2000 Quadratmeter im Binnenhafen sind mit Teeröl verseucht und müssen saniert werden. Am Straßeneck von Neuländer Straße und Hannoverscher Straße, geht es derzeit um sogenanntes Flächenrecycling.

Harburg. Die Männer tragen weiße Schutzanzüge und Gummistiefel. Und wer das Gelände wieder verlassen will, muss vorher durch eine sogenannte Schleuse gehen, dabei die Schuhe reinigen und den zumeist verschmutzten Schutzanzug ausziehen. Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Am Straßeneck von Neuländer Straße und Hannoverscher Straße, dem Eingang zum Harburger Stadtentwicklungsgebiet "Binnenhafen", geht es derzeit um Bodensanierung, um sogenanntes Flächenrecycling einer alten Industriebrache. Das kostbare Grundstück von immerhin 44 000 Quadratmeter Größe befindet sich im Bestand der Deutschen Bahn AG und wird wieder fit gemacht für neue Nutzung. Verhandlungen mit Interessenten laufen, so heißt es, unterschriebene Verträge gibt es noch nicht.

Die Deutsche Bahn AG hat die Firma Eggers Umwelttechnik mit der Bodensanierung beauftragt. Ende Oktober soll nach Möglichkeit alles erledigt sein. Polier Dietmar Brandt und drei Mitarbeiter graben in drei Baufeldern von etwa 2000 Quadratmeter Gesamtfläche den mit Schadstoffen belasteten Boden bis drei Meter Tiefe aus und füllen das Gelände umgehend mit unbelastetem Sand wieder auf. Der Aushub wird im Labor untersucht und kommt je nach Belastungsgrad entweder zur Bodenwäsche oder wird biologisch aufbereitet und beispielsweise beim Bau von Lärmschutzwällen wiederverwertet. Mit der Bodensanierung wird das Gelände zugleich auf Bombenblindgänger abgesucht. Die Firma Eggers hat dafür eigene Kampfmittel-Spezialisten.

Bei einer Baustellenbesichtigung empfing Polier Dietmar Brandt vor wenigen Tagen den Projektleiter der Bahn AG Mario Fusch, den Eggers-Oberbauleiter Stefan Liebig, den Vertreter der Umweltbehörde Matthias Kock und den Aufsicht führenden Geologen Martin Braun. Was beim Rundgang besonders auffällt, ist der an die Dünste von Benzin oder Diesel erinnernde Geruch von Steinkohleteeröl, vielen noch bekannt als "Carbolineum". Bis vor etwa 20 Jahren wurde Holz damit gegen Fäulnis und Pilzbefall imprägniert, bis Carbolineum wegen Gesundheitsgefährdung weitgehend aus dem Verkehr gezogen wurde.

Die Schadstoffe stecken schon lange Zeit im Erdboden. Projektleiter Mario Fusch: "Von 1884 bis 1938 war die Teerkocherei Bothnia Gesellschaft h. G. Merck & Sohn auf dem Gelände tätig. Das Teeröl stammte aus der damaligen Stadtgas-Erzeugung, das durch Verkokung von Steinkohle gewonnen wurde." Und sonderlich sorgsam war in der Teerkocherei in Harburg mit dem Öl vermutlich nicht umgegangen worden, sonst wäre nicht so viel davon ins Erdreich gesickert. Eisenbahnschwellen und Strommasten aus Holz waren von der Teerkocherei Bothnia unter anderem imprägniert worden. Nach 1938 waren Gelände und Gebäude von unterschiedlichen Firmen weiter genutzt worden. Bis Anfang der 1990er-Jahre war dort der Schrotthandel von Hansa Rohstoffe (Krupp) zu finden. 1991 war das Grundstück von der Umweltbehörde in das Verdachtsflächenkataster für Schadstoffbelastungen aufgenommen worden. Untersuchungen wiesen auch Schwermetallbelastungen im Boden aus. Urheber unbekannt.

Weil die Immobilienverwaltung der Bahn AG, die DBImm, schon längere Zeit Interessenten für das Grundstück sucht, war die Bodensanierung bereits 2008 vorbereitet worden. Das Gelände wurde sondiert. An mehr als 100 Punkten waren Erdproben gezogen worden. Die Umweltbehörde betreibt auf dem Gelände zudem 15 Messbrunnen mit Tiefen zwischen drei bis vier Meter sowie zehn bis 20 Meter. Im Gebiet der Teerkocherei, die sich im südwestlichen Teil des Grundstücks befand und bis an den Östlichen Bahnhofskanal reichte, wurden in den oberen Wasserschichten Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie BTEX (Benzole, Tuluol, Xylol sowie Ethylbenzol) nachgewiesen. Geologe Martin Braun, der im Auftrag der Bahn AG die Bodensanierung vor Ort überwacht, die Laboruntersuchungen begleitet und alle Schritte protokolliert, rechnet nach der detaillierten Sondierung des Geländes nicht mehr mit überraschenden Funden.

Matthias Kock von der Abteilung Bodenschutz/Altlasten der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) geht auch davon aus, dass mit dem Bodenaustausch die Belastungswerte in den oberen Wasserschichten zurückgehen und eine gesonderte Wassersanierung überflüssig wird. Kock: "Die BSU hat ein großes Interesse am Recycling belasteter Flächen. Das Stadtgebiet ist begrenzt. Da zählt jeder Quadratmeter, der wieder nutzbar gemacht werden kann." Dabei weist Kock auf eine Fachtagung "Neue Werte auf alten Flächen" der BSU am 6. September in Bahrenfeld hin. "Wir arbeiten wegen des Flächenrecyclings auch eng mit dem Bezirksamt Harburg zusammen." Kontakt zu Eigentümern kontaminierter Grundstücke wird gesucht.

Nur etwa 300 Meter weiter südlich an der Hannoverschen Straße, angrenzend an das Chemieunternehmen Brenntag/Biesterfeld, bereitet Grundeigentümer Aurelis (Hochtief und Fondgesellschaft Redwood Grove) in diesen Tagen ebenfalls eine Bodensanierung vor. Auf dem gesamten Gelände ist Bodenaustausch vorgesehen, erklärt Sprecher Raik Packeiser. Ende Oktober soll die Sanierung beendet sein. Ob es bereits einen künftigen Nutzer für das Grundstück gibt, stehe seinen Worten nach bislang nicht fest. Es sei durchaus üblich, Grundstücke auch ohne eine direkte Nutzungsfolge aufzubereiten.