Hamburg. Kinder, Erwachsene, alte Menschen: Fotos von entführten Israelis hängen derzeit an vielen Fassaden – nicht nur in der Hansestadt.
Gal Cohen (Name geändert) ist jetzt häufig in der Dunkelheit unterwegs. Ihren echten Namen möchte sie nicht veröffentlicht sehen, denn zu leicht wäre sie zu identifizieren, und das könnte sie in Gefahr bringen, sagt die Hamburgerin, die in Israel geboren wurde. Nicht weil sie im Dunkeln etwas Unrechtes tut, sondern weil sich die Jüdin für andere einsetzt.
Die 47-Jährige, die seit 17 Jahren in Hamburg lebt, hängt seit Tagen in vielen Hamburger Stadtteilen Plakate mit Fotos von entführten Israelinnen und Israelis auf – von Kindern, Erwachsenen und alten Menschen. Damit ist sie Teil von „Kidnappedfromisrael“, einer „Graswurzelbewegung auf der ganzen Welt, die ihren Ursprung in New York hat“, sagt Gal Cohen, die 2006 von dort nach Hamburg gezogen ist.
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Mit einem Team von etwa 50 Menschen, von denen viele selbst Israelis sind, sei sie in der Hansestadt unterwegs, um mit den Bildern der etwa 200 Geiseln für Aufmerksamkeit zu sorgen, diesen Menschen ein Gesicht zu geben. „Da wurden Babys, Omas, ganze Familien entführt, und die Regierung in Israel tut nichts“, beklagt sie.
Die Guerilla-Aktion habe inzwischen schon in ganz vielen Ländern auf der Welt Fuß gefasst. Inzwischen gebe es die Plakate in ganz vielen Sprachen, die jeder ausdrucken könne, sagt sie und verweist auf die vielen Kanäle in den sozialen Medien, in denen bereits unzählige Fotos von Plakataktionen hochgeladen wurden.
In manche Stadtteile in Hamburg wagen sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter sich allerdings nicht, sagt Gal Cohen, beispielsweise an den Steindamm in Hamburg-Mitte oder nach Wilhelmsburg. Und im Stadtpark seien sie grundsätzlich nur vor Einbruch der Dunkelheit unterwegs.
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Denn es gibt auch Gegner der Aktion. Immer wieder würden die Poster abgerissen. Auf Instagram findet man unter dem Stichwort „kidnappedfromisrael“ Videos aus unterschiedlichen Städten, in denen man sieht, wie junge Menschen, darunter Studenten etwa in New York, aber auch verhüllte Frauen in langen Gewändern in London die Plakate abreißen.
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„Wenn Ihr unsere Plakate abreißt, werden wir größere machen“, heißt es in einem Beitrag aus London, und man sieht, wie ein Lastwagen mit einem riesigen Leuchttransparent die Straße entlangfährt. In Rom hängen die Plakate am Bauzaun des Forum Romanum, in Barcelona sind ganze Litfaßsäulen plakatiert, sogar auf der kleinen Insel Ko Tao in Thailand hängt ein Plakat am Palmenstrand.
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Viele Menschen lassen sich dieses Engagement etwas kosten, denn Farbdrucke seien teuer, sagt Gal Cohen. Ein Spender habe gerade 5000 Plakate gesponsert, die sie jetzt in Hamburg aufhängen wollen. Jeder könne ganz individuell mithelfen, indem er selbst Plakate ausdruckt und aufhängt. „Es ist eine globale Bewegung, damit die Aufmerksamkeit für die Entführten nicht nachlässt“, sagt sie. „Die Familien der Geiseln streiken dafür in Tel Aviv. Und wir tun hier, was wir können. Nichts zu tun ist nämlich zu wenig.“