Flüchtlinge dürfen weder im Landkreis Harburg arbeiten noch eine Ausbildung beginnen. Die neuen Sprachkurse der Kreisvolkshochschule sollen es den Menschen ermöglichen, sich besser einzuleben.

Rosengarten-Klecken. Duldung. Dieses Wort hat Alamou Isumanu Marufu schnell gelernt. Seit er in Deutschland wohnt, bestimmt die Duldung sein Leben. Sie entscheidet darüber, was dem 29-Jährigen erlaubt wird und was nicht. In den meisten Fällen verbietet ihm die Duldung etwas. Das Arbeiten oder das Absolvieren einer Ausbildung. Einen klassischen Integrationskursus an der Volkshochschule darf er genauso wenig aufgrund seines fehlenden Aufenthaltsstatus besuchen. Für den Mann aus der Elfenbeinküste, der seit einem Jahr in Klecken wohnt, heißt Duldung: „Du hast nichts zu tun.“

Um so mehr freuen er und die anderen Afrikaner sich über die speziellen Sprachkurse „In der Fremde angekommen“, die die Kreisvolkshochschule im Sommer extra für Asylbewerber ohne Aufenthaltsgenehmigung eingeführt hat. Insgesamt sechs Kurse starteten im August in Klecken, Buchholz, Winsen und Hittfeld. Rund 120 Asylbewerber, größtenteils aus Afrika, etwa aus der Elfenbeinküste und Somalia, nehmen an den Kursen teil.

Die Überraschung über das große Interesse an den Basiskursen können Ute Köchel, Integrationsbeauftragte des Landkreises und Beate Middendorf-Höltmann, Leiterin der Kreisvolkshochschule im Landkreis Harburg, nicht verbergen. „Schon am ersten Kurstag in Winsen wurden wir von mehr als 40 Interessenten förmlich überrannt“, sagte Beate Middendorf-Höltmann. Auch künftig gehen der Landkreis Harburg und die Kreisvolkshochschule von einem gesteigerten Interesse an solchen Basiskursen aus. Denn immer mehr Flüchtlinge kommen in den Landkreis Harburg.

In diesem Jahr wurden bislang 272 Flüchtlinge im Landkreis Harburg aufgenommen, weitere 220 Menschen sollen folgen. Das sind weitaus mehr als in 2012, als lediglich 105 neue Asylbewerber ihre Unterkünfte bezogen. Im Jahr 2011 waren es nur 90 Flüchtlinge. Insgesamt leben derzeit 602 Asylbewerber im Landkreis. Die kostenlose Basiskurse zur deutschen Sprache und Kultur, die jeweils 100 Stunden umfassen, enden in den nächsten Tagen und Wochen. Weitere Kursangebote sind aber in Vorbereitung.

Das Geld für die Sprachkurse bestreitet der Landkreis aus dem Topf der Freiwilligen Sozialen Leistung, der von 40000 Euro auf 75000 Euro angehoben wurde. Davon gibt der Landkreis rund 30000 Euro in diesem Jahr allein für die Honorare der Basis-Sprachkurse für Asylbewerber aus. Die Kreisvolkshochschule übernimmt die Betriebskosten.

Ziel der Kurse ist, den Zugewanderten nicht nur die deutsche Alltagssprache, sondern auch die Kultur näher zu bringen. Aufgrund des besonderen Status der Asylbewerber war Rodolfo Cohrs, der den Kursus in Klecken leitet, allerdings schnell bei der Amtssprache. Auf Wörtern wie Wohnort, Bescheid und Staatsbürgerschaft baute sich das erste Vokabular der Flüchtlinge auf. „Man kann in diesem Kursus nicht klassisch beginnen wie in einem regulären Deutschkursus“, sagte Cohrs.

Zum Kursprogramm zählte auch, den Afrikanern die Umgebung näher zu bringen. Die Flüchtlinge lernten, wie Rosengarten strukturiert ist, wo sich die anderen einzelnen Ortschaften der Gemeinde befinden und wodurch sich die Natur auszeichnet. Das geschah nicht auf dem Papier, sondern vor allem, indem der Kursleiter die Gruppe mit vor die Tür nahm, Fotos von Klecken machen ließ und beispielsweise einen Ausflug zu „Dat ole Försterhus“, einem alten Bauernhaus im Klecker Wald, unternahm.

Die Asylbewerber bekamen alte landwirtschaftliche Geräte wie beispielsweise Torfschaufeln und heimische Tierarten zu sehen. Auch wenn der eine oder andere hinterher nicht auf das korrekte deutsche Wort kam und witzigerweise behauptete, im Klecker Wald Tiger und Papageien statt Wildschweine und Fasane gesichtet zu haben, blieb der Besuch bei allen in bleibender Erinnerung. Das ist genau der Ansatz, den auch die Integrationsbeauftragte Ute Köchel verfolgt: Sie will die Menschen an ihrem Umfeld teilhaben lassen und sie darüber hinaus mit den Einwohnern im Landkreis in Kontakt bringen.

Das ist jedoch einfacher gesagt als getan. Die Hemmschwelle, die Einwohner auf Deutsch anzusprechen ist groß, obwohl einige Flüchtlinge schon länger als ein Jahr in Rosengarten leben und die deutsche Sprache fast fließend beherrschen. Denn selbst auf ein „Hallo“ oder „Guten Tag“ bekommen sie meistens keine Antwort. Keiner der rund Kursteilnehmer in Klecken hat deutsche Freunde.

Sie alle würden so gerne mehr machen als sie dürfen. Ein Afrikaner erzählt, dass er gerne Basketball spielen wolle und Turniere bestreiten wolle, aber selbst das sei ihm verwehrt. Dabei gibt es laut Johannes Freudewald, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Landkreis, offiziell gar kein Verbot, Hobbys auszuüben und einem Verein beizutreten. Doch womit beschäftigen sich die Asylbewerber dann den ganzen Tag? „Schlafen, essen, schlafen“, sagte Alamou Isumanu Marufu und zuckte mit den Schultern. „Die meisten bleiben den ganzen Tag auf ihren Zimmern.“

Ein Teufelskreis. Um die deutsche Sprache zu beherrschen, ist es für die Zuwanderer von immenser Bedeutung, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen. „Dass die meisten nur untereinander Französisch sprechen, ist ein großes Problem“, weiß auch Alamou Isumanu Marufu. Als Ute Köchel sich erkundigt, wer gerne an weiteren Sprachkursen teilnehmen möchte, wenn es mehr gäbe, mussten die Asylbewerber etwas lachen, als sei es überflüssig so etwas überhaupt zu fragen. Alle hoben die Hand.