Fuhlsbüttel. In der Fuhlsbüttler Bäckerei werden Backwaren wie vor 60 Jahren von Hand gemacht. Dafür stehen die Kunden sogar Schlange.

Die Nächte durchzumachen hat Heiko Fehrs vielleicht in Wacken gelernt. Damals, gehörte er Anfang der 90er-Jahre zu den ersten Gästen des inzwischen legendären Open-Air-Festivals. Er feiert zwar immer noch gern, die meisten Nächte verbringt Heiko Fehrs aber nicht mehr mit Headbanging und Bier aus Plastikbechern, sondern in der Backstube seiner Bäckerei in Fuhlsbüttel. Wenn er nachts um eins oder zwei nach wenigen Stunden Schlaf aufgestanden ist und bis morgens um acht Uhr gearbeitet hat, zeigt er immer noch keine Anzeichen von Müdigkeit. Denn dann kommen die ersten Kunden des Café Luise, und die wollen den Bäckermeister Fehrs begrüßen, kurz klönen und vielleicht die eine oder andere Frage stellen zu den preisgekrönten Franzbrötchen oder des Bäckers aktueller Lieblings-Entdeckung, dem oberschwäbischen Netzbrot.

Heiko Fehrs führt seit 2008 das Café Luise. Auf, wie er sagt, Hamburgs zweitkleinster Produktionsfläche backen er und seine Kollegen „wie vor 60 Jahren“, im Steinofen, alles wird von Hand gemacht. Der Ofen befindet sich, ganz kommunikationsfreundlich, aber eigentlich aus Platzgründen, im Verkaufsraum. Gerade wegen dieses Konzepts stehen die Kunden – die meisten von ihnen werden von dem Barmbeker persönlich begrüßt und beim Vornamen genannt – am Wochenende Schlange vor dem kleinen Laden am Erdkampsweg.

Das Café Luise ist nach Fehrs sieben Jahre alter Tochter benannt und nach seiner Großmutter. Auch in diesem Punkt will sich Fehrs von anderen abheben: „Wir wollten nicht ,Bäckerei soundso’ heißen. Der Name soll persönlich sein.“ Er führt das Geschäft gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Marta Krzysztof. Die 32-Jährige beginnt ihre Arbeit im Café Luise morgens, zum Schichtende ihres Mannes. Sie verkauft, kümmert sich um Mitarbeiter und Kunden. Heiko Fehrs sieht die Aufteilung so: „Marta ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, und ich bin dieser Typ im Hintergrund.“

Davon, was im Vordergrund passieren soll, hat Heiko Fehrs aber genaue Vorstellungen. „Das Café Luise soll eine echte Bäckerei sein, wie es sie in Frankreich und Italien noch gibt, und wie es sie bei uns vor 40 Jahren gab. Ein persönlicher Ort, an dem man auch einfach mal gemütlich eine Stunde Zeitung lesen kann.“ Bloß keine Schnell­lebigkeit. Auf das, was manche internationale Kette auszeichnet, für die Fehrs auch schon als Produktionsleiter und Manager gearbeitet hat, kann er mittlerweile verzichten. Jetzt steht er wieder selbst in der Backstube, verfolgt seine Idee von der Wiederbelebung des guten alten Handwerks und ist mit seiner mehlbestäubten, kleinkarierten Hose und dem Hemd mit der „100-Prozent-Bäcker“-Aufschrift sofort als einer erkenntlich, der für Tradition stehen will. Oder: „Heiko ist einfach für den Job geboren“, wie seine Freundin Marta sagt, die früher in England in der Großküche eines Hotels gearbeitet hat. „Mit Backen hatte ich gar nichts zu tun. Inzwischen habe ich mich in diese Arbeit verliebt.“

Nur drei Jahre nach der Eröffnung erweiterte das Paar die Bäckerei

Fehrs ist es augenscheinlich gelungen, mit seiner Idee die Menschen in seiner Umgebung abzuholen. Die Kunden wurden mit den Jahren immer mehr. Dass es nicht unpersönlicher wurde, dürfte auch der Lage der Bäckerei geschuldet sein. Am viel befahrenen Erdkampsweg mitten in Fuhlsbüttel kommen keine Touristen vorbei, viele Käufer sind Stammkunden. „Wir sind wie eine Familie, die Bäckerei ist unser zweites Zuhause“, sagt Marta ­Krzysztof. 22 Mitarbeiter beschäftigen sie und ihr Partner inzwischen, 2011 vergrößerte das Paar sein Geschäft, machte aus dem Laden neben dem Café Luise die „gute Stube“, ein Café mit Kuchen und Mittagstisch. „Nach so kurzer Zeit zu erweitern war eigentlich Harakiri“, sagt Fehrs, dessen Geschäft diese rasche Erweiterung aber offensichtlich nicht geschadet hat. Im Gegenteil, die Arbeit nimmt so viel Zeit ein, dass Fehrs und seine Freundin ihre Freizeit gut einteilen müssen. Geschlafen wird auch dann eher nicht.

„Wir feiern gern mit Freunden oder kochen zusammen“, sagt der Bäckermeister, der gern auch mal wieder Motorrad fahren würde – aber dazu fehlt dann doch die Zeit. Marta Krzysz­tof liegt gern einfach mal auf dem Sofa und ruht sich aus. „Wie im Job auch: Wir haben unterschiedliche Stärken und teilen uns die Aufgaben“, sagt die gelernte Psychopädagogin lachend. Im Urlaub ist es dann umgekehrt: Fehrs will am Strand liegen, seine Partnerin geht lieber wandern. Aber der Urlaub ist im Moment noch in der Planung.

Zunächst beginnt ein neuer Tag im Café Luise. Die Gastgeber zeigen noch die „gute Stube“, den Anbau, der über den Keller mit der Bäckerei verbunden ist.

Dann muss sich Marta Krzysztof wieder um die Gäste kümmern. Und der Typ im Hintergrund gestattet sich schließlich doch ein Gähnen.