Zwei Zahnärzte aus Fleestedt und Buxtehude arbeiten für den Verein “Ärzte helfen“ zwei Wochen lang in einer Klinik in Afrika - in ihrem Urlaub.
Fleestedt/Buxtehude. In ihren Praxen in Fleestedt und Buxtehude retten Dr. Martin Christiansen und Dr. Henrike Rolf mit modernem Equipment Zähne. Deshalb firmieren die beiden Buxtehuder auch nicht schnöde als Zahnarztpraxis, sondern unter dem Namen Manufaktur für regenerative Zahnmedizin. Handwerk für die ästhetischen Ansprüche eine der reichsten Wohlstandsgesellschaften der Welt sozusagen. Zwei Wochen im Jahr aber arbeiten die beiden Zahnärzte zusammen mit ihrer Chefhelferin Nadine Charles de Beaulieu für den Verein "Ärzte helfen" in einem der ärmsten Staaten auf diesem Planeten. Ohne Bezahlung. In ihrem Urlaub. Vor kurzem ist das Trio aus Gambia zurückgekehrt.
Serrekunda in Gambia an der Westküste Afrikas. 1,79 Millionen Menschen, so eine Schätzung aus dem Jahr 2011, leben in der Republik, eine frühere englische Kolonie. So ganz genau kennt die Einwohnerzahl wohl niemand. Jeder fünfte Einwohner, so eine Schätzung, soll mit dem HIV-Virus infiziert sein.
Die offizielle Landessprache ist Englisch. Aber die meisten Menschen sprechen in ihren jeweiligen Stammessprachen. "Hier leben 100 Leute in einem Haus mit 40 Betten", sagt Martin Christiansen.
In Serrekunda leiten die beiden Deutschen Gudrun Lehmbeck und Beatrice Weigelt die ASB Gambia Health Clinic. Klinik bedeutet hier ein etwa 200 bis 240 Quadratmeter großes Gebäude, das an ein Feuerwehrgerätehaus in einem Dorf im Landkreis Harburg erinnert. Hinter der garagengroßen Glasfensterfassade liegt der Kreißsaal. "2000 Babys kommen in dem kleinen Raum pro Jahr zur Welt, das ist so viel wie im Universitätsklinikum Eppendorf", sagt der 42 Jahre alte deutsche Zahnarzt.
Die Zahnstation hat einen bedeutenden Anteil an der Finanzierung der Klinik. Die Patienten zahlen umgerechnet etwa 50 Cent Eintritt, und zwischen zwei und vier Euro für die Behandlung. Termine haben die Patienten nicht. Es gibt auch kein Wartezimmer. Stattdessen stehen die Menschen vor der Klinik auf der Straße. Sie kommen am Morgen und warten mehrere Stunden. Niemand streite, wer zuerst dran komme, hat Martin Christiansen beobachtet: "Die Afrikaner wirken wie tiefenentspannt." Darauf angesprochen antworten Einheimische nur: "Ihr Deutschen habt die Uhren, aber wir haben die Zeit."
Wenn die Deutschen da sind, ist der Andrang besonders groß. "Wir sind da Halbgötter", empfindet der Zahnarzt diese Form der Respektbekundung beinahe als unangenehm. Im Volksmund heißt das Krankenhaus auch nur die "deutsche Klinik". Der Deutschenkult macht auch vor dem benachbarten Fußballverein nicht Halt: "FC Bundesrepublick" lautet sein Name mit der eigenwilligen Rechtschreibung.
Die Hygiene in der Klinik entspreche dem deutschen Standard, sagt Henrike Rolf. Auf aus deutschen Zahnarztpraxen bekannte Hochtechnologie muss die 36-Jährige aus Buxtehude aber verzichten. Bei dem tropischen Klima würden die elektronischen Bauteile keine zwei bis drei Jahre überleben.
An sechs Tagen in der Woche von 8 bis 18 Uhr arbeitet das deutsche Trio. In den meisten Fällen müssen sie Zähne ziehen. Bei jeden fünften Patienten ist noch mit einer Zahnfüllung etwas zu machen. "Die Zustände in den Mündern sind katastrophal", sagt Martin Christiansen. Der Zuckerkonsum sei viel zu hoch. Viele Menschen besitzen keine Zahnbürste, kauen stattdessen zur Zahnreinigung auf einem Stück Holz herum. Die gambische Zahnkrone gibt es auf dem örtlichen Marktplatz: eine Chromhülse, die sich die Menschen selbst über den kaputten Zahn stülpen.
In Deutschland machen Martin Christiansen acht Stunden Arbeit nichts aus. "In Gambia bin ich nach sechs Stunden platt gebügelt, weil es so heiß ist", sagt er. Auf 38 Grad steigt das Thermometer im März, später zur Regenzeit locker auf mehr als 40 Grad. Anstrengend, ergänzt Henrike Wolf, seien auch die vielen örtlichen Sprachen, die man nicht verstehe. Am Sonntag haben sie Zeit, sich am Strand auszuruhen.
Trotz Arbeit und Hitze: "Man kehrt so entspannt nach Deutschland zurück", sagt Henrike Wolf, "der Aufenthalt in Gambia erdet einen so, dass man die kleinen Probleme hier viel gelassener sieht." Im nächsten Jahr werden die Zahnärzte nach Afrika zurückkehren. Mit so viel Gepäck wie möglich für Zahnbüsten, Zahnpasta und Medikamente.