Er soll bei Abrechnungen betrogen, eine Brandstiftung angezettelt und Einmal-Instrumente mehrfach benutzt haben.

Lüneburg

So kann eine Lebensstrategie zusammenbrechen: Nach jahrelangem Studium und Tätigkeit als Mediziner sitzt ein Lüneburger Orthopäde mit eigener Praxis seit mittlerweile einem Monat in Untersuchungshaft: Er soll bei Abrechnungen betrogen, den Auftrag zu einer Brandstiftung gegeben und Einmal-Instrumente mehrfach benutzt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, Patienten suchen sich neue Ärzte, Mitarbeiter neue Jobs.

"Praxis geschlossen", steht auf der Glastür vor dem Orthopädiezentrum, das der Arzt im Städtischen Klinikum Lüneburg betreibt. Davor steht ein weißhaariger älterer Mann, er war wegen einer Kniearthrose bei dem Orthopäden in Behandlung. "Zwei Spritzen habe ich bekommen, die dritte schon nicht mehr", erzählt der 73-Jährige. Er musste sich einen neuen Arzt suchen, der ihn weiterbehandelt.

Begonnen hatte der Sturz des Orthopäden im Februar, damals untersuchten Polizisten, Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und der Krankenkasse AOK die Praxis des Orthopäden, die er im Städtischen Klinikum Lüneburg unter dem Namen "Orthopädiezentrum Lüneburg" betreibt. Der Verdacht: gewerbsmäßiger Betrug. Der Mediziner soll Leistungen bei den Kassen abgerechnet haben, die er gar nicht erbracht hat.

Anfang März dann der nächste Schritt nach unten: Die Polizei nahm den Mann fest. Nicht wegen der Betrügereien, sondern weil er in den Brand eines Wohnhauses in Reppenstedt An der Eulenburg am 26. Januar verwickelt gewesen sein soll. Dort hatte seine ehemalige Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin gelebt, die ihn im Sommer 2006 verlassen haben soll. 150 000 Euro betrug der Schaden, das Gebäude wurde zerstört.

Der Arzt gilt als "dringend tatverdächtig", eine Haftbeschwerde hatte das Landgericht abgelehnt. Vor drei Wochen schließlich nahm die Polizei zwei Verdächtige fest, die im Auftrag des Arztes das Haus angesteckt haben sollen. Auch sie sitzen in U-Haft.

Kurz vor Ostern schließlich ein dritter Vorwurf: Der Orthopäde soll in seiner Praxis Katheter mehrfach benutzt haben, die für den einmaligen Gebrauch vorgesehen sind. Sollten Patienten dadurch zu Schaden gekommen sein, kommt zu Betrug und Brandstiftung auch noch Körperverletzung hinzu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter. Sprecher Manfred Warnecke: "Wir haben erst damit begonnen." Mit einem Ergebnis wird erst in Wochen gerechnet.

Bis dahin weiß auch der Vermieter der Praxisräume, das Städtische Klinikum, nicht mehr: "Für uns ist das genau so misslich, wie für alle anderen", so der stellvertretende Geschäftsführer Horst Klöpper. Was mit der Praxis geschieht, wisse man noch nicht: "Das Prinzip, mit niedergelassenen Ärzten zusammenzuarbeiten, hat sich bewährt. Wie man sich später etabliert, ist noch unklar."

Denn: Je nachdem, ob die mit seinem Arztberuf in Zusammenhang stehenden Vorwürfe bewiesen werden, können sie den Mediziner seine Approbation kosten, er darf dann nicht mehr behandeln. Dazu Oliver Christoffers von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Lüneburg: "Eine feststehende vorsätzliche Falschabrechnung kann eine so schwerwiegende vertragsärztliche Pflichtverletzung darstellen, dass sie durchaus eine Zulassungsentziehung rechtfertigen kann." Sie müsse jedoch verhältnismäßig sein. Akteneinsicht beantragt hat mittlerweile auch der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung: Sie wird ebenfalls prüfen, ob die Zulassung ruhen muss.

Regelmäßig prüft die KV Abrechnungen von Ärzten - die Kontrolle der Anwendung von Geräten unterliegt dem Gewerbeaufsichtsamt. Generell gilt laut Christoffers: "Heute werden mehr Auffälligkeiten als früher erkannt."