Die „Interessengemeinschaft Este“ will das Ortsbild von Moorende und Estebrügge erhalten. Die Bäume auf dem Deich gehören dazu, sagen die Mitglieder.
Jork-Moorende/Estebrügge. Sechs prachtvolle Eichen stehen in Moorende am Fuß des Estedeiches. Seit mehr als 150 Jahren, ohne dass ihnen Sturm und Fluten etwas anhaben konnten. Nun aber sind bereits zwei vom Deichverband als „abgängig“ definiert und eine rote Markierung besiegelt ihr Todesurteil.
Doch mit der oft unerklärlichen Sägepolitik des Deichverbandes - insbesondere im Frühjahr, als in der Samtgemeinde Lühe massiv abgeholzt und ins Ortsbild eingegriffen wurde - wollen sich viele Bürger entlang der Flussdeiche von Este, Lühe und Schwinge nicht mehr einfach abfinden. Sie schließen sich zusammen und fordern „endlich Transparenz“, wollen wissen, nach welchen Kriterien die Bäume an den Deichen gefällt werden.
In Moorende stellen sich jetzt die Bürger schützend nicht nur vor die sechs Eichen beim Esteburg-Ring, sondern fordern von den Deichgeschworenen Begründungen, warum plötzlich mal wieder 36 Bäume von den Deichen verschwinden sollen. „Wir haben eine Interessengemeinschaft Este gegründet, weil hier ein riesiger Konflikt schwelt“, sagt Initiator Rainer Podbielski aus Estebrügge. Denn halte man sich strikt an die Deichgesetze, dürften weder Bäume noch Häuser auf den Deichen stehen, was eine „Entsiedlungspolitik“ befürchten lasse.
Etwa 60 Einwohner aus Moorende und Estebrügge empfingen am Mittwoch Deichrichter, Vertreter vom Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA), dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und Stades Landrat Michael Roesberg bei ihrer Deichschau unter der umstrittenen Eichengruppe. Hildegard von Gilgenheimb überreichte ein Schreiben an den Oberdeichrichter der II. Meile Altes Land Uwe Hampe, in dem die Anwohner Vorschläge unterbreiten wie sie die Bäume pflegen und vor allem erhalten können.
„Die Bäume sind ortsbildprägend“, sagt Gilgenheimb und zeigt Auszüge aus dem Altländer Jahrbuch von 1905, die den Bestand der stattlichen Eichen dokumentieren.
Oberdeichrichter Hampe verweist auf das Niedersächsische Deichgesetz von 1963, das in den Jahren 2004/2005 novelliert wurde. „Demnach dürfen die Bäume da nicht stehen und wir sind an die Gesetze gebunden“, sagt Hampe. Zudem habe man gemeinsam mit der Fachabteilung des Landkreises „gefährliche Bäume“ gekennzeichnet.
Anwohnerin Magarete Gütersloh gibt Hampe Contra und bekommt Applaus: „Als ich vor 76 Jahren hier geboren wurde, standen die großen Eichen schon gut 100 Jahre. Unsere Vorfahren haben die Bäume mit Bedacht zur Deichsicherheit gesetzt, denn sie mussten sich gegen Stürme und Fluten ohne Schutz moderner Sperrwerke wappnen.“ Schon in der Schule haben seinerzeit die Kinder gelernt, dass die Pfahlwurzeln der Eichen dem Deich Halt geben und deshalb diese Bäume gepflanzt wurden, so die Seniorin, deren Haus auf dem Estedeich unweit der Eichen steht.
Anwohner Christoph Guder bringt es gegenüber den Deichinspektoren auf den Punkt: „Würden wir hier nicht stehen, wären die Bäume schon weg.“ Wir hätten schon viel früher wachsamer sein müssen, dann wären entlang der Lühe nicht so viele, auch gesunde Bäume gefallen, so Guder.
Landrat Roesberg nahm wegen der Brisanz der Lage an der Deichinspektion teil, um sich einen Überblick zu verschaffen. In Moorende vermittelte er diplomatisch zwischen Vertretern des Deichverbandes und Bürgern, die nicht nachvollziehen können, warum nun nach fast 200 Jahren die Eichen eine Deichgefahr darstellen sollen. „Und warum will man erst zwei fällen und vier angeblich gefährliche Eichen stehen lassen, zumal alle gesund wirken?“, fragt Rosmarie Grabitz. „Die Bäume sind schön, alt, gepflegt und gesund – warum sollen sie weg?“
Oberdeichrichter Hampe lenkt ein. „Wo es ohne Sicherheitsrisiko zu rechtfertigen ist, sollen die Bäume bleiben.“ Aber sogleich kommt die Einschränkung:
Für die Deichsicherheit spiele die Lebensfähigkeit eines Baumes keine Rolle, sondern ausschließlich deichbauliche Maßnahmen, so Hampe. Die könnten laut Hampe durchaus so aussehen, dass nach dem Fällen der Eichen deren Wurzeln entfernt werden müssten. Dazu würde es notwendig, den Deich mit schwerer Technik aufzubrechen und mit Kleiboden wieder zu schließen.
Roesberg plädierte dafür „im Schulterschluss“ zwischen Deichverband, Landkreis und Bürgern nach Kompromissen zu suchen. Er habe Verständnis, dass die Bürger ihr Ortsbild erhalten wollen, aber die Sicherheit in Bezug auf Deich- und Küstenschutz gehe uneingeschränkt vor, so der Landrat.
„Die örtlichen Deichverbände stehen hier in der Verantwortung, nicht die Politiker in Hannover“, warb Roesberg um Verständnis für Entscheidungen der Deichverbände und dafür, dass die Bürger im Dialog mit den Deichrichtern bleiben sollen. Eine erste Gelegenheit bot Jorks Bürgermeister Gerd Hubert an. An der nächsten Sitzung des Bau- Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde Jork, am 30. Oktober, werden Vertreter des Deichverbandes ihre Pläne erklären.
Zunächst einigten sich alle Beteiligten darauf, dass die „IG Este“ ein Gutachten von einem anerkannten Sachverständigen zum Zustand der Eichen einholen kann, bevor die Sägetrupps kommen. „Das lässt sich machen“, sagte Hampe und doch nahm er sogleich das Ergebnis vorweg, indem er sagte: „Aber auch dann werden sicher nicht alle Bäume stehen bleiben.“