Auf der Freilichtbühne im Stadtpark Harburg darf nur an fünf Tagen im Jahr für fünf Stunden musiziert werden. Seit 2009 rückte das kleine Amphitheater verstärkt ins Blickfeld.
Harburg. Veranstalter nichtkommerzieller Musik- und Kulturveranstaltungen haben es in Harburg schwer. Besonders dann, wenn diese Feste unter freiem Himmel stattfinden sollen. Die Organisatoren des Festivals "Keine Knete - trotzdem Fete" (KKTF) oder des Elektro-Konzerts "Freilicht" können davon ein traurig Lied singen. "Obwohl der Bezirk Harburg von der Fläche her nicht so klein ist, gibt es viel zu wenig Plätze für alternative Stadtteilkultur", sagt Gerrit Mencke von der KKTF-Crew.
Deren Verdienst war es, die Freilichtbühne im Harburger Stadtpark vor neun Jahren aus dem Dornröschenschlaf geweckt zu haben. Bevor das KKTF-Festival 2004 erstmals über die idyllisch gelegene grüne Bühne ging, wurde sie allenfalls zweimal im Jahr für kirchliche Veranstaltungen zu Pfingsten und zu Fronleichnam genutzt. Seit 2009 rückte das kleine Amphitheater, dessen Unterhalt das Bezirksamt jedes Jahr 5000 Euro kostet, auch ins Blickfeld anderer Organisatoren, die es verstärkt in seiner ursprünglichen Funktion als lebendigen Veranstaltungsort nutzen wollten.
Das rief aber eine Reihe von Anwohnern des nahe gelegenen Hölscherwegs auf den Plan. Sobald die Lautsprecherboxen die Musik etwas zu laut in den Stadtpark trugen, hagelte es Proteste. Dem Bezirksamt liegt seit geraumer Zeit eine Liste mit den Unterschriften von etwa 45 Personen vor, die sich vehement gegen "lärmintensive Veranstaltungen mit Verstärkeranlagen auf der Freilichtbühne" wenden.
Seitdem praktiziert das Bezirksamt ein überaus rigides Regime bei der Vergabe der Freilichtbühne. Bereits seit Oktober 2010 wurde nur noch eine "laute" Veranstaltung pro Monat genehmigt. "Dabei darf nach Maßgabe des Verbraucherschutzamtes auf der Grundlage des Immissionsschutzgesetzes ein Lärmwert von 70 Dezibel nicht überschritten werden", so Gerrald Boekhoff, im Bezirksamt für das Management des öffentlichen Raumes zuständig. Überdies musste zwischen "lauten" Veranstaltungen, die nie länger als fünf Stunden dauern dürfen und stets um 22 Uhr beendet sein müssen, mindestens ein veranstaltungsfreies Wochenende liegen. Diese Regelung wurde ein Jahr später noch verschärft, in dem "laute Veranstaltungen" nicht mehr über zwei Tage gehen durften.
"Für Festivals wie ,Keine Knete - trotzdem Fete' sind solche Auflagen völlig inakzeptabel, da wir keinen Eintritt nehmen", so Gerrit Mencke. Nur über den Verkauf von Speisen und Getränken sei solch eine Veranstaltung ohnehin schwer finanzierbar, schon gar nicht in einem Zeitfenster von gerade fünf Stunden: "Insofern fühlen wir uns ausgebootet. Es bleibt unverständlich, warum sich Verwaltung, die Lokalpolitik und einzelne Anwohner so wenig für unser buntes, multikulturelles Fest interessieren und es offenbar nicht als Bereicherung für den Stadtteil empfinden. So blieb uns nur der Weg ins Exil. Also weg aus dem öffentlichen Raum, wo es eigentlich hingehört."
Wie schon im Vorjahr soll KKTF auch 2013 (am 26./27. Juli) auf dem Gelände des befreundeten Vereins "Tipsy Apes" am Heimfelder Radeland 25 stattfinden. Zwar hat es Ende 2012 Gespräche mit der BI Hölscherweg und Anfang April dieses Jahres ein dreistündiges Treffen mit SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath gegeben, doch konkrete Ergebnisse blieben aus. Bislang gibt es weder die Möglichkeit einer Rückkehr in den Stadtpark, noch das Angebot einer alternativen Fläche.
Nicht einmal der angefragte Festplatz auf dem Schwarzenberg wurde den KKTF-Machern zugestanden. "Zu viele Anwohner in unmittelbarer Nähe", lautete die Begründung. Dabei hat dort Anfang Mai gerade das auch nicht eben leise Jugendzentrum des Evangelischen Kirchentages gastiert. Und vom 10. bis 16. Juni bitten Schützengilde und die Technische Universität zum 485. Harburger Vogelschießen, in dessen Rahmen es dem Vernehmen nach gleich mehrere lange Partynächte geben soll. Wie er sich das erkläre, wollte das Abendblatt vom Vorsitzenden des hiesigen Kulturausschusses, Heinz Beeken (SPD), wissen. "Ich denke, wir haben es hier mit einer anderen Tradition, einer anderen Qualität zu tun", lautete dessen Antwort.
Für Jürgen Havlik vom Verein "Alles wird schön", der sein Elektro-Konzert "Freilicht" bislang nur einmal auf der Freilichtbühne im Stadtpark veranstalten durfte, wird hier eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. "Uns wollte man nicht mehr haben, weil es nach dem absolut pünktlichem Ende unseres Konzerts 2011 zur nächtlichen Ruhestörung durch Jugendliche mit einem röhrenden Gettoblaster gekommen sei", berichtet er: "Dabei hatten die mit uns überhaupt nichts zu tun."
Havlik sieht derweil eine zunehmende Intoleranz bei vielen Menschen: "Dass solch eine wunderschöne und ideale Location wie die Freilichtbühne de facto nur an fünf Tagen im Jahr bespielt werden darf, ist doch ein schlechter Witz. Das macht es angesichts mangelnder Alternativen im Stadtteil noch schwieriger, nichtkommerzielle Veranstaltungen durchzuführen."
Unterstützung erhält Havlik von Harburgs Eventgastronom Heiko Hornbacher. Städtebaulich und rechtlich sei da vieles versäumt worden, um solche Veranstaltungsorte besser zu schützen, sagt er: "Das veränderte Freizeitverhalten der Menschen ist nur unzureichend beachtet worden." Auch das von ihm veranstaltete Außenmühlenfest und sein Beachclub im Binnenhafen seien in der Vergangenheit von lärmsensiblen Bürgern angefeindet worden. Bis er vor zwei Jahren ein entsprechendes Gutachten angefordert habe: "Seitdem bin ich rechtlich auf der sicheren Seite"
Seiner Ansicht nach gebe die Stadt viel Geld für die Verschönerung von Plätzen aus, für bunte Blumen, teure Geländer, eine aufwendige Pflasterung. Doch wie diese Plätze dann belebt und aktiv genutzt werden könnten, interessiere offenbar niemanden. Hornbacher: "Harburg braucht zwei echte Krachmacherflächen. Damit könnte der Stadtteil auch nördlich der Elbe punkten und Leute anlocken, die ihr Geld hier ausgeben. Aber das muss man natürlich auch wollen."