Die wirtschaftliche Situation der Kliniken in Niedersachsen wird immer schwieriger. Betriebsräte, Manager und Politiker fordern mehr Geld.
Winsen . "Niedersächsische Krankenhäuser vor dem Kollaps" - so lautete der Titel einer Podiumsdiskussion, zu der die Betriebsräte des Elbe-Heide-Krankenhausverbundes in das Krankenhaus Winsen eingeladen haben. Dass das Thema Krankenhäuser die Menschen berührt, zeigte die Teilnehmerzahl am bitterkalten Donnerstagabend: Rund 200 Frauen und Männer kamen in das Krankenhaus Winsen und hörten mehr als zwei Stunden zu, was Betriebsräte, Geschäftsführer und Politiker zu sagen hatten.
Die große Resonanz überrascht nicht: Schon fast die Hälfte aller niedersächsischen Kliniken schreibt in diesem Jahr rote Zahlen. Vor einem Monat hatte das Krankenhaus Salzhausen einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Lüneburg gestellt (das Abendblatt berichtete). Jetzt steht die Klinik unter einem "Schutzschirm", der als Vorstufe der Insolvenz gilt. Mittlerweile haben schon fünf Krankenhäuser in Niedersachsen Insolvenz angemeldet. Experten befürchten, dass mittelfristig jede sechste der 196 niedersächsischen Kliniken nicht überlebensfähig ist.
Die Vertreter auf dem Podium waren sich einig: Die Kosten in den Krankenhäusern steigen und steigen, die Zahlungen der Krankenkassen hingegen halten nicht entsprechend mit. "Seit Anfang der 90-er Jahre ist zu beobachten, dass die Schere zwischen Aufwendungen und Erlösen immer weiter auseinanderklafft. Ergebnisse von Tarifverhandlungen, Preissteigerungen und Investitionserfordernisse der Kliniken blieben seitdem zum größten Teil unberücksichtigt", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der kreiseigenen Krankenhäuser Buchholz und Winsen, Markus Beecken. Seine Diagnose: "Die Lage der Krankenhäuser spitzt sich in ganz Deutschland zu. Immer mehr Häuser geraten in finanziell prekäre Situationen. Auch hocheffizient und wirtschaftlich tätige Kliniken haben inzwischen massive Probleme."
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Elbe Kliniken Stade-Buxtehude, Kai Holm, sagte, die Mitarbeiter in den Krankenhäusern versuchten alles für die Patienten zu tun, "aber langsam können sie nicht mehr. Unsere motivierten und hochqualifizierten Kollegen sehen sich einem kaum noch ertragbarem Leistungsdruck bei gleichzeitig sinkenden Vergütungen und reduzierten Stellenplänen ausgesetzt." Deshalb gebe es immer mehr Berufsaussteiger, Abwanderungen ins Ausland und immer weniger Interessenten an Berufsausbildungen für den Krankenhausbereich.
Krankenhausmanager wie Arbeitnehmervertreter und Politiker monierten einhellig die Regelsätze, die die Krankenkassen für die Krankenhausleistungen bezahlen. Dieser sogenannte "landeseinheitliche Basisfallwert" liegt in Niedersachsen 97 Euro unter dem Hamburger Wert pro Patient. "Dieses System ist Murks", monierte der Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, Norbert Böttcher, "dieses System ist ungerecht, die Wirkung ist rechtswidrig." Der sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Norbert Böhlke, rechnete vor: Die Krankenhäuser Buchholz und Winsen haben pro Jahr 26.000 Patienten. Würde in den beiden kreiseigenen Krankenhäusern wie im nahen Hamburg abgerechnet werden, könnten sie 2,6 Millionen Mehreinnahmen pro Jahr verbuchen. Norbert Böttcher rechnet für 2013 "mit einem Defizit" in seinen beiden Häusern.
Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), Vize-Präsident des Niedersächsischen Städtetages, monierte, "die kommunalen Krankenhäuser haben nicht die Lobby in der Politik. Wir sind sehenden Auges in die Katastrophe hereingesegelt und jetzt wundert man sich, dass die Kliniken unterfinanziert sind." Die niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete Petra Tiemann fand noch drastischere Worte: "Wir steuern auf einen Notstand in der Pflege- und Krankenversorgung zu. Die Politik muss an den Rahmenbedingungen dringend etwas ändern."
Die Betriebsräte des Elbe-Heide-Krankenhausverbundes werden Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und der niedersächsischen Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) jetzt eine Resolution zukommen lassen. Ihre Kernforderung: "Wir appellieren an Sie, die wohnortnahe Versorgung mit Krankenhausleistungen vor dem anstehenden Kollaps zu bewahren und stattdessen für eine auskömmliche Finanzierung Sorge zu tragen."