Die Bürger im Hamburger Süden wollen umfassend beteiligt werden, bevor der Senat neue Schnellstraßen auf der Elbinsel plant.
Wilhelmsburg. Die Bürger zeigten ihren Protest deutlich. "Autobahn verhindern - yes we can", "Endlager Wilhelmsburg" und "Bürgerbeteiligung geht anders" stand auf Plakaten, die rund 250 Frauen und Männer mit zur Sondersitzung des Regionalausschusses Wilhelmsburg/Veddel ins Bürgerhaus Wilhelmsburg mitgebracht hatten. Auf Schildern mit den Namen ihrer Stadtteile verdeutlichten die Autobahngegner: "Der Hamburger Süden hält zusammen".
Einziger Tagesordnungspunkt der Sitzung am Mittwochabend: "Verkehrskonzept Süderelbe". Norbert Hogreve und Klaus Franke vom Amt für Verkehr und Straßenwesen der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) sollten den Bürger Rede und Antwort stehen. Doch die beiden Herren delegierten die Antworten meist an Dr. Wolfgang Röhling von der Firma Transport Consulting International (TCI) in Denzlingen im Südschwarzwald. TCI und die Firma Planung Transport Verkehr AG (ptv) in Karlsruhe, deren Projektmanager Christoph Schulze auch ins Bürgerhaus kam, sollen für die BSU bis Jahresende ein "Gesamtmobilitätskonzept Süderelberaum" entwickeln. Gutachter Röhling, der sich meist in Allgemeinplätzen hielt, sagte, dass für das "Konzept" keine neuen Daten erhoben, sondern nur bestehende Einzeluntersuchungen "harmonisiert" würden.
"Interessengruppen, Unternehmen und Politik" sollen sich in einem "Beteiligungsprozess einbringen können", versprachen Gutachter und Behördenvertreter. Norbert Hogreve, Abteilungsleiter Verkehrsentwicklung, sagte, "die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße auf die Bahntrasse ist bei diesem Konzept eine gesetzte Rahmenbedingung". Zum Hamburger Abendblatt sagte er: "Das Planfeststellungsverfahren soll bis zum Ende des Jahres eingeleitet werden. Unsere Planungen laufen auf Hochtouren." Derzeit würden die "Lärmschutzerfordernisse" für 10 000 Wohnungen ermittelt. Hogreve versprach: "Ohne einen vernünftigen Lärmschutz wird es keine Verlegung der Reichsstraße geben, darauf können Sie vertrauen wie das Amen in der Kirche." Er räumte ein: "Ein Planfeststellungsbeschluss zur Reichsstraße ist beklagbar." Für die geplante Hafenquerspange von der A 7 zur A 1 durch den Wilhelmsburger Süden werde es hingegen kein Planfeststellungsverfahren geben, bevor das "Verkehrskonzept" nicht auf dem Tisch liege.
Bei den Wilhelmsburger Bürgern regte sich indes viel Unmut und Protest während der gut dreistündigen Veranstaltung. "Erst muss das Konzept kommen und dann die Straße", forderte Manuel Humburg. "Das Konzept der 'Europäischen Umwelthauptstadt 2011' muss auch auf den Hamburger Süden angewendet werden. Wir erleben wieder einmal eine Zweiteilung der Stadt: Nördlich der Elbe bekommt die A 7 einen Deckel, und wir im Süden bekommen keinen Deckel auf die A 1 und noch eine Autobahn dazu."
Jörg Meyer vom Arbeitskreis Georgswerder sprach die Befürchtung vieler Wilhelmsburger aus: "Sie haben ihre Hausaufgaben im Gepäck: die Verlegung der Reichsstraße und den Bau der Hafenquerspange. Und jetzt planen Sie ein Konzept drum herum." Bianca Hantel aus Wilhelmsburg fragte sich wie viele: "Wie weit dürfen sich die Bürger überhaupt beteiligen. Dürfen wir auch Alternativkonzepte vorlegen?" "Der Beteiligungsprozess", sagte Hartmut Sauer, "war bislang nur ein Anhörungsprozess. Er muss aber einen Aushandlungsprozess geben."
Professor Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg sagte, "wenn durch Wilhelmsburg Autobahnen gebaut werden, werden die Leute nicht auf die Elbinsel ziehen, wie es das Konzept 'Sprung über die Elbe' vorsieht. Wenn Wilhelmsburg Teil der Stadtmitte werden soll, dann darf die Reichsstraße keine autobahnähnliche Straße werden, sondern nur eine Stadtstraße."