Im neuen Schäferdorf will der Wildpark Lüneburger Heide seinen Gästen erstmals Übernachtungsmöglichkeiten bieten. Ein Erlebnis der besonderen Art.
Nindorf. Einen Wolf anschauen kann man fast in jedem Zoo oder Wildpark. Keine große Sache. Aber wie aufregend muss es erst sein, sein schauriges Geheul zu hören, wenn es stockdunkel ist und man nur wenige Hundert Meter entfernt in einem kleinen Bauwagen im Bett liegt? Der Wildpark Lüneburger Heide in Nindorf will dieses besondere Erlebnis bald möglich machen. "Schäferdorf" nennt sich die neue, etwa eine Million Euro teure Attraktion, die Gäste für Übernachtungen in tierischem Umfeld buchen können.
Geschäftsführer Norbert Tietz hat Mitte der Woche die Bauanträge bei der Gemeinde Hanstedt eingereicht. Im Tourismusausschuss der Gemeinde, dem er zuvor die Pläne vorgestellt hatte, sei er auf breite Zustimmung gestoßen, berichtet er. Jetzt müsse das Vorhaben nur noch rasch genehmigt werden. Denn sein Sohn Alexander, der als Junior-Chef in das Unternehmen eingestiegen ist, und er wollen mit dem Bau des Dorfes bereits im Herbst dieses Jahres beginnen. "Bis März, zur neuen Saison, wollen wir fertig sein", sagt Norbert Tietz.
Die Besucher sollen dann ein komplettes Dorf auf einem 6000 Quadratmeter großen Areal am Rande des 60 Hektar großen Wildparks beziehen können, das über alle klassischen Attribute eines Dorfes verfügt. Ein Dorfplatz in der Mitte nebst historischem Kornspeicher, eine Köhlerhütte, in der auch Würstchen gegrillt werden können, ein Wippbrunnen, ein Steingrab und ein Schafstall mit echten Schafen. "Die werden allerdings erst in einem zweiten Schritt hinzukommen", sagt der Geschäftsführer.
Kernstück des Schäferdorfs werden die sogenannten Schafskoben und Bauwagen sein, in denen bis zu 80 Gäste übernachten können. Dass die schon lange auf diese Möglichkeit gewartet haben, macht Tietz ebenfalls deutlich. "Immer wieder haben Besucher nach Zimmern gefragt", sagt er. Doch immer habe er sie auf die Hotels und Pensionen in der Umgebung verweisen müssen, die allerdings auch nur begrenzte Kapazitäten hätten.
Anders als beispielsweise der Wildpark Schwarze Berge in Rosengarten, der wegen seiner guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr vor allem von Tagestouristen aus Hamburg besucht wird, zieht Nindorf eher die Urlauber aus der Heide an sowie Fans der 30-teiligen NDR-Produktion "Wolf, Bär & Co.", die 2006 im Wildpark gedreht wurde. All diese Leute, die aus ganz Deutschland kommen, seien aufgrund der nicht so günstigen Bus- und Bahnverbindungen zum Park nun mal auf eine Übernachtungsmöglichkeit angewiesen, sagt Tietz.
Hinzu kommt der Druck, dem sich wohl jede Einrichtung ausgesetzt sieht, die beständig um Besucher werben muss. Nur wer immer wieder Neuheiten und Attraktionen bietet, kann im Wettbewerb bestehen. Schon vor Jahren habe er sich deshalb überlegt, die Heide zu einem Extra-Thema zu machen. Eine Art Heide-Science-Center nach Bremer Vorbild wollte Tietz schaffen, in der der Landstrich mit seinen Besonderheiten und seiner Tierwelt dargestellt wird. Doch das Projekt scheiterte schließlich an den Finanzen.
Über einen Artikel im Hamburger Abendblatt wurde Tietz dann vor drei Jahren auf sogenannte Roar'n'Snore-Angebote in australischen Zoos aufmerksam, bei denen die Gäste in Zelten neben den Tiergehegen schlafen dürfen. Frei nach dem Motto: Wollten Sie nicht immer schon mal wissen, ob Koalas wirklich so laut schnarchen? Auch einige deutsche Tierparks böten mittlerweile solche Schlafplätze an, erzählt Tietz. Mal in Baumhäusern, mal in Tipis oder mal in Blockhäusern auf Stelzen. Ihm selbst sei aber schnell klar gewesen, dass für die Lüneburger Heide im Grunde nur das Thema Schafe, Schäfer, Schafstall und alles, was dazugehört, infrage kommen kann. "Das passt einfach zu uns."
Ganz alleine dürften die Übernachtungsgäste in der Dunkelheit natürlich nicht den Wildpark erkunden, nimmt Tietz gleich möglichen Befürchtungen den Wind aus den Segeln, übermütige Kinder könnten unbeobachtet zu den Sibirischen Tigern ins Gehege steigen und dort eine böse Überraschung erleben. "Wir bieten Nachtwanderungen mit geschultem Personal an, das die Besucher in die Tierhäuser führt."
Vor allem die Wölfe könnten sich zu einer echten akustischen Attraktion mausern. Der Tierpark habe drei verschiedene Wolfsarten, den Polarwolf, den Timberwolf und den Grauwolf - und alle drei heulten unterschiedlich. Die Besucher dürften sich also auf ein außergewöhnliches Spektakel einstellen, wenn die Truppe sich in der Dämmerung, zu Mitternacht oder im Morgengrauen sangesmäßig regelrecht hochschaukelt.
Ansprechen solle das Schäferdorf speziell Familien und größere Gruppen wie Schulklassen, sagt Tietz. Das sei auch bisher die Hauptzielgruppe des Wildparks, der mit seinen 1200 Tieren und 140 Arten jährlich rund 300. 000 Besucher anzieht. Wenn wegen des Schäferdorfs alleine 6000 bis 7000 Besucher pro Jahr kommen, habe sich die Investition schon gelohnt.