Bekenntnis zum Plattdeutschen: Moderator liest Freitagabend zusammen mit Jan Graf in Düdenbüttel und am 16. April in Ochsenwerder.
Düdenbüttel. Yared Dibaba ist den meisten aus der NDR-Talkshow bekannt, die er von 2007 bis 2009 gemeinsam mit Bettina Tietjen moderiert hat. Der Moderator und Schauspieler ist allerdings auch leidenschaftlicher Plattschnacker und hat bereits zwei Bücher auf Plattdeutsch veröffentlicht. Morgen Abend liest er gemeinsam mit Jan Graf in Düdenbüttel.
Hamburger Abendblatt: Herr Dibaba, Sie sind in Äthiopien geboren, wie sind Sie ausgerechnet zum Plattdeutschen gekommen?
Yared Dibaba: Das ist eine lange Geschichte! Kurz zusammengefasst: Meine Familie und ich sind aufgrund des Bürgerkriegs in Äthiopien 1979 nach Kenia geflohen. Kenia und Äthiopien hatten damals einen Auslieferungspakt was bestimmte Flüchtlinge angeht, also mussten wir Kenia schnell wieder verlassen und sind in Falkenburg im Oldenburger Land gelandet. Dort auf dem Land wird natürlich Plattdeutsch gesprochen. Irgendwann habe ich dann im plattdeutschen Kinderchor und bei plattdeutschen Lesewettbewerben mitgemacht - weil die anderen Kinder im Ort es auch alle gemacht haben. So hat sich meine Liebe zu dieser Sprache entwickelt.
Staunen die Leute manchmal, wenn Sie irgendwo auftauchen und auf Plattdeutsch losplappern?
Dibaba: Am Anfang war das immer eine Überraschung, ja. Mittlerweile hat es sich allerdings herumgesprochen, viele wissen "dat is' de swatte Plattsnacker ut Hamburch".
Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit der Sprache erinnern?
Dibaba: Ja, das ist beim Bäcker in Falkenburg gewesen, wo die Menschen diese komische Sprache gesprochen haben, die ich noch nie gehört hatte. Ich war völlig durcheinander, bis meine Mutter mir erklärt hat, dass das die Sprache der Norddeutschen sei.
Sie sprechen außerdem Englisch, Französisch, Oromo und Amharisch, die Amtssprache Äthiopiens. Wie unterscheidet sich Plattdeutsch von anderen Sprachen?
Dibaba: Jede Sprache hat ja ihren eigenen Charakter. Plattdeutsch hat für mich etwas Herzliches, Warmes und Nettes. Ich verbinde damit die norddeutsche Lebensart, die norddeutsche Mentalität und natürlich all die schönen Augenblicke, die ich überall auf der Welt mit Plattschnackern verbracht habe. Für mich ist Plattdeutsch eine Weltsprache, denn ich habe es auf allen Kontinenten gesprochen.
Für Ihre Fernsehsendung "Die Welt op Platt" im NDR besuchen Sie seit 2006 Plattschnacker rund um den Globus, von der Toskana bis Australien. Was war Ihre verrückteste Begegnung?
Dibaba: (lacht) Im Grunde sind sie alle verrückt! Sei es in Sibirien Menschen zu treffen, auf der chinesischen Mauer Plattdeutsch zu schnacken oder einen Ureinwohner Paraguays zu treffen, der überhaupt keine norddeutschen Wurzeln hat. Da treffen sich also ein Afrikaner und ein Südamerikaner in der Wüste Paraguays und schnacken Plattdeutsch - das ist schon etwas ganz Besonderes!
+++ Yared Dibaba und die laufende TV-Staffel +++
Wie finden Sie diese Menschen?
Dibaba: Am Anfang war das harte Recherchearbeit, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden, aber dann sprach sich das herum, denn es gibt weltweit plattdeutsche Netzwerke.
Wo würden Sie in der Zukunft gerne mal einen Plattschnacker finden?
Dibaba: Ich würde gerne mal in den Orient gehen. Nach Saudi-Arabien, in den Oman oder vielleicht auch nach Afghanistan oder in den Iran. In der Türkei, in West- und Zentralafrika und in Indien waren wir auch noch nicht. Es gibt also noch Gegenden und Ecken, wo man noch Plattschnacker finden könnte.
Am 13. April führt Ihr Weg Sie allerdings erst mal nach Düdenbüttel, wo Sie gemeinsam mit Jan Graf auftreten. Wie kam es dazu?
Dibaba: Jan und ich kennen uns von NDR 90.3 und sind befreundet. Wir hatten schon länger vor, mal etwas zusammen zu machen. Ich schätze Jan sehr. Ob nun seine Musik oder die Sachen, die er für "Hör mal 'n beten to" schreibt. Für mich ist er ein moderner, plattdeutscher Künstler. Und er macht das nicht aus Mode, sondern er lebt die Sprache, spricht zu Hause mit seiner Familie Plattdeutsch. Das finde ich toll.
Haben Sie von Düdenbüttel schon mal gehört?
Dibaba: Bevor Jan das erwähnt hat gar nicht. Aber er meinte, das sei eine nette kleine Ecke im Stader Land, wo öfter plattdeutsche Veranstaltungen stattfinden und wo es kuschelig und gemütlich ist. Und wenn Jan das mag und gut findet, kann das nicht verkehrt sein.
Hat er Ihnen auch von den Schweinen erzählt?
Dibaba: Nein, das hat er nicht gemacht.
In Düdenbüttel streiten sich Politiker, Bürger und Investoren seit rund fünf Jahren über den Bau von neuen Mast-ställen für über 6000 Schweine und der ganze Ort ist voll mit Protestschildern .
Dibaba: Mensch. Das ist mir neu. Aber vielleicht sollte ich mir da noch mal Gedanken machen!
Was erwartet die Zuschauer bei Ihrem Auftritt?
Dibaba: Ich lese plattdeutsche Geschichten aus meinem zweiten Buch. Mein erstes Buch hieß "Platt is mien Welt", das zweite heißt nun "Mien Welt blifft Platt". Das ist mein Bekenntnis zum Plattdeutschen. Darin finden sich Geschichten, die ich in meinem Alltag oder auf Reisen erlebt habe, die ich bei meiner Radiosendung "Hör man 'n beten to" zum Besten gegeben habe oder in meiner Abendblatt-Kolumne geschrieben habe.
Zum Beispiel?
Dibaba: Es gibt zum Beispiel eine Geschichte, in der ich mich über die neue Kaffeementalität aufrege, weil man immer so eine Latte an Informationen an den Verkäufer geben muss, bis man seinen Kaffee bekommt. Oder ich lasse mich über die Vor- und Nachteile von Computern, Handys und all den technischen Gegenständen aus. Es geht aber auch um peinliche Dinge, die mir passiert sind. Also vieles, was mir in meinem Leben so widerfahren ist.
Sie sind auch Mitglied in einer Band namens "Real Time". Bringen Sie genau wie Jan Graf auch Ihre Gitarre mit?
Dibaba: Um Gottes Willen, ich bin nur Sänger! Aber vielleicht werden Jan und ich uns spontan zu einem Duett hinreißen lassen.
Wer sind Ihre persönlichen Lieblingskünstler, wenn es um Plattdeutsch geht?
Dibaba: Abgesehen von Jan Graf mag ich Sandra Keck sehr gerne. Sie spielt beim Ohnsorg-Theater, arbeitet aber auch als Autorin und Dramaturgin und hat einen sehr modernen Ansatz, was das Plattdeutsche angeht. Gerd Spiekermann schätze ich sehr, Ina Müller macht tolle Sachen und Lars & Dixie machen tollen Blues. Da gibt es eine Menge Leute. Super ist auch die Hip-Hop-Band De fofftig Penns, mit denen ich kürzlich einen Song aufgenommen habe, der demnächst erscheint. Da rappe ich auf Plattdeutsch.
Fällt Ihnen auf, dass es wieder mehr Künstler gibt, auch junge Leute, die sich dem Plattdeutschen widmen?
Dibaba: Auf jeden Fall! Ich war im Herbst zum Beispiel auch in der Jury des plattdeutschen Bandcontests "Plattsounds", da waren wirklich viele junge Leute dabei, die Spaß an der Sprache haben und witzigerweise nicht zwingend norddeutsche Wurzeln haben, sondern aus dem Iran oder Südafrika kommen und trotzdem Plattdeutsch sprechen und singen. Das ist in meinen Augen ein gutes Zeichen und zeigt, dass die Sprache noch lebt.
Eine Institution des Plattdeutschen ist und bleibt wohl Heidi Kabel, an deren Seite Sie in der NDR-Fernsehproduktion "Die Ohnsorgs" schon gespielt haben. Was war das für ein Erlebnis?
Dibaba: So großartig und erfolgreich Heidi Kabel war, so bescheiden war sie auch und so normal war die Zusammenarbeit mit ihr. Das war ganz toll, sie hat mir wie eine Großmutter einen Kaffee und ein Stück Erdbeerkuchen angeboten, wenn wir in ihrer Garderobe den Text durchgegangen sind. Das war total rührend. Mit ihr auf der Bühne gestanden zu haben, ist etwas, dass man seinen Kindern und Enkelkindern erzählen kann.
Warum ist es wichtig, dass Plattdeutsch als Sprache erhalten bleibt?
Dibaba: Es ist die Sprache der Norddeutschen und so gesehen ein Schatz, ein Stück Heimat. Im Zuge der Globalisierung gibt es ja den Gegentrend, dass die Leute sich wieder dem Regionalen widmen, weil es sie verbindet. Dazu gehört auch das Plattdeutsche.
Die Lesung in Düdenbüttel findet im Kötnerhuus, An der Loge 14, statt und beginnt um 19.30 Uhr. Karten sind für 8 Euro beim Kulturkreis Düdenbüttel unter 04144/55 08 erhältlich. Am 16. April liest Yared Dibaba außerdem in der Wein- und Friesenstube in Hamburg-Ochsenwerder. Beginn ist um 19 Uhr, Karten kosten 19,50 Euro.