Im März kommenden Jahres jährt sich zum 200. Mal die Besetzung und Zerstörung Marmstorfs durch Truppen Napoleons. Dieses Ereignis wollen die Marmstorfer mit einem historischen Wochenende begehen.
Marmstorf. Es ist ein idyllischer alter Ortskern, den Marmstorf hat. Allein sieben Fachwerkhäuser, mit mächtigen Eichen vor der Tür, reihen sich um den Feuerteich. Die Straßen sind aus Kopfsteinpflaster. Direkt am Feuerteichweg Ecke Handweg steht, etwa zurückgesetzt, verwittert und von Bäumen und Büschen umrahmt ein mächtiger Hinkelstein. Er erinnert an das Ereignis, dem die Marmstorfer ihren hübschen Ortskern zu verdanken haben. 1814 wurden das komplette Dorf von französischen Truppen niedergebrannt. Im kommenden Jahr soll an das Ereignis mit einer dreitägigen Veranstaltung erinnert werden.
Es ist Rainer Bliefernicht, selbst Besitzer und Bewohner eines der Fachwerkhäuser im Ortskern, der sich mächtig ins Zeug legt. Er macht es als engagierter Marmstorfer und aus Tradition. „Mein Ur-Schwiegeropa, Christoph Eddelbüttel, hat 1914 den großen Umzug mit organisiert, der anlässlich des 100. Jahrestages der Niederbrennung von Marmstorf durchgeführt wurde“, sagt Bliefernicht. Damals war das eine große Sache. Sogar eine Miss Germania wurde damals gewählt. Eine Martha Böttcher, ein hübsches Mädchen und natürlich blond, machte damals das Rennen. Bei mehreren Bewerberinnen, die das Nachsehen hatte, soll es Tränen gegeben haben.
Diesmal wird es keine Miss-Wahl geben. Ein großes Ereignis wird es trotzdem, wenn um den 29. März 2014 wieder an die Niederbrennung erinnert wird. Dafür ist Bliefernicht vor einigen Tagen, mitten im Wahlkampf, sogar auf ein Schlachtfeld gezogen. Genauer gesagt in die Göhrde, wo nahe Dahlenburg vor 200 Jahren die napoleonischen Truppe des Generals Pecheux eine Niederlage gegen alliierte Truppen, bestehend aus dem Lützowsche Freikorps, Briten, Hannoveranern, Truppen der Russisch-Deutschen und der Hanseatischen Legion, Mecklenburger und Schweden erlitten. Alle zwei Jahre wird in der Göhrde die Schlacht nachgestellt.
Es sind Mitglieder von Clubs, die sich dem Reenactment, der möglichst authentischen Nachstellung von historischen Ereignissen, verschrieben haben. Rund 400 sind gekommen, in historischen Uniformen, mit sechs Kanonen und mehr als einem Dutzend Pferden. Vor 200 Jahren waren es rund 3000 Franzosen, die über 12.000 Alliierten gegenüber standen.
Eigentlich war es mehr ein Scharmützel. Historische Bedeutung bekam es wegen einer Frau. Eleonore Prochaska hatte als Mann verkleidet beim Freikorps der Lützower gekämpft und wurde tödlich getroffen. Sie wurde eine Heldin, der Beethoven eine Sonate widmete.
Einen Monat nach der Schlacht in der Göhrde verloren die Franzosen die Völkerschlacht bei Leipzig, die die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege war. Die Franzosen mussten sich aus Deutschland zurückziehen. Als sie Harburg räumten brannten sie Marmstorf, Lürade und Appelbüttel komplett nieder.
In der Göhrde suchte Bliefernicht den Kontakt zu den Truppen. Im kommenden März sollen sie in Marmstorf aufmarschieren und den historischen Ortskern optisch in die Zeit vor 200 Jahren zurücksetzen. Es wird die einzige Veranstaltung im Raum Hamburg, die an die historischen Ereignisse dieser Zeit erinnert.
Die Idee kam an. In Marmstorf hat sich bereits ein breites Bündnis formiert, dass das dreitägige History-Event vorbereitet. Pastor Thomas von der Weppen von der Auferstehungskirche ist ebenso dabei wie die Marinekameradschaft, der Sportverein Grün-Weiss Harburg, die Jagdgenossenschaft Marmstorf-Wilstorf-Eißendorf, die Liederfreunde Marmstorf, natürlich der Schützenverein und die Feuerwehr, der örtliche Landfrauenverband und die Realgemeinde Marmstorf.
Die Attraktion werden die Männer und Frauen sein, die in historischen Uniformen und historischer Kleidung drei Tage den alten Ortskern bevölkern werden. Damit die auch kommen, war Bliefernicht auf dem Schlachtfeld gewesen. „Nur dort kann man direkt die Leute ansprechen, ihnen die Idee vorstellen und sie so dafür begeistern“, sagt Bliefernicht, die für die Anwerbung von einzelnen Darstellern oder ganzer Gruppen eigens 50 Flyer gedruckt hat. Ein bisschen Überredungskunst ist dabei auch angesagt. Denn früher lebten die Soldaten im Biwak, also im Zelt. Und ein Wochenende im März kann ganz schön kühl sein.
„Wir hatten in den letzte zehn Jahren in Marmstorf am 29. März Temperaturen zwischen zwei und 17 Grad“, weiß Bliefernicht, der allein schon mit diesen Zahlen belegt, dass er die Planung bis ins kleinste Detail durchführt. Sollte es zu kalt sein, werden „Truppen“, die aus Bayern, Sachsen oder Thüringen kommen werden, in den Scheunen übernachten können.
Geschossen wird an den drei Tagen im März in Marmstorf nur ein bisschen. Dort fand ja auch keine Schlacht statt. Die Bewohner waren vor 200 Jahren geflohen, als die Soldaten kamen und die Dörfer abbrannten, bevor sie sich ein paar Tage später über die Bremer Straße Richtung Frankreich zurückzogen. Für den Freitag ist die Anreise geplant und das Einrichten des Biwak. Dann werden die Teilnehmer von Haus zu Haus gehen und Lebensmittel „requirieren“.
Am Sonnabend wird es einen Feldgottesdienst und einen Festakt geben, bevor am Abend noch ein kleines Rückzugsgefecht in der Schlucht der Westerheide nachgestellt wird. Am Sonntag geht es dann noch einmal in historischen Uniformen und „ohne Waffen“, wie Bliefernicht betont, in die Kirche, bevor die Truppen wieder abrücken. Einige werden da wohl auch wieder die Bremer Straße nehmen.