Hamburg. Im Jahr 2011 starben Prominente an einer Ampel in Eppendorf. Die SPD will den Verkehr beruhigen – aber nicht an der Unfallstelle.
Das Entsetzen war unbeschreiblich: Am 12. März 2011 fuhr der 40 Jahre alte Epileptiker Caesar S. mit seinem Fiat Punto auf dem Eppendorfer Landstraße in Richtung Lehmweg und erlitt einen Anfall. Er krampfte und verlor jede Kontrolle, beschleunigte auf mehr als 100 Kilometer pro Stunde und raste in das Cabrio vor ihm. Die Wucht des Aufpralls ließ seinen Punto abheben.
Er flog in eine Fußgängergruppe an der Ampel Eppendorfer Baum vor dem früheren „Backshop“. Sie konnten nicht ausweichen, es ging viel zu schnell. Der Sozialforscher Günter Amendt, der Schauspieler Dietmar Mues, seine Frau Sibylle und die Künstlerin Angela Kurrer starben, drei weitere Personen wurden verletzt, darunter das Ehepaar Peter und Ulla Striebeck. Sie hatten in dem Cabrio gesessen.
Fünf Jahre nach dem Unfall soll Tempo-30-Zone kommen
Ein gutes Jahr später wurde der Unfallfahrer Caesar S. zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Drei Jahre nach dem Unfall weihten die Eppendorfer eine Gedenkstätte am Unfallort ein. Fünf Jahre nach dem tragischen Tod von vier Menschen will die SPD-geführte Verwaltung im Bezirksamt Nord jetzt auf dem Eppendorfer Weg eine Tempo-30-Zone einrichten.
Die verkehrsberuhigte Zone soll im Eppendorfer Weg zwischen Lenhartzstraße und Löwenstraße entstehen. Die Unfallstelle aber liegt an der Kreuzung Eppendorfer Landstraße / Eppendorfer Baum, rund 50 Meter von der jetzt zur Beruhigung vorgesehenen Einmündung Lenhartzstraße Eppendorfer Weg entfernt.
Das bestreitet die SPD auch gar nicht. „Nach dem furchtbaren Unfall 2011 ging es uns darum, den gesamten Kreuzungsbereich zu entschleunigen und irgendwie zu beruhigen“, sagt Fraktionsvorstand Jan Freitag. „Das war Wunsch der Anwohner, entspricht unseren Ideen von Verkehrspolitik, und die CDU war damals auch dafür.“
Laut Freitag ist die Maßnahme am Eppendorfer Weg erst der Anfang. Auch Lehmweg und Eppendorfer Landstraße sollten perspektivisch „entschleunigt“, der Eppendorfer Weg bis hinauf zur Hoheluftchausse zu einer Tempo-30-Zone werden. Und gar so weit entfernt von der Unfallstelle sei die jetzt einzurichtende Tempo-30-Zone auch nicht. Die CDU hält dagegen.
Für Tempo 30 verschwinden Zebrastreifen und Ampeln
„Wir haben die Pläne zur Tempo-30-Zone im Eppendorfer Weg im September vorgestellt bekommen, und sie waren weder gut noch sinnvoll“, sagt CDU-Fraktionsvize Eckehart Wersich. „Dann muss man auch mal das Kreuz haben, die Sache abzublasen.“
Er fordert den Verzicht auf die etwa 160.000 Euro teure Maßnahme. „Das Geld kann sinnvoller anderswo eingesetzt werden“, sagt Wersich. Polizei und Verkehrsgutachter hätten für den fraglichen Streckenabschnitt auch auf Nachfrage keinerlei Auffälligkeiten angeben können. Der Verkehr komme schon aktuell praktisch nicht über Tempo 30 hinaus, und die Umwidmung zu einer Tempo-30-Zone führe überdies dazu, dass die Ampel und der Zebrastreifen abgebaut werden müssen.
Beide sind in verkehrsberuhigten Zonen rechtlich unzulässig, weil Fußgängern dort die Querung der Straße jederzeit möglich sein soll.
Bezirksversammlung soll Plan am Donnerstag absegnen
Die rot-grüne Koalition hatte schon 2011 versprochen, die Kreuzung zu entschärfen. Die Wirtschaftsbehörde hat einer Verkehrsberuhigung nun zugestimmt, am Donnerstag (13. Oktober) soll die Bezirksversammlung beschließen.
Der Unfall von Caesar S. führt auch zu einer Diskussion um die Fahrtauglichkeit von kranken Menschen im Straßenverkehr. Laut dem Gerichtsurteil habe der Fahrer fahrlässig gehandelt und den Unfall billigend in Kauf genommen. Caesar S. hatte bis zuletzt versucht, seine Epilepsie zu leugnen, um einen Freispruch zu erwirken. Die Hinterbliebenen nahmen seine Entschuldigung nicht an.