Langenhorn. Besucher können sich für Besichtigungen anmelden. Charme und Privatcharakter der Einrichtung sollen erhalten bleiben.

„Helmut Schmidt“ steht auf dem Messingschild über der Klingel an der Rotklinkerwand neben der Haustür. Nicht mehr, nicht weniger. Wer sie betätigt, hört den altmodischen, doppelten Glockenton, der in den 70er-Jahren so populär war. Es war die große Zeit des Staatsmanns Helmut Schmidt. In seiner achtjährigen Kanzlerzeit und darüber hinaus öffnete der Hanseat mit der Helgoländer Lotsenmütze sein privates Doppelhaus für Leonid Iljitsch Breschnew, Valéry Giscard d’Estaing und andere Größen der Weltpolitik.

Wer sich persönlich ein Bild dieser geschichtsträchtigen Räumlichkeiten machen möchte, hat im kommenden Jahr eine – kleine – Chance. Getreu dem Vermächtnis des an diesem Dienstag vor genau sechs Monaten verstorbenen Altkanzlers werden Haus und Archiv auf dem Grundstück Neubergerweg 80 in Langenhorn originalgetreu erhalten. Bis ins Detail, als sei alles so wie früher. Kleinen Besucherkreisen soll nach Anmeldung und wahrscheinlich per Los Zutritt verschafft werden.

Dieser letzte Wille wurde zeitig geplant. Typisch Schmidt. Um die Jahrtausendwende rief er die Helmut und Loki Schmidt Stiftung ins Leben, die das Erbe antrat. Beider Tochter, der in Südengland lebende Dr. Susanne Schmidt-Kennedy, gehören der hintere Teil des Doppelhauses sowie das Ferienhaus am Brahmsee.

Schmidts Wille: Charme des Hauses bewahren

Einzelheiten der Nachlassregelung wurden am Montag vor Ort vorgestellt. „Helmut Schmidt wünschte keine Denkmals-Beweihräucherung“, sagte sein langjähriger Mitstreiter und Freund Peer Steinbrück bei Häppchen und Kaffee im Esszimmer. Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat ist Vorsitzender eines namhaft besetzten Stiftungs-Kuratoriums, dem auch Unternehmer Michael Otto, Susanne Schmidt, die frühere Bundesministerin Anke Fuchs sowie Olaf Schulz-Gardyan angehören, der Sohn des verstorbenen Bürgermeisters Peter Schulz.

Das Arbeitszimmer
des Altkanzlers,
nur echt mit
dem Drehaschenbecher
des Kettenrauchers
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dem Schreibtisch
Das Arbeitszimmer des Altkanzlers, nur echt mit dem Drehaschenbecher des Kettenrauchers auf dem Schreibtisch © HA | Roland Magunia

Als Vorstandsvorsitzender ist der Bankier Max Warburg dabei, als Stellvertreter und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der vor einem Monat pensionierte Staatsamts-Leiter Stefan Herms. „Es war Helmut Schmidts ausdrücklicher Wille, den Charme und Privatcharakter des Hauses weitestgehend zu bewahren“, sagte Herms. Wegen der kleinteiligen, verwinkelten Aufteilung und der in Jahrzehnten von den Schmidts gesammelten Kleinode sei ein Rummel mit Buskarawanen in der idyllisch gelegenen Wohnstraße nicht möglich. Hinzu kommt der Schutz wertvoller Kunstschätze wie Barlach-Skulpturen oder mehrere Originale des Malers Emil Nolde.

Um dennoch direkte Einblicke zu ermöglichen, wird es von Sommer an eine spezielle Internetseite geben. Ein virtueller Rundgang erfasst dann auch Details – von der guten Stube über Klavierecke, Sitzgruppe, „Kneipe“, Esszimmer und Arbeitsraum im Hochparterre. Auch dort ist alles unverändert: Inmitten des Schreibtischs stehen der alte Dreh-Aschenbecher, auf dem Bestelltisch das silberne Döschen, in der Schmidt Zigaretten der Marke Reyno White stapelte und den Schnupftabak „Gletscherprise“ verwahrte.

Parallel zur Vorbereitung des Online-Spaziergang durchs Doppelhaus werden Zehntausende, in rund 1300 Aktenordnern gelagerte Seiten mit Manuskripten, Reden, Artikeln und anderen Erinnerungsstücken dauerhaft konserviert und digitalisiert. Es entspricht dem Wunsch der Schmidts, dass bewährtes Personal im Einsatz ist: Heike Lemke, Chefin des Archivgebäudes vis-à-vis der Doppelhaushälfte, die ehemaligen Büroleiterinnen Andrea Bazzato und Birgit Krüger-Penski sowie die Haushälterin Ulrike Trebbin. An Schmidts letzte Lebensgefährtin, Ruth Loah, wurde gleichfalls bedacht. „Was zu regeln war, hat Helmut Schmidt geregelt“, sagte Peer Steinbrück.

In der Bar feierte
das Hamburger
Ehepaar mit Staatsleuten
und anderen
Gästen
In der Bar feierte das Hamburger Ehepaar mit Staatsleuten und anderen Gästen © HA | Roland Magunia

Die Stiftung am Neubergerweg 80 mit einem Vermögen „in einstelliger Millionenhöhe“, die laufend von Buchtantiemen gespeist wird, kümmert sich um den Privatmann Helmut Schmidt. Noch im Sommer soll der Bundestag dann eine Stiftung ins Leben rufen, die den Kanzler und Politiker im Fokus hat. Das Gesetzgebungsverfahren ist initiiert. Sitz dieser Organisation wird das „Helmut-Schmidt-Haus“ am Speers­ort in der Hamburger City sein, das Pressegebäude der „Zeit“. Schmidts Büro dort, aber auch sein Arbeitszimmer im Bonner Kanzleramt werden für die Nachwelt erhalten.

Wer Zutritt ins legendäre Doppelhaus erhält, soll noch geklärt werden. Ein „faires Anmeldeverfahren“ soll jedermann eine Chance ermöglichen. Im Prinzip. Außerdem sollen Gesprächskreise nach Art der ehemaligen „Freitagsgesellschaft“ für Belebung sorgen. Vielleicht erfreuen sich die Gäste dann der verschiedenfarbigen Kamelien, die Loki einst als kleine Topfpflanzen in den Garten grub. Daraus sind meterhohe Büsche geworden, Bäume fast. Beide hatten so viel Freude daran.