Die sechsjährige Tochter von Familie Riechers hat das Dow Syndrom. Die Eltern haben einen Arbeitskreis mit gegründet.

Seevetal. "Hallo, hallo", ruft Jana (6) und lacht dabei verschmitzt. Dann dreht sie sich blitzschnell um und verschwindet wieder ins Wohnzimmer. "Sie will sich einen Film im Kinderprogramm ansehen", sagt ihre Mutter, Martina Riechers (38). "Fernsehen findet sie im Moment ganz toll." Jana ist das zweite Kind der Seevetalerin und braucht ganz besonders viel Zuwendung. Was niemand vermuten würde: Das hübsche kleine Mädchen mit dem schelmischen Blick ist geistig und körperlich behindert. Es hat das Down Syndrom.

"Ich war erst mal total schockiert und verzweifelt, als ich damals davon erfahren hatte. Ich wusste ja gar nichts über diese Behinderung. Doch mir wurde sehr schnell klar, dass ich damit leben kann. Heute möchte ich Jana keinen Tag lang missen", sagt die Verwaltungsangestellte aus Maschen. "Sie verhält sich oft so normal, dass mein elfjähriger Sohn Danny mich manchmal fragt, ob sie wirklich behindert sei."

Martina Riechers und ihr Mann Stefan (36) lieben ihre Tochter von ganzem Herzen und wollen nur das Beste für sie. "Die Behinderung ist überhaupt kein Thema mehr für uns. Auch unsere Freunde und Nachbarn haben kein Problem damit. Und wenn wirklich mal jemand blöd gucken sollte, ist das für mich nicht weiter schlimm. Ich habe wirklich andere Dinge im Kopf."

Schlimm, so Martina Riechers, sei etwas ganz anderes. Schlimm sei zum Beispiel, dass sie um vieles, was ihrer Tochter eigentlich zusteht, so hart kämpfen müsse. "Ob es sich um einen Schwerbehindertenausweis, einen Platz im Kindergarten oder eine besondere therapeutische Behandlung dreht, nichts ist selbstverständlich. Wie oft wir Widerspruch eingelegt haben, weil etwas abgelehnt wurde, kann ich gar nicht mehr zählen." Die tun alles, damit sich die Kleine so gut wie möglich entwickeln kann. Dafür ist es zum Beispiel unbedingt notwendig, dass Jana oft mit gesunden Jungen und Mädchen spielt. "Gerade Kinder mit Down Syndrom lernen sehr viel durch Nachahmung", betont die engagierte Mutter.

Damit sie ihre Interessen besser durchsetzen können, haben sich Martina und Stefan Rie-chers mit anderen betroffenen Eltern den Arbeitskreis Integration in der Schule (Arktis e.V.) gebildet. Den Mitgliedern ist es unter anderem zu verdanken, dass seit drei Jahren behinderte mit nicht behinderten Kindern einen Kindergarten in der Gemeinde besuchen können. "Wir sind seinerzeit mit unseren Töchtern und Söhnen zu einer Versammlung des Sozialausschusses gegangen, um auf das Problem aufmerksam zu machen", erinnert sich Martina Riechers, die zweite Vorsitzende ist. "Ich weiß noch, wie erstaunt die Politiker waren, dass es in Seevetal so viele behinderte Kinder gibt."

Sie ist davon überzeugt, dass ihre Tochter heute nur deshalb so pfiffig und selbstbewusst ist, weil sie einen Platz in einer Integrationsgruppe bekommen hat. "Jana ist geistig und körperlich sehr gut entwickelt und fast auf dem Stand einer gesunden Sechsjährigen. Sie ist ein Wildfang und prügelt sich sogar, wenn es sein muss. Auch hat sie viel Sinn für Humor. Nur in ihrer Sprachentwicklung liegt sie weit zurück." Martina Riechers weiß aber, dass ihr Kind lesen, schreiben und rechnen lernen wird. "Das haben die Ärzte festgestellt."

In einem Jahr wird die Kleine schulpflichtig. Dann könnten die Riechers vor einem neuen Problem stehen, da es bisher in der Gemeinde Seevetal keine Grundschule mit einer Integrationsklasse gibt. "Unser Verein setzt sich schon länger dafür ein, wir haben aber noch nichts gehört", sagt Martina Riechers. "Wir hoffen natürlich, dass in den kommenden Monaten eine Entscheidung zu unseren Gunsten fällt.

Wird nach den Sommerferien 2003 keine Integrationsklasse eingerichtet, würde das kleine Mädchen in eine Schule für Lern- oder Geistigbehinderte kommen. Die befinden sich jedoch in Buchholz und Winsen. Und dann hätte Jana jeden Tag einen weiten Weg und müsste sich von ihren Freundinnen trennen. "Das wäre nicht nur eine totale Überforderung, sondern auch ein großer Rückschritt in ihrer Entwicklung", befürchtet die besorgte Mutter.