Der Julius-Club Tostedt blickte hinter die Kulissen der U-Bahn und fuhr mit dem Sonderzug vom Jungfernstieg über Berliner Tor und Barmbek bis zum Rödingsmarkt. Das Abendblatt war dabei.
Tostedt/Hamburg. Typisch Junge. Luca erkundigt sich als erstes nach der Geschwindigkeit. "Wie schnell können sie fahren?", fragt er und schaut auf den Tacho. 80 Kilometer pro Stunde zeigt der an. Nicht gerade viel, verrät Lucas Gesichtsausdruck. Es folgt ein Schlagabtausch über PS-Zahl, maximaler und gedrosselter Geschwindigkeit zwischen dem Elfjährigen und Jan Wessel, Gruppenleiter bei der Hamburger Hochbahn, der die U-Bahn vom Jungfernstieg Richtung Berliner Tor durch den Tunnel führt. "Die Bahn kommt schon auf ihre 150 Kilometer pro Stunde", sagt der 49-Jährige. Währenddessen filmt Lucas gleichaltriger Kumpel Philip fasziniert die Schienen vor sich, auf denen die Bahn dahinsaust.
Luca ist einer von insgesamt 20 Kindern im Alter von elf bis 14 Jahren aus der Samtgemeinde Tostedt, die am Montag an einer Fahrt mit dem Sonderzug vom Jungfernstieg über Berliner Tor und Barmbek bis zum Rödingsmarkt teilnahmen. Der Julius-Club Tostedt hatte die Tour organisiert. Auch wenn diese Fahrt nicht gerade viel mit Büchern zu tun hat, ist die eigentliche Aufgabe des Julius-Clubs, Kinder und Jugendliche zum Lesen zu bewegen. Bis zum 14. August stellt der Club in 46 Bibliotheken in Niedersachsen 100 verschiedene Buchtitel der Kinder- und Jugendliteratur für Leser im Alter von elf bis 14 Jahren zur Ausleihe bereit.
Aber auch gemeinsame Unternehmungen wie der Ausflug zur Hochbahn in Hamburg gehören mit zum Julius-Programm. Wie eine U-Bahn von innen aussieht, wissen die Kinder aus der Samtgemeinde Tostedt schon. Die meisten haben beispielsweise bereits das Miniatur Wunderland in Hamburg besucht. Aber wie man so eine Bahn lenkt, hat noch keiner gesehen. "Ich interessiere mich für Züge", sagt Marie, 10, aus Wistedt. "Ich dachte, ich mache mal mit, damit ich mehr darüber weiß."
Bevor die Kinder in die U-Bahn stiegen, durften sie einen Blick in die Leitzentrale, dem Herz der Hamburger Hochbahn, werfen. "Gab's schon einmal einen Stromausfall?", "Was passiert bei einem Brand?", "Was, wenn jemand aufs Gleis läuft?" fragten sie. Gruppenleiterin Anja Röhl von der Hamburger Hochbahn beantwortete ausführlich alle Fragen und erläuterte Sinn und Zweck der Anzeigetafeln in der Leitzentrale. Erstaunt stellte sie fest, dass an diesem Morgen kein Zug Verspätung hatte. "Das grenzt an ein Weltwunder", sagte sie. "Wenn ein Zug zu spät ist, sieht alles bunt aus."
Bunt wurde es auch am Gleis am Jungfernstieg. Für manche war der Taststreifen für Blinde am Boden Neuland: Die Kinder knieten nieder und befühlten die Rillen. Auch die Funktion der schwarz-weißen Fliesen auf dem Gleis, die den Rollstuhlfahrern die Möglichkeit des barrierefreien Ein- und Aussteigens anzeigen, erläuterte Anja Röhl. Die 48-Jährige warnte davor, den weißen Streifen am Gleis zu übertreten. "Der Windstoß im Tunnel kann einen schnell aufs Gleis wehen." Apropos. Die Gruppenleiterin zeigte den Kindern, wo sie in einem solchen Fall die Bremse an der Notrufsäule ziehen müssen.
Dann der Höhepunkt, die Fahrt mit der U-Bahn: Die Kinder drängeln sich vor der Glasscheibe, hinter der Jan Wessel sitzt. Wann kann man schon mal, einem U-Bahn-Fahrer über die Schulter schauen? "Sonst kommt man da ja nicht rein", sagte Felix, 12, aus Tostedt. Jan Wessel, eingerahmt von Knöpfen, erklärt, wann er welche drücken muss. Tür auf, Tür zu, Lautsprecherdurchsage. "Ist es schwer, damit zu fahren?", fragt Luca. "Nee, das ist wie beim Computer spielen", sagt Jan Wessel. Hebeln nach vorn: beschleunigen. Hebel zurück: bremsen. Luca: "Ich hatte mir das viel schwieriger vorgestellt."
Ausstieg am Rödingsmarkt. Anja Röhl verabschiedet sich. Die Kinder winken. "Hüüüüh", macht die Bahn. Jan Wessel gibt Gas. Der Hebel ist vorn.