Schon 60 Prozent der Ziele von Hamburg aus werden mit Ryanair und Co. erreicht. Und der Trend setzt sich fort – eine Analyse.

Wenn Hamburger früher günstig in den Urlaub fliegen wollten, startete die Reise meist mit dem Auto. Ab ging’s nach Lübeck, Bremen oder Münster – wo die Billigflieger abhoben. Doch mittlerweile sind eine Vielzahl von Zielen auch ab Hamburg mit den sogenannten Low-Cost-Carriern direkt erreichbar. Von den rund 120 Direktzielen am Airport, der insgesamt von etwa 60 Fluggesellschaften bedient wird, steuern fünf Billiganbieter künftig 75 Destinationen an – mehr als 60 Prozent. Vor allem der Marktführer unter den Billigfluglinien drängt massiv nach Hamburg. Ryanair weitet das Streckennetz deutlich aus. Im November wollen die Iren am Flughafen in Fuhlsbüttel sogar eine Basis eröffnen und zwei Jets stationieren, teilte das Unternehmen in der vergangenen Woche mit. Das Abendblatt gibt einen Überblick, welche sogenannten Low-Cost-Carrier in der Hansestadt vertreten sind, wohin sie fliegen – und wie sich der Flug mit den Günstiganbietern wirklich lohnt.

Seit wann sind Billigflieger in Hamburg aktiv, und wie haben sie sich entwickelt?

Am längsten in Hamburg aktiv sind Easyjet, Norwegian und Germanwings/Eurowings. Alle drei Anbieter kamen 2005 in die Stadt. Ihre Entwicklung ist seitdem allerdings sehr unterschiedlich verlaufen. Der Lufthansa-Konzern stärkte 2012 seine Tochter Germanwings. Seitdem fliegt die Kranich-Linie nur noch zu den wichtigsten deutschen Drehkreuzen Frankfurt und München, alle anderen inländischen und europäischen Airports steuert Germanwings an. Derzeit werden alle diese Ziele auf die Marke Eurowings umgestellt, um die Kosten noch stärker zu senken. Die Günstigtochter der Lufthansa hat ab Hamburg 56 Ziele im Angebot, von A wie Amsterdam bis Z wie Zürich (siehe Grafik). Im Sommer kommen fünf Ziele hinzu: Cagliari und Pisa in Italien sowie Ibiza, Jerez de la Frontera und Mahon in Spanien. 14 Jets und die dazugehörigen Crews sind hier stationiert.

In Fuhlsbüttel wurde 2014 die zweite deutsche Easyjet-Basis eröffnet
In Fuhlsbüttel wurde 2014 die zweite deutsche Easyjet-Basis eröffnet © dpa | Hannibal Hanschke

Stark gewachsen ist in den vergangenen Jahren Easyjet. Im März 2014 wurde in Fuhlsbüttel die zweite deutsche Basis eröffnet. Drei Flugzeuge sind hier stationiert, zwei Airbus A319 und ein Airbus A320. Für Easyjet sind rund 100 Beschäftigte tätig, alle laut Unternehmen mit deutschen Arbeitsverträgen. Im September 2015 wurde die Marke von fünf Millionen Hamburger Passagieren erreicht. Insgesamt 29 Strecken bieten die Briten an. Im Sommer kommen Olbia (Sardinien), Pula (Kroatien) und Zürich neu hinzu. Zu den kleineren Anbietern gehört Norwegian mit sechs Destinationen, die abgesehen von der heimischen, norwegischen Hauptstadt Oslo alle in Spanien liegen. Vueling hat mit Barcelona und Malaga nur zwei Strecken im Angebot. Die Spanier nahmen im März 2012 Hamburg in den Flugplan auf.

Der jüngste Zugang unter den Billigfliegern ist der Platzhirsch in dem Segment. Ryanair fing im Oktober 2014 mit zwei Zielen in Portugal an und dehnte das Streckennetz später nach Spanien aus. Im Sommer kommt Palma de Mallorca als Destination hinzu, im Winter folgen Brüssel, Dublin, Las Palmas, London-Stansted, Mailand-Bergamo, Manchester und Sofia. Mit der Eröffnung der Basis mit zwei Boeing 737-800 sollen im November auch zwischen 80 und 100 Flugbegleiter sowie Piloten hier stationiert werden.

Wie hoch ist der Marktanteil der Billigflieger am Hamburg Airport?

Im vergangenen Jahr flogen insgesamt 15,6 Millionen Passagiere von und nach Hamburg. Das war ein Plus zum Vorjahr von 5,8 Prozent. Der insgesamt größte Anbieter in Hamburg ist Germanwings/Eurowings. Die Lufthansa-Marke hat einen Marktanteil von 20 Prozent. Allerdings ist die Fluggesellschaft laut offizieller Definition des Deutschen Flughafenverbands kein Billiganbieter, obwohl sie sich laut Homepage selbst als Low Cost Airline bezeichnet. Unter Experten relativ unstrittig ist die Einschätzung bei den anderen vier Anbietern. 2015 lag der Anteil dieser Billigflieger laut Flughafen bei 13,4 Prozent. Innerhalb von vier Jahren hat er sich gut vervierfacht. Easyjet allein kommt auf rund zehn Prozent. Weil die Briten genauso wie Ryanair und Eurowings im Sommer neue Ziele anbieten, dürfte der Marktanteil der Billigflieger weiter steigen.

Hamburgs Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler verweist auf den hohen Marktanteil von Fluggesellschaften wie Lufthansa (inklusive Germanwings/Eurowings), British Airways oder Air France/KLM, der bei mehr als 80 Prozent liege. Gleichzeitig freut er sich über Anbieter wie Easyjet und Ryanair, „die das Potenzial Hamburgs für sich entdecken“. Das breite Angebot komme den Passagieren zugute. Sie könnten zwischen unterschiedlichen Zielen, Preismodellen und Servicestandards wählen. Eggenschwiler: „Am Flughafen Hamburg bieten wir eine gute Mischung aus traditionellen Fluggesellschaften und sogenannten Low-Cost-Airlines.“

Zahlen alle Airlines gleich hohe Gebühren am Flughafen?

Die Gebühren wie Start-, Lande- und Abstellentgelte sowie Serviceleistungen wie Gepäckentladung und der Passagiertransport mit Bussen sind für alle Gesellschaften gleich, heißt es vom Flughafen. Allerdings gibt es Anreizsysteme für Airlines, die Strecken neu aufnehmen, die bisher von keinem Anbieter im Flugplan sind. Eine Interkontinentalverbindung wird beispielsweise für drei Jahre nach dem Erstflug gefördert. Im ersten Jahr werden 100 Prozent, im zweiten 75 und im dritten 50 Prozent der Start-, Lande- und Abstellentgelte bezuschusst. Eine Kontinentalverbindung innerhalb Europas und nach Ägypten und Tunesien wird zwei Jahre lang gefördert, mit 75 im ersten und 50 Prozent im zweiten Jahr.

Welche Pläne haben die Billigfliegerfür die Zukunft?

Ryanair Michael O’Leary sieht Hamburg als „wichtigen Bestandteil“
Ryanair Michael O’Leary sieht Hamburg als „wichtigen Bestandteil“ © picture alliance / dpa | Emilio Naranjo

Eine Ausweitung des Streckennetzes plant vor allem Ryanair. Die Iren wollen ihren Marktanteil in Deutschland in diesem Jahr von fünf auf zehn Prozent verdoppeln und bis 2020 auf 20 Prozent steigern. Damit verbunden ist ein Strategieschwenk: weg von Flughäfen auf der grünen Wiese hin zu Stadtflughäfen. Und weg von reinen Touristen- auch hin zu Geschäftsfliegern. In Berlin, Nürnberg und Hamburg will die Firma besonders stark wachsen. Die Hansestadt sei „ein wichtiger Bestandteil unserer Expansionsstrategie“, sagte Chef Michael O’Leary im Sommer. Ab dem Winter sollen 650.000 Passagiere pro Jahr mit den Iren in Fuhlsbüttel starten und landen. Bei einer erwarteten Passagierzahl von knapp 16 Millionen würden die Iren in Hamburg auf einen Marktanteil von rund vier Prozent kommen. Für die Zukunft nannte O’Leary 25 Destinationen als Zielgröße für die Hansestadt. Mittelfristig soll Hamburg damit Bremen als wichtigstes Drehkreuz im Norden ablösen.

„Wir sind sehr zufrieden mit unserer Position in Hamburg“, teilte Easyjet auf Abendblatt-Anfrage mit, „aber wir möchten gern wachsen.“ Abhängig von der lokalen Nachfrage würde das Angebot kontinuierlich angepasst, neue Strecken eingeführt oder die Frequenzen zu beliebten Zielen erhöht. Vueling plant keine Veränderungen in Hamburg, Eurowings und Norwegian äußerten sich auf Anfrage nicht.

Wie sieht es an den anderen Flughäfen im Norden aus?

Der nächst größere Flughafen liegt in Hannover. Von dort fliegen insgesamt 45 Gesellschaften zu 80 Direktzielen. Germanwings/Eurowings ist mit 25 Zielen im Linien- und Charterverkehr vertreten und erreicht einen Marktanteil von 11,4 Prozent. Vueling bedient die Strecke nach Barcelona und erreicht mit Iberia Express zusammen als die einzigen Low-Cost-Carrier vor Ort einen Anteil von 1,4 Prozent. Insgesamt beförderte der Flughafen in Niedersachsens Landeshauptstadt im vergangenen Jahr 5,45 Millionen Passagiere, das war ein Plus von drei Prozent.

In Bremen unterhalten 18 Airlines Verbindungen zu rund 50 Zielen. Für Ryanair ist die Weserstadt bisher das wichtigste Drehkreuz im Norden. Die Iren steuern 19 Ziele an, viele sind identisch mit den Hamburger Verbindungen, hinzu kommen noch Destinationen wie Chania, Saloniki, Stockholm oder Tallinn. Die Marktanteile in Bremen sind ungefähr dreigeteilt: ein Drittel Ryanair, ein Drittel Charterflieger wie Germania und ein Drittel Linienflüge wie SAS. Die Lufthansa-Billigtochter Germanwings fliegt von Bremen nur nach Stuttgart. Die Zahl der Passagiere ist in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben, 2015 landeten und starteten 2,66 Millionen Passagiere in der Hansestadt.

Einen steilen Absturz legte Lübeck-Blankensee hin. Dienstags, donnerstags und sonnabends herrscht im Saisonflugplan gähnende Leere. An den anderen Tagen startet und landet die einzig verbliebene Fluggesellschaft Wizz Air aus Ungarn zu sechs Zielen: Danzig, Kiew, Bukarest, Skopje, Riga und Sofia. Ryanair hatte einst mehr als 50 Abflüge und Ankünfte pro Woche im Angebot. Nach der Einführung der Luftverkehrsabgabe wurde das Angebot radikal zusammengestrichen und letztlich im Sommer 2014 nach 14 Jahren eingestellt. Der Flughafen selbst befindet sich nach mehreren Eigentümerwechseln seit September 2015 in der Insolvenz. Die Zahl der Passagiere sank von knapp 700.000 im Jahr 2009 auf 169.000 fünf Jahre später.

Wie günstig sind die Billigflieger?

Wer besonders günstig mit einem der so genannten Billigflieger in den Urlaub will, sollte vor allem rechtzeitig buchen. So lohnt es sich, möglichst kurz nach Erscheinen des neuen Flugplans online zuzuschlagen. Ein Preisvergleich: Wer bereits im vergangenen Sommer für eine vierköpfige Familie bei Easyjet einen Hin- und Rückflug Hamburg-Fuerteventura während der kommenden Märzferien gebucht hat, musste inklusive Gepäckaufgabe zusammen 660 Euro bezahlen. Wer sich nun online um die gleichen Flüge bemüht, muss 2566 Euro überweisen – ein Plus von satten 289 Prozent!

Welche Zusatzkosten gibt es?

Neben der rechtzeitigen Buchung lässt sich bei Easyjet und Co. auch viel Geld beim Gepäck sparen. Ryanair wirbt zum Beispiel mit einem zweiten kostenlosen Handgepäckstück. Wer seinen Koffer aufgibt, muss bei den Iren pro Flug bis zu 15 Kilogramm Gewicht 15 Euro zahlen, bis zu 20 Kilogramm kostet das Gepäckstück 25 Euro. Bei Easyjet werden für einen Koffer bis zu einem Gewicht von 20 Kilogramm pro Flug 30 Euro fällig. Hinzu kommen Zusatzkosten für die Reservierung eines Sitzplatzes und fast immer Kreditkartengebühren. Gerade für die so genannten Billigflieger gilt: Je weniger Zusatzservice man in Anspruch nimmt, desto mehr Geld lässt sich sparen.