Der Herbst zieht ein im Landkreis Harburg. Es wird kälter, die Blätter welken. In diesen Tagen erobern die Spinnen unsere Gärten und weben täglich neue Netze. Wie zarte, weiße Baldachine spannen sich die feinen Gebilde über Hecken und Sträucher und tauchen unsere herbstlichen Gärten in nebeliges Weiß.

Harburg/Region. Der Herbst zieht ein im Landkreis Harburg. Es wird kälter, die Blätter welken. In diesen Tagen erobern die Spinnen unsere Gärten und weben täglich neue Netze. Wie zarte, weiße Baldachine spannen sich die feinen Gebilde über Hecken und Sträucher und tauchen unsere herbstlichen Gärten in nebeliges Weiß.„Die Menschen nehmen die Spinnen jetzt erst wahr, dabei sind sie das ganze Jahr über vorhanden“, sagt Spinnenexperte Ulrich Irmler vom Institut für Ökosystemforschung in Kiel. Zu den anderen Jahreszeiten hielten sie sich überwiegend am Boden auf und seien noch nicht ausgewachsen. Man gehe von etwa 100 Spinnen pro Quadratmeter aus. „In den Monaten September und Oktober werden diese Jungtiere erwachsen“, sagt Irmler. „Jetzt beginnen sie richtig große Netze zu spinnen.“Morgendliche Sonnenstrahlen lassen die Tautropfen, die sich in den Spinnennetzen verfangen, glitzern und funkeln wie wertvolle Diamanten.

In der Region gibt es 563 unterschiedliche Spinnenarten, so Irmler. Entgegen der landläufigen Meinung seien Spinnen keine Insekten. Es gibt zwei markante Merkmale, die Spinnen von Insekten unterscheiden. Insekten haben nur sechs Beine, Spinnen hingegen sechs. Außerdem besteht ein Spinnenkörper nur aus zwei Teilen, während der von Insekten in drei Teile aufgeteilt ist.

In welcher Form und mit welchem Muster Spinnennetze gewoben werden, sei genetisch vorbestimmt, erzählt Irmler. Die Variationen der Muster seien so vielfältig wie die Häkelmuster antiker Tischdecken. Deshalb könne man die unterschiedlichen Arten gut anhand ihrer Netze auseinanderhalten. Eine der bekanntesten Formen hat das Netz der häufig vorkommenden Kreuzspinne. Es sieht aus wie ein gesponnenes Rad und hängt immer senkrecht zur Erdoberfläche. Wegen der Form ihres Netzes gehört sie zu den Radnetzspinnen. Sie weben ihre Netze nicht nur an Bäumen und Sträuchern, sondern hängen ihre Netze auch an Mauern oder Dachvorsprünge. Die Weibchen der heimischen Kreuzspinnen, der Gartenkreuzspinnen und der Vierfleckkreuzspinnen können fast zwei Zentimeter groß werden. Noch größer wird die etwas seltenere Wespenspinne. Sie ist mit einer Länge von zweieinhalb Zentimetern die größte Radnetzspinne in Schleswig-Holstein. Ihrem gelb-schwarz gestreiften Hinterleib, der an eine Wespe erinnert, verdankt sie ihren Namen. Trotz ihres gefährlichen Aussehens, droht dem Menschen von der Wespenspinne keine Gefahr. Sie ist, wie alle in Norddeutschland vorkommenden Spinnen harmlos.

Baldachinspinnen kommen in Stormarn am häufigsten vor. Es gibt in der Region 223 verschiedene Arten. Sie weben ein durchhängendes Netzgeflecht. Es ähnelt einem Sicherheitsnetz im Zirkus. Die Baldachinspinnen sind es auch, die unsere Gärten mit ihren Netzteppichen verzieren und jeden Tag ein neues Kunstwerk auf Hecken und Sträuchern hinterlassen. Die Färbung der Baldachinspinnen tarnt sie gegenüber ihren Feinden. Wenn sie, den Bauch nach oben, unter ihrem horizontal gespannten Netz hängen, ist ihre dunkel gefärbte Bauchseite von Fressfeinden nur schwer auszumachen. Ihr Rücken ist heller gefärbt, so dass er vom Boden gesehen, ebenfalls Tarnung bietet und die Spinne vor Angriffen schützt. Der Baldachin, wird von unten durch Fäden gespannt. Nach oben ziehen die Spinnen klebrige „Absturzfäden“, in denen sich die Beute verfängt. Häufig schütteln sie ihre Beute auf das darunter liegende Netz. Spinnen nutzen ihre Spinnenfäden auch um sich woanders anzusiedeln und ihre Art zu verbreiten. Sie schießen einen Faden aus dem Hinterleib. „Er dient als Flugfaden“, sagt Ulrich Irmler. Dann wird der Leib der Spinne vom Wind erfasst. „Dann schweben sie lange Strecken durch die Luft. Das ist fast wie eine Balonfahrt “, so der Arachnologe. In der Fachsprache hieße das Ballooning. So könnten sie mehrere Kilometer zurücklegen. Am nächsten Haltepunkt angekommen sei diese Flugleine die Basis und die Sicherheitsleine für ein neues Netz. Irmler: „Das ist eine sehr effektive Art neue Lebensräume zu erschließen.“

Trichterspinnen weben eine Wohnhöhle, die sich vom Eingang zur Mitte trichterförmig verengt und zwei Ausgänge hat. Die achtbeinigen Krabbeltiere verbringen die meiste Zeit innerhalb dieser Wohnhöhle, die sie nur dann verlassen, wenn sie vertrieben oder die Wohnhöhle zerstört wurde. Sie verharren regungslos in ihrer Wohnhöhle oder im Eingang. Ihre vorderen Beinpaare haben sie dabei tastend auf das Netz gelegt. Nähert sich Beute den gespannten Fangfäden, oder verheddert sich darin, nimmt die Trichterspinne die Erschütterungen über die Vorderbeine wahr. Dann läuft sie flink aus dem Netz und ergreift ihre Beute. Räuber sind sie alle, die in Stormarn ansässigen Spinnen. „Trotzdem sollte man die Spinnen nicht töten oder die Spinnennetze zerstören“, mahnt Spinnenfachmann Irmler. Denn Spinnen fressen andere fliegende Organismen wie Fliegen und Mücken. „Die Spinnen halten die Populationen dieser Insekten in Schach“, sagt Ulrich Irmler. „Genau genommen bewahren die Spinnen uns vor einer Fliegen- und Mückenplage im kommenden Jahr“.