Hamburg. Betriebskita, flexible Arbeitszeiten und mehr: Das Klinikum wurde zum familienfreundlichsten Großunternehmen Deutschlands gekürt.

Als im Mai dieses Jahres der Kita-Streik begann, war Sabine Vidal (52) im ersten Moment ratlos. Die alleinerziehende Mutter arbeitet von sieben bis 16 Uhr als Medizinisch-technische Assistentin in einem Genlabor des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE). Wo sollte sie nun die Nachmittagsbetreuung für ihren neun Jahre alten Sohn hernehmen? In solchen Fällen können UKE-Mitarbeiter die Kindernotfallbetreuung in Anspruch nehmen. Eine Woche lang wurde der Sohn von Sabine Vidal kostenlos im UKE betreut, für die restlichen zwei Wochen hatten sich die Eltern der betroffenen Schulkinder selbst organisiert. „Ohne dieses Angebot hätte ich eine Woche Urlaub nehmen müssen“, sagt Vidal, die seit 1997 im UKE tätig ist.

Die Kindernotfallbetreuung gehört zu einem Bündel von familienfreundlichen Maßnahmen, die das Uniklinikum für seine Mitarbeiter anbietet. Dafür ist es gerade vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum familienfreundlichsten Großunternehmen Deutschlands gekürt worden.

„Wir haben 2010 mit unserem Programm zur Personalpolitik, UKE inside, begonnen, zu dem neben dem Gesundheitsmanagement auch die familienfreundlichen Angebote gehören. Wir schauen uns die individuelle Situation des Mitarbeiters an und machen dann das möglich, was geht. Es geht uns darum, eine dauerhafte Identifikation der Mitarbeiter mit dem UKE zu schaffen und als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Mit sehr gutem Erfolg: In Zeiten, in denen es zu wenig Pflegekräfte und Ärzte gibt, haben wir nahezu keine Probleme, unsere Stellen zu besetzen“, so Michael van Loo, Leiter des Geschäftsbereichs Personal, Recht und Organisation.

Kindernotfallbetreuung für fünf Tage im Jahr kostenlos

Dafür sorgen flexible Arbeitszeitmodelle und vielfältige Unterstützung bei der Kinderbetreuung. So ist die betriebseigene Kita für Kinder von drei Monaten bis sechs Jahren von 5.30 Uhr bis 20 Uhr geöffnet. Auch am Wochenende ist eine Betreuung möglich, bislang einmal im Monat von 5.30 bis 15 Uhr. „Das wollen wir jetzt noch ausweiten“, sagt van Loo. Die Wochenendbetreuung ist kostenlos, in der Kita gilt das normale öffentliche Gutscheinsystem.

Wenn die Kita streikt oder das Kind krank wird, kann die Kindernotfallbetreuung für fünf Tage im Jahr kostenlos in Anspruch genommen werden, für Kinder zwischen drei Monaten und sechs Jahren, in Einzelfällen auch für ältere Kinder im Rahmen der Nachmittagsbetreuung.

In den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstferien bietet das UKE Ferienbetreuung für Kinder im Alter zwischen sechs und 12 Jahren an, über neun Wochen von sieben bis 17 Uhr. Die Betreuung inklusive Verpflegung ist kostenfrei, nur die Ausflüge, die zweimal pro Woche stattfinden, müssen bezahlt werden. Jedes Kind darf maximal zwei Wochen pro Ferienbetreuung daran teilnehmen. „Die Plätze sind immer schnell ausgebucht“, sagt van Loo. Im Frühjahr und Herbst stehen 20 Plätze pro Woche zur Verfügung, in den Sommerferien 45.

Das gilt auch für die Schülerreisen während der Sommerferien. „Die Kinder können über Kooperationspartner eine vergünstigte Reise bekommen, und es gibt einen Zuschuss von 100 Euro“, sagt van Loo. Mit diesen Angeboten können 13- bis 17-Jährige einmal im Jahr auf Bildungs- oder Abenteuerreisen im In- und Ausland gehen und auch jüngere Geschwister mitnehmen. „Das ist begrenzt auf insgesamt etwa 500 Familien pro Jahr im UKE und seinen Tochterunternehmen“, sagt van Loo.

Gerade eingeführt worden ist der Betreuungszuschuss von 75 Euro im Monat für Eltern, die ihr Kind nicht im Betriebskindergarten unterbringen können oder wollen oder mehr Betreuung in Anspruch nehmen, als über den Gutschein abgedeckt ist.

Das UKE hat auch eine Kooperation mit dem Fürstenberg-Institut. Dort können sich Familien psychologische Unterstützung in Problemsituationen holen, wie zum Beispiel im Scheidungsfall. Außerdem organisiert das Institut die Kindernotfallbetreuung. Was UKE-Mitarbeiter dort auch in Anspruch nehmen können, ist die Schuldnerberatung. Die Angebote sind kostenlos.

Auch Mitarbeiter in Führungspositionen können in Teilzeit arbeiten

Beratung und Unterstützung für Mitarbeiter mit pflegebedürftigen Angehörigen bietet der Sozialdienst des Krankenhauses. Er hilft zum Beispiel bei der Beantragung von Pflegestufen, der Organisation häuslicher Pflege oder der Suche nach einem Heimplatz. Außerdem bietet er ein fünftägiges Seminar „Pflegen von Angehörigen“, welches neben den Mitarbeitern allen Hamburgern offensteht.

Sabine Vidal arbeitet als Medizinisch-technische Assistentin in einem Genlabor des Universitätsklinikums Eppendorf
Sabine Vidal arbeitet als Medizinisch-technische Assistentin in einem Genlabor des Universitätsklinikums Eppendorf © HA | Roland Magunia

Und dann gibt es am UKE mehr als 250 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, die vertraglich vereinbart werden können. So werden im Verwaltungsbereich Gleitzeit, Möglichkeiten von Homeoffice und Telearbeit angeboten. Alle Mitarbeiter können Sabbaticals, Langzeitarbeitskonten und Altersteilzeitmodelle in Anspruch nehmen, wobei letztere mit Laufzeiten zwischen zwei und acht Jahren vereinbart werden können.

„Bei der Pflege und Medizin wollen wir eine größtmögliche Flexibilität bei den Schichten erreichen, ohne dass der Betrieb oder die Patienten gefährdet sind“, sagt van Loo. So arbeitet der Anästhesist Dr. Lars Nawrath (40) seit Oktober des vergangenen Jahres in Teilzeit, um mehr Zeit mit seinen Kindern Emma (9) und Arthur (7) verbringen zu können, „Das ist die beste Zeit, die ich mit den Kindern haben kann“, sagt Nawrath, der montags bis freitags von acht bis 14.30 Uhr arbeitet. Er ist Leiter des Aufwachraums, in dem Patienten nach der Operation betreut werden, und der angegliederten Intensivstation.

Flexible Arbeitszeiten ermöglicht auch der Pflegepool. „Das sind Pflegekräfte, die zum Beispiel durchschnittlich 25 Stunden im Monat arbeiten und sich diese Arbeitszeiten sehr frei gestalten können. Alle sind fest angestellt und haben Teilzeitverträge“, sagt van Loo.

Auch Mitarbeiter in Führungspositionen können in Teilzeit arbeiten, so wie Iris Bertgen (37). Sie hat einen vier Jahre alten Sohn. Nach der Rückkehr aus der Elternzeit im vergangenen Jahr arbeitet sie auf einer 60-Prozent-Stelle mit einer Arbeitszeit von drei Tagen in der Woche als Stationsleitung auf der interdisziplinären Intensivstation mit dem Schwerpunkt Lebererkrankungen. Die Leitung teilt sie sich mit einer Kollegin, die in Vollzeit arbeitet. Dafür haben die beiden ein umfangreiches Coaching erhalten, sowohl einzeln als auch zusammen.

Neuen Mitarbeitern hilft das UKE auch bei der Wohnungssuche. „Wir haben ein eigenes Personalheim mit etwa 300 Appartements und eine Partnerschaft mit einer großen Hamburger Wohnungsbaugesellschaft, an die wir unsere neuen Beschäftigten verweisen dürfen. Und dann gibt es viele Hamburger, die Mietwohnungen und Immobilien für UKE-Mitarbeiter anbieten“, sagt van Loo.