Hamburg. Die Raucherkneipe in Barmbek, die bei HSV- und St.-Pauli-Fans beliebt ist, rüstet auf. Welche Gäste davon besonders profitieren.

  • Die Eckkneipe in Barmbek-Süd ist bei HSV- und St.-Pauli-Fans beliebt.
  • Stammgäste haben das Ruder übernommen, um die Wirtin zu unterstützen.
  • Doch die Kneipe ist durch Wohnungsbau in ihrer Existenz bedroht.

Früher gab es an dieser Stelle von Hamburg fast an jeder Ecke eine Kneipe. Mittlerweile ist die Capri-Stube in Barmbek-Süd eine der letzten Eckkneipen im Quartier und ähnlich wie bis vor Kurzem noch das Dorotheeneck in Winterhude in ihrer Existenz bedroht. Eine ihrer zahlreichen Besonderheiten wird schon von Weitem deutlich: Unter der gestreiften Markise des Flachbaus an der Von-Essen-Straße – an den großen Fenstern neben der Eingangstür – prangt links die Flagge des HSV und rechts die des FC St. Pauli.

Im urigen Raum hängen Girlanden aus Plastik-Weinlaub unter der Decke und Fußball-Fanschals über dem geschwungenen Tresen aus den 1950er-Jahren. Aus dieser Zeit stammt das gesamte Mobiliar, das eine entsprechende Patina besitzt. Und die Gardinen, die leicht angegilbt sind, denn die Capri-Stube ist eine Raucherkneipe.

EM 2024: In Capri-Stube in Hamburg-Barmbek sind HSV- und St.-Pauli-Fans willkommen

Neben einem beleuchteten Glasschrein mit dem „Angebot der Woche“ (derzeit ein Whiskey der Marke Highland Park), Urlaubsfotos von Gästen aus aller Welt und einer Art Schlüsselbrett mit Anhängern diverserer Fußballclubs bleibt der Blick an zwei Trikots hängen.

Dass in der Capri-Stube keine Rivalität unter den Fans der beiden Hamburger Mannschaften herrscht, zeigt dieses Fußballtrikot.
Dass in der Capri-Stube keine Rivalität unter den Fans der beiden Hamburger Mannschaften herrscht, zeigt dieses Fußballtrikot. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Sie baumeln an Kleiderbügeln von einer Gardinenstange und wurden aus je einem HSV- und einem St.-Pauli-Trikot zusammengenäht – neben den beiden Flaggen in den Fenstern ist es ein weiterer Hinweis auf die Solidarität von Kneipe und Gästen mit beiden Hamburger Mannschaften.

Raucherkneipe: Der älteste Stammgast kommt seit 63 Jahren – und ist Nichtraucher

In der Capri-Stube gucken ihre Fans sogar zusammen Fußball, wenn die Clubs gleichzeitig spielen. „Im Fernseher links wird der HSV übertragen, rechts gibt es St. Pauli“, sagt Stammgast Heiner Tiling und deutet auf die beiden Bildschirme, die in den Ecken hängen. „Unsere Gäste wissen genau, wie sie sich hinstellen müssen, damit die Übertragung der anderen Mannschaft sie nicht stört“, so der Softwarelizenzberater.

Stammgast Hans Ziska kommt seit 63 Jahren in die Capri-Stube. Er fühlt sich wohl in der Raucherkneipe, obwohl er Nichtraucher ist.
Stammgast Hans Ziska kommt seit 63 Jahren in die Capri-Stube. Er fühlt sich wohl in der Raucherkneipe, obwohl er Nichtraucher ist. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Kaum zu glauben, dass das in dem kleinen Raum funktioniert. Schon ohne Fußballübertragung ist der Geräuschpegel hoch. Am vollbesetzten Tresen um kurz nach 18 Uhr und an den Tischen wird lebhaft diskutiert. Unter den Gästen sind zwei Postboten, von denen einer am Flipper steht, erstaunlich viele junge Leute, einige ältere – und der 81-jährige Hans Ziska, der seit 63 Jahren Stammgast in der Capri-Stube ist. „Erst als der jüngste Gast, jetzt als der älteste“, sagt der Nichtraucher, der überwiegend alkoholfreies Bier trinkt.

Barmbek: Stammgäste haben in der Capri-Stube das Regiment übernommen

Doch es gibt noch mehr Besonderheiten in dieser urigen Eckkneipe, die Wirtin Alke Schmiedel 2007 nach dem Tod ihres Mannes Thilo übernommen hat. „Ich wollte eigentlich nie in der Kneipe arbeiten“, sagt die 82-Jährige, die früher im Fernmeldeamt tätig war. Sie hat es trotzdem getan, um das Erbe ihres Mannes zu bewahren. Auch wenn die Zeiten immer schwerer wurden und dann auch noch Corona kam.

Heiner Tiling (l.) und Marek Stockic haben in der Capri-Stube in Barmbek-Süd das Ruder übernommen. Wirtin Alke Schmiedel freut sich darüber.
Heiner Tiling (l.) und Marek Stockic haben in der Capri-Stube in Barmbek-Süd das Ruder übernommen. Wirtin Alke Schmiedel freut sich darüber. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Da wollte sie die Kneipe eigentlich aufgeben. Doch das ließen ihre Stammgäste nicht zu. „Uns wurde klar, dass wir Alke unterstützen müssen, wenn wir wollen, dass die Capri-Stube bleibt“, sagt Marek Stokic, der 2018 über einen Kontakt in der Capri-Stube eine Wohnung im Viertel fand.

In der Capri-Stube gibt es „Getränke für Mädels“ – etwa den „HSV-Drink“

Während sich drei Angestellte die Schichten während der Öffnungszeiten teilen, erledigten die beiden Stammgäste alles, was zuvor Alke Schmiedel gemacht hatte. Auch unter ihnen fehlt jegliche Rivalität, obwohl Illustrator Stokic St.-Pauli-Fan ist und Heiner Tiling für den HSV brennt.

Unter dem Motto „Capri around the world“ fotografieren sich Stammgäste im Kneipen-T-Shirt an ihren Urlaubsorten.
Unter dem Motto „Capri around the world“ fotografieren sich Stammgäste im Kneipen-T-Shirt an ihren Urlaubsorten. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Zunächst übernahmen sie „nur“ Einkauf und Abrechnung, dann fingen sie mithilfe anderer Stammgäste auch an, die sehr beliebten Grill-Abende (draußen, denn in der Raucherkneipe wird kein Essen serviert), Oktoberfeste und das vereinsübergreifende Fußballgucken zu organisieren. Sie erweiterten das Sortiment um „Getränke für Mädels“ (etwa einen „HSV-Drink“ mit Campari, Sekt und Orangensaft nach einer Rezeptur aus den 1970er-Jahren, als Campari HSV-Sponsor war) und führten den Verkauf von Merchandising-Artikeln ein.

Barmbek: Die Capri-Stube wird auf T-Shirts und als Kunstwerk verewigt

So gibt es grüne T-Shirts mit der Aufschrift „Capri-Stube“ (25 Euro), die von Gästen gekauft und zumindest im Urlaub getragen werden. Das beweisen Urlaubsfotos, die unter dem Motto „Capri around the world“ aushängen und unter anderem in New York, Nashville, in Ägypten, auf Korsika und natürlich auf der Insel Capri aufgenommen wurden.

Auch als Kunstwerk gibt es die Capri-Stube. Der Künstler Matthias Krumbiegel, der in der Nachbarschaft wohnt, hat die Eckkneipe in einer limitierten Auflage verewigt (62 Stück, in Anlehnung an die Hausnummer). Das etwas größere „Stückchen Capri-Stube für die eigene Stube“ wird für 62 Euro verkauft, die Miniversion kostet 25 Euro.

Der Künstler Matthias Krumbiegel hat die Capri-Stube als Kunstwerk verewigt – in limitierter Stückzahl.
Der Künstler Matthias Krumbiegel hat die Capri-Stube als Kunstwerk verewigt – in limitierter Stückzahl. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Barmbek: Capri-Stube – Bier vom Fass gibt es in der urigen Kneipe ab 2,60 Euro

„Die Capri-Stube ist für viele Menschen ein wichtiger und beliebter Anlaufpunkt im Viertel“, sagen Tiling und Stokic. Damit es so bleiben kann, bieten sie alles äußerst günstig an (Bier vom Fass 2,60 Euro, Aperol Spritz 5,80 Euro). „Das sind fast Selbstkostenpreise“, sagen die beiden ehrenamtlich tätigen Stammgäste. Mehr Geld zu verlangen, sei nicht nötig. „Alke hat ihre Rente. Was wir einnehmen, muss also nur für die Miete, die Gehälter, Sky und Telefon reichen.“

An warmen Tag ist vor der Capri-Stube viel los. Manchmal wird auch der Grill aufgebaut. In der Raucherkneipe selbst gibt es keine Speisen.
An warmen Tag ist vor der Capri-Stube viel los. Manchmal wird auch der Grill aufgebaut. In der Raucherkneipe selbst gibt es keine Speisen. © Marek Stokic | Marek Stokic

Aber sicher ist auch die familiäre Atmosphäre ein Grund dafür, dass es in der Kneipe – und an warmen Tagen auch davor – eigentlich immer voll ist. „Der unschlagbare Vorteil hier ist: über der Capri-Stube wohnt niemand“, so Stokic. Doch auch von gegenüber habe sich noch nie jemand beschwert. Und so wird während der EM (natürlich werden alle Spiele übertragen) ein Fernseher ins Fenster gehängt. „Falls es drinnen zu voll wird. Oder die Fans bei gutem Wetter – oder wegen der Rauchsituation – lieber draußen gucken wollen. Jeder ist willkommen.“

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Barmbek: Muss die Kneipe Capri-Stube dem Wohnungsbau weichen?

Seit 1954 gibt es die Eckkneipe in Barmbek-Süd. Doch möglicherweise endet Geschichte zu ihrem 70. Geburtstag. Denn laut Wohnungsbauprogramm des Bezirks Hamburg-Nord ist an der Ecke Von-Essen-Straße 62/Holsteinischer Kamp 80 der Bau von 20 bis 40 Wohnungen sowie einer Gewerbezeile möglich.

„Auch, wenn wir dann zurück kämen und uns die neue Miete leisten könnten – der Charme und das Urige der Kneipe wären weg“, befürchten Stokic und Tiling. Aus diesem Grund haben sie sogar schon überlegt, die Capri-Stube anderswo wieder aufzubauen. Dann könnten zwar die Besonderheiten der Kneipe, zu denen auch der „Kirchenschnaps“ sonntags um 12 Uhr gehört, weiter bestehen. Aber so ein perfekter Standort wie der jetzige dürfte schwer zu finden sein.