Winterhude. Die Make-up-Artistin Serena Goldenbaum betreibt eine Schmink-Schule in Winterhude. Auch Promis gehören zu ihren Kunden.
Nicht zu sehr anmalen solle man sich, warnte die Mutter. „Bloß nicht zukleistern!“, rief die Tante. Entgeisterte Blicke des Vaters in der experimentellen Phase des Heranwachsens, als blauer Lidschatten – großzügig und flächig aufgetragen – nicht nur die Eltern schocken, sondern als Nebeneffekt die Jungs anlocken sollte. Jedenfalls mit 15 Jahren in einer beschaulichen Kleinstadt. Sich ausprobieren, älter Schminken, Lippenstift auftragen, das gehörte früher einfach dazu.
„Früher?“, fragt Serena Goldenbaum, „ das ist doch heute noch genauso!“ Sie lacht laut auf. „Erst gerade rief mich eine leicht verzweifelte Mutter an, die fragte, ob ich auch Teenagern beibringen könne, sich angemessen zu schminken.“ Kann sie. Und wie. Goldenbaums Beruf und Berufung ist das Verschönern. Sie ist gelernte Friseurin und Make-up-Artistin, eine Künstlerin mit Puderpinsel und Concealer. Seit dreißig Jahren arbeitet sie auf der ganzen Welt, an den Hotspots dieser Erde, an Stränden, in Fotostudios, hinter Laufstegen, bei Modeproduktionen.
Sie begleitete gerade erst Helene Fischer auf ihrer sechswöchigen Europa-Tournee, schminkte Sylvie Meis, die damals noch van der Vaart hieß und gegen den Brustkrebs kämpfte, zauberte bei Fotoproduktionen das Make-up von Weltstars wie Heidi Klum, Claudia Schiffer, Eva Herzigová, Waris Dirie, Eva Padberg oder Gitte Hænning. Während ihrer Arbeit ist sie den Stars nah wie sonst keiner, schaut ihnen direkt in die Gesichter. „Ich mag ungeschminkte Frauen besonders gern, aber für mein Gegenüber ist es oft gar nicht einfach, sich so pur zu zeigen“, sagt Goldenbaum. Das sei bei prominenten Menschen nicht anders als bei allen „normalen“.
Trotzdem ist es Goldenbaum wichtig, ihr Gegenüber nicht zu überschminken. Auch, wenn das Make-up eine dreistündige Bühnenshow überstehen muss wie im Fall von Helene Fischer. In diesem Fall nahm dann auch das Schminken selbst einige Stunden in Anspruch: Wenn die Show um 19 Uhr startete, legte Goldenbaum um 15 Uhr los. Allerdings mit Unterbrechungen. Nach der Grundierung, mit der das Make-up vorbereitet wird, machte Helene Fischer erstmal Dehnübungen. Waren die Haare eingedreht, ging es noch mal zum Soundcheck.
Doch bis Goldenbaum an den Wangenknochen von Helene Fischer arbeiten konnte, war es ein längerer Weg, der ungewöhnlich begann. „Meinem Vater gehört das Varieté Pulverfass, da bin ich quasi aufgewachsen und habe alles gesehen: Wie sich Männer mit Hilfe von falschen Wimpern, Perücken, Haarteilen, Klamotten und Schminke in Frauen verwandeln, wie sich dadurch auch ihr Gang, ihr Verhalten, ihre Ausstrahlung verändert hat“, sagt Goldenbaum.
Seitdem war der heute 49-Jährigen klar, dass sie Make-up-Artistin werden wollte. Was der Handelskammer Hamburg damals jedoch noch kein Begriff war. Nach ihrer Lehre ging sie deshalb nach London und ließ sich weiter ausbilden. Lernte, wie man asiatische Augenformen schminkt, welches Make-up auf dunkler Haut Sinn macht. „Diese Vielfalt fand ich unheimlich spannend“, sagt sie und streicht über ihr dunkelblaues Kleid, das ihre weibliche Figur an den richtigen Stellen betont.
Doch erst einmal kamen magere Jahre, Goldenbaum erzählt von Madrid, wo sie anderen Visagisten nur assistierte. Doch irgendwann war der Zufall auf ihrer Seite: es war viel zu tun, jemand viel aus, Goldenbaum durfte alleine am Model arbeiten. Ihre deutsche Mentalität kam sofort gut an. „Ich war pünktlich, hatte sauberes Equipment und war zuverlässig.“ Zudem überzeugten ihre einfühlsame Art und ihr Arbeits-Stil: „die Natürlichkeit herauszuarbeiten“. Denn: „Ich will die Frau nicht kaputt schminken, sondern ihrem Leben, ihrem Job und ihrer gewünschten Wirkung angemessen.“
In ihrer Schmink-Schule in einem verwunschenen Hinterhof in der Mozartstraße hat die Mutter eines erwachsenen Sohnes deshalb alle Hände voll zu tun. Wann immer sie in Deutschland ist, gibt sie Beauty-Seminare – mit unterschiedlichen Themen. „40 plus“, zum Beispiel. „Da sitzen hier dann sechs Frauen zwischen 40 und 80 Jahren und wir arbeiten ihre Vorzüge heraus“, sagt Goldenbaum. „Und ich zeige ihnen, wie sie sich schminken können und dabei natürlich aussehen.“ Unter ihren Kunden sind eine Pastoren-Gattin, eine Managerin, eine Politikerin aus Berlin, eine Rentnerin aus Köln, Mutter-Tochter-Gespanne, Bräute.
Alle sind Goldenbaum willkommen, denn fast missionarisch erzählt sie davon, wie sich Frauen verändern, eine andere Haltung einnehmen und mehr von innen strahlen, wenn sie sich auch äußerlich wohlfühlen. Ein abgestimmtes Make-up helfe dabei ungemein. Den Vorwurf, ihre Welt sei eine oberflächliche, wischt sie mit einer Handbewegung weg. „Wenn man sich um seine äußere Hülle kümmert, ist das doch kein Zeichen von Beschränktheit“, sagt Goldenbaum. Für sie sei das alles nicht oberflächlich, sondern habe einen tiefen, inneren Bezug. Die Frauen – und übrigens auch Männer – die zu ihr kämen, würden zum Teil mit ihren Schwachstellen hadern. Bei Goldenbaum bekommen sie nicht nur Pinselstriche beigebracht – sondern auch ein neues Selbstbewusstsein.