Hamburg. Die Zukunft der Denkmäler in Ohlsdorf ist ungewiss. Die Nikodemuskirche stehe nämlich auf wirtschaftlich sehr wertvollem Boden.

Eine grüne Fassade mit weißem Stuck und vielen Ornamenten in Weiß, der geschwungene Giebel greift die Form des Vordachs über der kunstvoll eingefassten Haustür auf – die 1905 erbaute Gründerzeitvilla an der Fuhlsbüttler Straße in Ohlsdorf ist ein Schmuckstück. Eigentümerin ist die evangelische Gemeinde der benachbarten Nikodemuskirche, ein Gelbklinkerbau mit trutzigem Turm und eindrucksvollem Kirchenschiff, der 1959 eingeweiht wurde. Die grüne Villa wurde der Gemeinde Ohlsdorf von der damaligen Eigentümerin, einer alten Dame, geschenkt. Ihr Wunsch: Unten sollte das Pastorat einziehen, oben wollte sie selber wohnen.

Und so geschah es. Doch jetzt sorgen sich Nachbarn und der Förderverein Nikodemuskirche um die Villa. „Das Erdgeschoss steht schon seit einem Jahr leer, und in wenigen Wochen wird auch die letzte Bewohnerin der oberen Wohnung ausziehen“, sagt die Ohlsdorferin Julia Sauter. Wie es dann mit dem Haus weitergehe, sei ungewiss. „Ebenso ungewiss wie die Zukunft der Kirche selbst“, ergänzt Sabine Oppelt, Vorsitzende des Fördervereins, der sich seit Juni 2020 für den Erhalt der Kirche einsetzt.

Abriss droht: Anwohner in Hamburg sorgen sich um Villa

Die Nikodemuskirche ist Zentrum eines denkmalgeschützten Ensembles. Dazu gehören das Gemeindehaus, die Kita, ein Wohngebäude aus den 1920er-Jahren, die grüne Villa und zwei weitere, ebenfalls um 1905 errichtete Häuser. Als geistliches Zentrum hat die Kirche zuletzt jedoch an Bedeutung verloren. 2008/2009 fusionierte die Ohlsdorfer Kirchengemeinde mit der Fuhlsbüttler Gemeinde St. Marien, dann wurde das Gemeindehaus an die Stiftung Alsterdorf vermietet – vor einigen Jahren beschloss der Kirchenkreis Hamburg-Ost, den Standort ganz aufzugeben und nur noch St. Marien am Maienweg, die andere Kirche der fusionierten Gemeinde, zu erhalten. Im August 2021 wurde in der Nikodemuskirche der Abschiedsgottesdienst gefeiert, seitdem sind auch die Kirchenglocken endgültig verstummt. Demnächst soll das Gotteshaus entwidmet werden.

„Die Nikodemuskirche stehe „auf wirtschaftlich sehr wertvollem Grund und Boden“, so Oppelt. Tatsache sei, dass der Kirchenkreis Eigentümer eines an die Nikodemuskirche angrenzenden Grundstücks sei – und vom Abriss der Kirche finanzielle Vorteile in sechs- bis siebenstelliger Höhe hätte, weil er dann auf diesem Grundstück viele Wohnungen bauen könnte. „Wir haben den Eindruck, dass der Kirchenkreis von langer Hand plant, auf diese wertvollen Flächen zuzugreifen“, vermutet sie. Was sie und andere aus dem Förderverein skeptisch mache: Es gebe angeblich eine Einrichtung, die den Kirchenbau für „Kunst und Kultur“ pachten würde. Angaben, wer das sei, erhalte die Gemeinde aber nicht.

Wird die Villa in Hamburg an Investoren verkauft?

Auch Nachbarin Julia Sauter ist skeptisch. Auf einer Gemeindeversammlung Ende Oktober sei kommuniziert worden, dass die grüne Villa in Erbpacht vergeben werden solle. „Es gab viele Interessenten, die das Haus gerne gekauft oder – auch in Erbpacht – gemietet hätten.“ Die Anfragen seien aber nicht beantwortet worden. Nur einer habe die Auskunft erhalten, ein Erbpachtvertrag mit einem anderen Interessenten stehe kurz vor dem Abschluss. „Vom Kirchengemeinderat dagegen haben wir die Auskunft erhalten, dass es keine Interessenten für eine Erbpacht gibt.“

Beide Frauen befürchten, dass die finanziell angeschlagene Gemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel den Abriss der Denkmäler beantragen und die Grundstücke an Wohnungsbauinvestoren verkaufen könnte. Tatsächlich hatte die damalige Pastorin Stefanie Günther auf einer außerordentlichen Gemeindeversammlung im August 2020 gesagt: „Dass Wohnungsbau auf dem Gelände kommen wird, darin sind sich Kirchengemeinderat und Interessengruppen einig.“

Nikodemuskirche dürfe nicht abgerissen werden

Sie begrüße alles, was den Erhalt der Nikodemuskirche sichere, sagt Sabine Oppelt. Daher drängt sie auf die Verpachtung der grünen Villa. Doch sie würde auch Wohnungsbau akzeptieren. „Aber nicht statt der Kirche, sondern daneben.“ Nach wie vor sei das Gotteshaus für die Nachbarschaft identitätsstiftend. „Es darf auf keinen Fall sein, dass die Nikodemuskirche abgerissen und das Grundstück verkauft wird – und das Geld in die Sanierung von St. Marien in Fuhlsbüttel fließt.“

Laut einem auf der Gemeindeversammlung besprochenen Gutachten könne der 1960 errichtete Kirchenbau am Maienweg nämlich nicht mehr lange genutzt werden. „Standsicherheit von Kirche und Turm müssen geklärt werden, hieß es“, sagt sie. „Und es gebe ein umfangreiches Schadensbild.“ Merkwürdig sei, dass der Kirchengemeinderat sich gegen die Veröffentlichung des Gutachtens ausgesprochen habe.

Sinnvolle Nachnutzung soll in Stadtteil ausstrahlen

Pastor Bernd Müller-Teichert kennt die Skepsis und die Trauer mancher Gemeindemitglieder hinsichtlich der Zukunft von St. Nikodemus. Aber er stellt klar: Die Pläne, neben der Kirche zu bauen, seien lange vom Tisch. Und ein Abriss wäre für die Gemeinde auch keine Option. „Wir sind auf einem guten Weg, die Kirche einer neuen Nutzung zuzuführen“, sagt er. Es gebe in der Tat einen Interessenten aus dem Kulturbereich, der dort Ausstellungen plane und die Kirche sowie das noch drei Jahre vermietete Gemeindehaus in Erbpacht übernehmen würde.

Die Nikodemuskirche Ohlsdorf soll entwidmet werden.
Die Nikodemuskirche in Ohlsdorf soll entwidmet werden. © Hamburger Abendblatt / Andreas Laible

Es fehle noch die Zustimmung des Landeskirchenamts hinsichtlich der Entwidmung, doch er sei zuversichtlich, dass er schon im Januar mehr verkünden könne. „Fest steht, dass es sich um eine sinnvolle Nachnutzung der Kirche handeln wird, die in die Gemeinde und den Stadtteil ausstrahlen wird.“ Sobald durch die Verpachtung die Kirche als Gebäude gerettet sei, werde sich der Kirchengemeinderat mit der grünen Villa und ihrer Zukunft beschäftigen.

Auch sie soll voraussichtlich verpachtet werden. Die Pacht für Kirche, Gemeindehaus und Villa würde, wie üblich, in den Haushalt der Gemeinde fließen – und käme zunächst der kirchlichen Arbeit zugute. Für die Sanierung von St. Marien gebe es Rücklagen, zudem würden Zuschüsse des Kirchenkreises erwartet. Auch da, so Müller-Teichert, könne er voraussichtlich im Januar verkünden, wie es weitergehe.