noch Tipps, welcher der jungen Männer vielleicht etwas schwieriger im Umgang sein könnte.

„Ich habe mir selbst die Frage gestellt, was ich in einem fremden Land als Erstes tun würde“, beschreibt sie ihre ganz persönliche Herangehensweise an die neue Situation. Also packte sie gleich am ersten Tag die Flüchtlinge in ihr Auto und zeigte ihnen Buchholz. Das Rathaus, die Innenstadt, das Krankenhaus, die Supermärkte, alles sollten die Neuankömmlinge kennenlernen.

Als dann im Juni weitere 16 Männer aus Somalia und dem Sudan hinzukamen, musste sie die Intensität der Betreuung etwas zurückfahren. Einige Männer waren krank und mussten häufiger ins Krankenhaus. Monika Fiske brauchte Unterstützung und fand sie in der mittlerweile wieder aufgelösten Interessengruppe für Flüchtlinge in Suerhop, die Gerda und Peter Parge sowie Beate Winter initiierten. Schnell kamen weitere Helfer von der Christuskirchengemeinde und andere Ehrenamtliche wie die Afrika-Erfahrene Christina Edelmann hinzu. Sie gaben Sprachkurse, fungierten als Dolmetscher, stellten Kontakte zu Anwälten oder Sportvereinen her und informierten sich über Asylpolitik.

Zwei große Ziele standen über dem Einsatz. Einerseits sollte den Flüchtlingen der Alltag in dem für sie fremden Land erleichtert werden, andererseits sollten auch die Suerhoper die Angst vor den neuen Nachbarn verlieren. „Häufig beruht diese Angst ja nur auf Unwissenheit, wer da überhaupt in den Ort zieht“, sagt Beate Winter. Sie wünsche sich deshalb für die Zukunft seitens der deutschen Behörden viel mehr Aufklärung.

In Suerhop hat vor allem die große 100-Jahr-Feier Ende August das Eis zum Schmelzen gebracht. „Um vier Uhr morgens sind die Männer aufgestanden, um zu kochen“, erinnert sich Monika Fiske. Auf dem Fest lernten sich dann alle beim gemeinsamen Essen einmal kennen, die alteingesessenen Suerhoper und die Neuen aus der Fremde. Auch die Pensionswirtin selbst wird von den Männern regelmäßig zum Essen eingeladen, als Dankeschön für ihren großen Einsatz.

Derzeit besteht die Hauptbeschäftigung der Suerhoper Flüchtlingshelfer darin, nach Arbeitsmöglichkeiten für ihre Schützlinge zu suchen. Nach neun Monaten bekommen sie eine Arbeitsgestattung. Für Adil aus Pakistan wäre es etwa der größte Traum, in einer Bank zu arbeiten. Er habe einen Bachelor-Abschluss in Business Administration, erzählt der 27-Jährige auf Englisch, garniert mit einigen Sätzen Deutsch. Ahmad und Mohammed betonen, dass sie jede Arbeit annehmen würden. Nur ist ihnen klar, dass ihre Chancen begrenzt sind und es in erster Linie auf den guten Willen der Arbeitgeber ankommt.

Mehr als neun Monate nach Ankunft der ersten Flüchtlinge in ihrem Haus blickt Monika Fiske auf ausschließlich positive Erfahrungen. „Meine Türen habe ich schon nach einer Woche wieder offengelassen, wenn etwas ist, kann jeder zu mir kommen.“ Die Männer seien viel zugänglicher geworden, spielten im Verein Fußball, hätten Fahrrad-Spenden erhalten und liefen nicht mehr mit gesenktem Blick durch den Ort.

Und dann erzählt sie eine ganz besondere Geschichte: Einmal hätte ihre Tochter 300 Euro in ihrer Jacke vergessen und sie in die Wäsche gesteckt. Die Waschmaschine teilt sich Familie Fiske mit den Flüchtlingen. Als einige Zeit später einer der Männer seine Wäsche waschen wollte und das Geld in der Maschine fand, ging er damit sofort zu Monika Fiske und drückte es ihr in die Hand. „300 Euro wären für ihn unglaublich viel Geld gewesen, da war ich schon ein wenig platt“, gibt sie zu.