Winterhude. 6211 Teilnehmer schaffen einen Eintrag ins Guinnessbuch. Auch Gegner der Hamburger Olympiabewerbung bringen sich in Position.
Ganz am Ende nehmen sie die Kritiker im Stadtpark in die Mitte. Großer schwarzer Block umringt kleinen schwarzen Block. Der schwarze Ring besteht aus rund 1500 Olympiabefürwortern, Jungen und Alten, vielen Familien mit Kindern. Der kleine schwarze Block aus knapp 50 eher jüngeren Ringegegnern. „Olympia verhindern“, steht auf ihrem Spruchband. Auch dieses Bild wird um die Welt gehen: Hamburg ringt um Olympia. Mit Spaß und Fantasie, Musik und einer heiteren Gelassenheit.
Kurz zuvor hatten Tausende Hamburger für spektakuläre Bilder gesorgt. Sie hatten in einer einmaligen Choreografie die fünf farbigen Ringe gebildet. Waren zusammengekommen, auseinandergegangen und hatten sich auf Kommando wieder an ihre Plätze begeben. Sie ließen die Ringe kreisen, indem sie im Inneren eine Runde drehten. Und waberten, indem sie ein paar Schritte heraus und dann wieder in den Kreis hineingingen. Schließlich ging es nicht nur um eine eindrucksvolle Demonstration für die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 in Hamburg. Es ging auch um einen neuen Weltrekord.
Dafür war extra Marco Frigatti, 45, aus London eingeflogen worden. Der gelernte Dolmetscher aus Italien ist seit zwölf Jahren „Rekordrichter“ bei Guinness World Records. An seiner Seite steht Jörg Sabath. Der Wirtschaftsprüfer aus Hamburg muss die Zählung der Menschen überwachen. Jeweils zwei Helfer haben sich im Pressezelt in DIN-A4-Größe die Fotos von den fünf Ringen ausdrucken lassen und zählen jetzt die Köpfe. Einer zählt, der andere macht Striche. Und das insgesamt dreimal.
Um 12.38 Uhr lautet das Ergebnis der dritten Zählung: 6211 Menschen haben in Hamburg die fünf olympischen Ringe gebildet. „Neuer Weltrekord“, verkündet Marco Frigatti unter lautem Beifall. Der alte war 2012 in London aufgestellt worden, als dort 5963 Menschen die Ringe gebildet hatten. Später wird diese Zahl weiter nach oben korrigiert. „Es waren wohl eher 8000 Menschen in den Kreisen“, sagt Mitorganisator Sebastian Drechsler. Insgesamt seien mehr als 10.000 Menschen im Stadtpark gewesen, die Polizei spricht sogar von rund 13.000 Teilnehmern.
Nicht mitgezählt wurden beim Weltrekord-Versuch rund 200 Teilnehmer, die sich weiße Regenponchos übergestreift hatten. Die Idee dazu hatten die kreativen Köpfe des Stadtpark-Events, Gerrit und Frederik Braun, bereits Tage zuvor gefasst. Als launige Antwort auf die dann tatsächlich eintretende Aktion von rund 50 Olympiagegnern. Diese hatten mit weißem Papier ein großes „NO“ auf die Stadtparkwiese gesteckt. Flugs setzten die weiß gekleideten Olympiafans ein großes „W“ dahinter. Und so ging das Bild „NOW Olympia“ um die Welt.
Aber es ging nicht nur um Bilder. „Wenn man Olympische Spiele für die Stadt als große Zukunftschance sieht, dann sollte man das auch demonstrieren“, sagt Teilnehmer Stefan. Deshalb ist er gekommen. Wie die meisten Teilnehmer hat er aber auch viel Verständnis für die Kritiker. „Ihre Argumente sollte man ernst nehmen.“ Das tun auch die Brüder Braun, aber von den Gegnern will keiner mit ihnen reden.
Kommentar: Gelungenes Spektakel lässt für Olympia hoffen
Erst der Olympiaskeptiker Mike traut sich dann vor Mikrofon und Kamera. „Ich will hier eure Aktion nicht kaputt machen“, sagt er, „aber ich mache mir ernsthaft Sorgen, dass Olympia für steigende Mieten und mehr Überwachung in der Stadt sorgen könnte.“ Das entspreche aber nicht den Tatsachen, entgegnet Werbekaufmann Christof. Er hat sich einen grünen Regenponcho übergestreift. „Je mehr Wohnungen gebaut werden, desto günstiger werden die Mieten sein. Nur bei knappen Gütern steigt der Preis.“ So funtioniere nun einmal Marktwirtschaft. Jan-Philip ist mit seinen Eltern und Großeltern gekommen. Der junge HSV-Fan sitzt im Rollstuhl. „Er wurde mit einem offenen Rücken, einer Fehlbildung der Wirbelsäule geboren“, sagt seine Mutter. Hamburg tue schon viel für Barrierefreiheit, sagt sie, aber durch die Paralympics würden diese Bemühungen sicherlich noch einmal eine ganz andere Wucht bekommen.
Am Rande haben sich zwei Aktivisten von „Polympia 2024“ aufgestellt. Sie sind für das „totale Sportevent“ in Hamburg. „Wir wollen alles gleichzeitig: Sommer- und Winterspiele, Fußball- und Schach-WM, Superbowl und Daviscup und als neue Disziplinen Eierlaufen und Verstecken.“ Bloß keine halben Sachen.
Das ist so ganz nach dem Geschmack der Braun-Brüder und der meisten Teilnehmer. Hauptsache, nicht den Spaß verlieren. Und weiter groß denken. „Vielen Dank an euch alle. Ich glaube, wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagt Frederik Braun.