Auch in Marschacht ist jetzt bereits ein Haus in Flammen aufgegangen. Wieder war es Brandstiftung. Die Anwohner in der Elbmarsch sind nachts unterwegs und halten Wache bei ihren Häusern.
Bütlingen An der Straße steht ein Umzugswagen. Männer in robusten Hosen schleppen Kartons vom Haus in den Laster, stapeln sie hoch bis unter die Plane. Dabei wollen die Bewohner gar nicht umziehen. Sie müssen ihr Haus ausräumen, weil es in der Nacht zu Sonntag gebrannt hat. Weil ihr gesamtes Hab und Gut vom Löschwasser durchnässt ist. Weil jemand ihr Zuhause in Brand gesteckt hat.
Sie waren die Ersten, und sie sind nicht die Einzigen in der Elbmarsch geblieben, deren eigene vier Wände in dieser Woche abgebrannt sind.
In der Nacht zu Dienstag loderte das zweite Haus in Bütlingen, 200 Feuerwehrleute konnten es nicht retten. Gerippe aus verkohlten Holzbalken ragen in den Himmel, was einmal gemütliche Zimmer waren, sind tote Flächen mit zersprungenem Fensterglas.
Insgesamt sechs Mal hat es seit Anfang vergangener Woche in dem 750-Einwohner-Dorf gebrannt: Zweimal waren es Strohballen, einmal Holzstapel, einmal Müllsäcke. Und zweimal bewohnte Reetdachhäuser.
Am Donnerstagmorgen der nächste Einsatz der Feuerwehr in der Elbmarsch: An der Elbuferstraße in Obermarschacht hat eine Frau die 112 gerufen, weil es bei ihr im Obergeschoss gebrannt hat. Sie blieb unverletzt, wie die Bewohner in Bütlingen auch. Neben der Brandbekämpfung haben gestern auch Beamte in mehreren Streifenwagen und einem Polizeihubschrauber nach möglichen Verdächtigen gefahndet. Dass es sich auch in Marschacht um Brandstiftung handelt, ist so gut wie sicher: weil das Feuer von außen in die Dacheindeckung gelangt ist. „Ein starkes Indiz für Brandstiftung“, sagte Polizeisprecher Jan Krüger.
Im Fischladen, dem einzigen Geschäft des Ortes, sind die Brände jeden Tag Thema. „Alle, die von hier kommen, sprechen darüber“, sagt die Verkäuferin. Die Kundin, die gerade hineinkommt, lebt zwar mittlerweile nicht mehr im Ort, kommt aber häufig her. „Alle haben Angst, auch in den umliegenden Dörfern“, erzählt sie, „besonders die mit Reetdachhäusern.“
Manche Ehepaare wechseln sich in der Nacht mit dem Schlafen ab, weiß die Dame, so groß sind die Befürchtungen, dass sie vom Rauch aufwachen. Dass es das „Ole Amtshus“ getroffen hat, „ist ein Jammer. Die Besitzer haben es so aufwendig und liebevoll restauriert.“
Wer der Brandstifter sein könnten, darüber denken die Leute im Dorf jeden Tag nach – nur formulieren mag es keiner. „Hier kennt ja jeder jeden“, sagt die Frau. Dass es in anderen Fällen schon mal Feuerwehrleute waren, wissen auch die Bütlinger.
60 Feuerwehrleute liefen um ihr Haus, als die Besitzer Sonnabendnacht nach Hause kamen. Die einzeln vermessenen, getischlerten Fensterrahmen, die restaurierten Gauben: alles kaputt. Die Möbel, alle nass.
„Wir müssen alles trocknen, auch die Wände“, sagt die Besitzerin. In Gummistiefeln steht sie in ihrem verwüsteten Garten, sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen und kein Foto sehen. Zu emotional ist der Moment, als sie ihr Haus ausräumen muss, obwohl sie gar nicht ausziehen will.
Die beiden sind bei Freunden untergekommen, „die Gemeinschaft greift“, sagt die Frau. „Das rührt mich immer wieder.“ Menschen kommen, packen an, räumen aus, kochen essen, waschen Decken. Gemeinsam mit Freunden und Bekannten haben sie auch die Plane auf das Dach gehievt, zum Schutz des übrig gebliebenen Hauses.
Der Keller ist mehr als 1000 Jahre alt, das Gebäude zählte zum einstigen Schloss der Winsener Herzogin Dorothea. „Ich möchte dieses Kulturdenkmal auf jeden Fall erhalten“, sagt die Inhaberin. „Das Haus gehört nicht nur uns, sondern auch der Nachwelt.“ In der Elbmarsch seien schon zu viele historische Höfe abgebrannt oder abgerissen worden.
„Ich möchte, dass mit aller Kraft nach den Tätern gesucht wird“, sagt die Wahl-Bütlingerin. „Das hier ist kein Dummer-Jungen-Streich.“
Die Polizei hat nach eigenen Angaben ihre Präsenz noch weiter verstärkt. „Weiterhin gilt für die Bevölkerung der Appell, sehr wachsam zu sein und verdächtige Beobachtungen unverzüglich über den Notruf an die Polizei weiterzugeben“, so Krüger.
Ein Aufruf, der in der Elbmarsch wohl unnötig ist. Zumindest in Bütlingen schläft im Moment kaum jemand durch.