Hamburg. Drip Drip Bar bietet Gesundheits-Booster intravenös – nicht nur in Hamburg-Eppendorf. Wie eine Medizinerin das Konzept sieht.
Salbeitee, inhalieren und Bettruhe war gestern: Wer sich heute schlapp fühlt, lässt sich kurzerhand eine Vitamin-Infusion legen, zum Beispiel in Hamburg-Eppendorf. Das geht sogar ohne Terminbuchung. „Bei uns kann man einfach vorbeikommen, eine WhatsApp schreiben oder online buchen, alles wirklich easy“, sagt Jürgen Brand. Der 34-Jährige hat die „Drip Drip IV Therapy Bar“ am Eppendorfer Baum gemeinsam mit seinem Kollegen Philip Mehrtens gegründet und damit einen Trend aus dem Ausland nach Hamburg geholt.
Denn Brand, ein Jurist, der zuvor Golfschläger und Medizintechnik verkaufte, kam in Südafrika auf den Geschmack. „Ich war dort Anfang letzten Jahres im Urlaub, und nachdem alle meine Freunde bereits solche Infusionen ausprobiert hatten, habe ich mich nach viermal um den Laden Herumschleichen auch getraut“, erzählt der Hamburger. Er sei begeistert gewesen, habe gleich für jede weitere Ferienwoche einen Drip (deutsch: Tropfen), also eine Infusion, gebucht.
Vitamin-Infusion in Hamburg-Eppendorf: So gelangen Nährstoffe schnell in den Blutkreislauf
„Was mir total wichtig ist: Man kann die Ergebnisse nicht messen, wir haben keine Studien“, sagt Brand. Klar sei nur: Ohne den Weg über den Verdauungstrakt schleusen die Infusionen Nährstoffe, Vitamine und Flüssigkeiten direkt in den Blutkreislauf. So könnten die Substanzen schneller vom Körper aufgenommen werden. „Was für uns eine hohe Aussagekraft hat: Die Kunden kommen immer wieder und erzählen uns, wie gut sie sich danach fühlen.“ Fitter, weniger müde, energiegeladen, mit besserer Hautstruktur, schneller regeneriert nach Erkältungen.
„Unter anderem sind junge Eltern bei uns, die oftmals ja viele Infekte aus Kita und Schule nach Hause bekommen und von einer Erkrankung in die nächste stolpern“, erklärt Brand. Aber eigentlich kämen Menschen im Alter von 14 Jahren (dann in Begleitung der Eltern) bis 65 Jahren in ihr 110 Quadratmeter großes Ladengeschäft.
Hier bemüht sich ein sechsköpfiges Team um Heilpraktikerin Laura Hagemann, die die fachliche Leitung innehat, um die Kunden. „In den vergangenen knapp zwölf Monaten haben wir mindestens 2000 Infusionen mit unseren Mikronährstoffen gelegt“, sagt Hagemann. Vor jeder Behandlung macht sie eine Anamnese, klärt auf und berät bei der Auswahl der zwanzig bis sechzig Minuten andauernden Drips.
Drips kosten zwischen 99 und 269 Euro und dauern etwa dreißig Minuten
Soll es der Detox Drip (179 Euro) sein für mehr Leichtigkeit und Entgiftung mit Aminosäuren und Inhalten wie Glycin, Lysin und Magnesiumchlorid? Oder der Drip für Allergiker (159 Euro), der mithilfe von hoch dosiertem Vitamin C gerade heuschnupfen-geplagten Menschen Hilfe verspricht? Oder der Perfect Age Drip (269 Euro), der ab 25 Jahren empfohlen wird und unter anderem die Kollagensynthese und Zellregeneration unterstützen soll? Dazu gibt es noch Infusionsangebote, die weniger Zeit benötigen und nur ein Vitamin – beispielsweise B12 oder C – enthalten.
„Bei allen Anwendungen ist klar, dass sie im Gegensatz zur oralen Gabe in Pulver- oder Tablettenform eine maximal höhere Bioverfügbarkeit für den Körper haben, intravenös liegt diese bei 99 Prozent“, sagt Hagemann. Deshalb fühlten sich die Kunden nach der Behandlung auch schnell besser.
Hergestellt werden die Infusionen, die als Arzneimittel gelten und deshalb strengsten Auflagen unterliegen, in zwei süddeutschen Apotheken. „Ich kann als Beispiel sagen, dass in unserem Vitamin-C-Drip 7,5 Gramm Vitamin C drinsteckt, das ist vergleichbar mit 17 Kisten Orangen“, sagt die Heilpraktikerin.
Allgemeinmedizinerin zu Vitamin-Infusionen: „Placebo-Effekt spielt tragende Rolle“
Ist dies nun einfach ein subjektives Empfinden oder kann der intravenöse Vitamincocktail auch aus medizinischer Sicht empfohlen werden? „Wenn jemand Beschwerden hat, derentwegen er überlegt, sich eine solche Infusion geben zu lassen, sollte er unbedingt vorher einen Arzt konsultieren“, rät Jana Husemann, erste Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Hamburg e.V. und Allgemeinmedizinerin mit eigener Praxis auf St. Pauli.
„Ich würde diese Infusionen absolut in den Lifestyle- und Wellnessbereich einordnen, wobei der Placebo-Effekt sicher eine tragende Rolle spielt.“ Dieser sei nicht zu unterschätzen und könne auch viel bewirken, dazu käme sicher die schön gestaltete Umgebung. „Jedoch gibt es eben keine einzige Studie dazu: Medizinisch notwendig sind Vitamin-Infusionen nicht, wenn keine diagnostizierten Mangelzustände vorliegen.“
Ebenso brauche kein gesunder Mensch Supplements, Nahrungsergänzungsmittel in unterschiedlichsten Darreichungsformen. „Zu beachten ist auch, dass überall da, wo man in die Haut reinpikst, auch ein Mini-Infektionsrisiko ist“, gibt die Medizinerin zu bedenken.
Expansion vom Eppendorfer Baum in Hamburg nach Berlin und Stockholm
Für Brand und Mehrtens ist die Strategie dennoch klar: Beide setzen auf den Trend, der außerhalb Europas schon zur festen Routine vieler gesundheitsbewusster Menschen gehöre. „Die Leute suchten seit Corona oft nach Alternativen zur Schulmedizin“, meint Brand, „außerdem ist die Selbstverantwortung für das Gesundbleiben bei vielen gewachsen.“ Und die Menschen seien bereit, dafür Geld auszugeben.
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Deshalb wird expandiert: Seit einigen Tagen bieten sie ihre Infusionen auch in einem Treatment-Raum im Spa des Luxushotels The Fontenay oder für Gäste direkt auf dem Hotelzimmer an. Auch beim Edel-Ausstatter Uzwei in der Kaisergalerie in der Innenstadt wird es zukünftig die Möglichkeit geben, sich nach dem Klamotten-Shoppen in der Abteilung mit den Pflegeprodukten von Niche Beauty eine Infusion legen zu lassen.
Hamburg: Drip Drip Bar am Eppendorfer Baum ist beige Wohlfühloase
„Außerdem eröffnen wir diese Woche in Berlin in der Rosenthaler Straße 66 eine weitere Filiale und ebenfalls in Stockholm“, sagt Brand. Alle Läden sollen dann die gleiche Wohlfühlatmosphäre ausstrahlen wie am Eppendorfer Baum. Mit hellen, organisch geformten Möbelstücken, Spiegeln und Sesseln in Naturtönen, die so gar nicht an ein medizinisches Umfeld erinnern.
So wenig, dass schon einmal ein älteres Paar zum Probesitzen des Sofas im Eingang hineinkam und es schlussendlich kaufen wollte. „Denen musste ich dann erst einmal erklären, dass wir kein Einrichtungsladen sind“, erzählt Brand und lacht.