Mit dem Schlachtschwengel ins Fischerhaus, vom Kartoffelacker in die 50er-Jahre-Küche und auf dem Lanz-Bulldog übers Feld: Alltagsgegenstände im Freilichtmuseum am Kiekeberg machen Geschichte der Region erlebbar. Für das Abendblatt erinnern sich Zeitzeugen, wie wir wurden, was wir sind. Heute: Kartoffelernte mit Hermann Dieck.

Ehestorf. Als Hermann Dieck zum ersten Mal eine Kartoffel in seiner Hand hielt, trug das Knollengewächs noch Namen wie „Holländer Erstlinge“, „Böhms Mittelfrühe“ und „Ackersegen“. Die „Sieglinde“ war schon damals eine begehrte Zwischensorte. Zu Kriegszeiten sicherte die Kartoffel das Überleben seiner Familie. Später verkauften die Diecks aus Oelstorf dann ihre Waren auf Wochenmärkte an Verbraucher und an Zwischenhändler. Doch der Anbau der Pflanzen war ein schwieriges Geschäft: Nicht selten fielen ganze Ernten Schädlingen und Pilzen zum Opfer.

Die Kartoffel war Anfang des 20. Jahrhunderts eines der wichtigsten Gemüsesorten – und für die Familie Dieck eines ihrer wichtigsten Anbauprodukte. Doch die Einführung der Kartoffel in Europa blieb nicht ohne Folgen. Als Hauptnahrungsquelle verbesserte sie zwar die Ernährungsmöglichkeiten in Europa für die Landbevölkerung. Für viele wurde die Kartoffel allerdings zur praktisch einzigen Ernährungsgrundlage.

Die Oelstorfer bauten die Pflanze auf einer sechs Hektar großen Fläche an. Anfang April kamen die jungen Kartoffeln aufs Feld. „Wir liefen dann mit einem Drahtkorb vor dem Bauch von Reihe zu Reihe und warfen die Pflanzen in die vorbereiteten Löcher. Dann trat man auf jede Kartoffel einmal drauf. Der Pflug bedeckte sie anschließend mit Erde“, erzählt Hermann Dieck. „Wir sind damals nicht besonders zimperlich mit der Kartoffel umgegangen. Die waren nach der Ernte manchmal ganz schön ramponiert“, erinnert sich der 80-Jährige. Doch damals lag das Augenmerk auf dem Nährwert der Pflanze. In den letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkriegs wurden in Deutschland sogar zahlreiche öffentliche Grünanlagen umgenutzt, um darauf statt Blumen und Rosen die beliebte Knollenpflanze anzubauen. „Es gab sogar eine Ablieferungspflicht ans Deutsche Reich“, erzählt Hermann Dieck. „Auch die Preise wurden zentral festgesetzt.“

Bei der Ernte standen alle Familienmitglieder auf dem Feld. „Als ich zehn Jahre alt war, schmiss ich meinen Tornister nach der Schule in die Ecke und lief aufs Feld. Die Hausaufgaben waren Nebensache. Die haben wir abends gemacht - falls wir dann noch Lust dazu hatten“, erinnert sich Hermann Dieck.

Um über die Runden zu kommen, wurden die Äcker mehrfach abgesucht. Was beim ersten Mal liegen geblieben war, sammelte die Familie beim zweiten Durchgang ein. „Auch, wenn’s am Ende nur ein Sack voll war: Der Aufwand hatte sich gelohnt.“ Für einen Zentner bekamen die Diecks während des Zweiten Weltkriegs etwa vier Mark. In den 50er Jahren wurden die Preise dann freigegeben. „Danach schwankte der Wert mehrfach. Das ist bis heute der Fall.“

Auch die Erträge waren in manchen Jahren sehr mager. „Nematoden und Pilze habe uns einmal fast die Hälfte der gesamten Ernte von Böhms Mittelfrühen zerstört“, sagt Hermann Dieck. Das bedeutete gleichzeitig höhere Preise für Getreide und Brot. „Das waren dann schlimme Zeiten für alle, ein richtiges Drama.“

Um die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen zu unterbinden, wurde den Bauern damals empfohlen, ein Feld nur alle drei Jahre mit Kartoffeln zu bestellen. Diecks keimten vor. Auch das sollte die Gefahr eines Befalls der Pflanzen minimieren.

Die Bestellung der Felder verrichteten die Bauern noch mit Pflug und Pferd. Erst im Herbst 1951 kaufte sich Hermann Diecks Vater einen Trecker. „Das war ein Porsche mit 17 PS. Der lief damals schon 30 Stundenkilometer. Damit konnten wir andere Landwirte problemlos überholen“, erinnert sich der Oelstorfer. Die Maschine erstand der alte Dieck im Tausch gegen die Ackergäule – und legte noch 6500 Mark oben drauf. „Mein Vater hat mir nie erzählt, wie er das eigentlich finanziert hat. Das ist mir bis heute ein Rätsel“, sagt Hermann Dieck.

Zehn Jahre später folgte ein Gültner, danach kam der IHC. Bis 1973 unterstützten die zugstarken Fahrzeuge die Familie bei der Kartoffelernte. „Mit den Roten haben wir uns dann solange beschäftigt, bis wir die Landwirtschaft schließlich an den Nagel hängten.“

Dabei hätte Diecks Vater gern einen Bulldog der Firma Lanz gehabt. Und auch Sohn Hermann war ganz fasziniert von den robusten Rohöl-Traktoren. „Ich hatte ein Jahr lang das Vergnügen, den Lanz zu fahren. Das war damals auf meinem Lehrhof Voß in Inzmühlen. Der Bulldog war eine richtige Hexenmaschine. Die machte nicht immer das, was man von ihr wollte. Sie sprang nur mit Glück an. Aber sie dann zu fahren, war ein ganz tolles Erlebnis.“

Wer mehr über die Kartoffel erfahren möchte, der sollte sich den „Entdeckertag“ des Freilichtsmuseums am Sonntag, 27. Oktober, von 10 bis 18 Uhr, im Agrarium vormerken. Die Kartoffelkönigin aus Rotenburg ist zu Gast, ebenso wie der „Retter der Linda-Kartoffel“.