Beim Baustopp für die 35 Millionen teure „Wichert Welt“ in Langenhorn spielte der frühere Bezirksamtsleiter von Nord, Mathias Frommann, als Anwalt der Anwohnerinitiative eine entscheidende Rolle.

Hamburg. Eigentlich müssten sich in dem mächtigen Rohbau die Bauarbeiter tummeln. Bis zum Herbst soll das 35-Millionen-Euro-Projekt fertig sein, das Auto Wichert an der Langenhorner Chaussee errichtet. Auf einem 16.000 Quadratmeter großen Grundstück an der Ecke Stockflethweg entstehen Norddeutschlands größtes Audi Terminal, ein Einkaufszentrum und ein Park-and-ride-Haus. Doch auf der Baustelle ruhen die Arbeiten. Baustopp. Das Verwaltungsgericht hatte am 1. April entschieden, dass der Widerspruch von Anwohnern gegen die vom Bezirk Nord erteilte Baugenehmigung eine „aufschiebende Wirkung“ habe.

Was geplant ist, ist schon gut zu erkennen: ein viergeschossiger, 21 Meter hoher Bau in L-Form mit einem 94 Meter langen Schenkel entlang der Langenhorner Chaussee und einem 100 Meter langem Gebäude parallel zur U-Bahn-Trasse. Hier wird eine Glasfassade den Blick auf die Verkaufsfläche (5000 Quadratmeter), die Neuwagen-Ausstellung (1550 Quadratmeter) und die Gebauchtwagen-Ausstellung (1220 Quadratmeter) freigeben, die sich teils in den oberen Etagen befinden werden.

In den unteren beiden Leveln liegt die „Wichert-Welt“, in die unter anderem Rewe, Budnikowsky, die Confiserie Paulsen sowie Arztpraxen und Büros einziehen. Im Untergeschoss sind die Werkstätten untergebracht – ebenfalls hinter Glas und vom U-Bahn-Bereich einsehbar. Das Richtfest für diesen Gebäudekomplex ist am vergangenen Donnerstag gefeiert worden, Baubeginn für das Park-and-ride-Haus soll in den nächsten drei Monaten sein. Dass Auto Wichert diese Anlage und Einkaufszentrum errichten muss, waren Vorgaben von Senat und Bezirk. Auch ein 720 Meter langer beleuchteter Fußweg gehört dazu, der vom U-Bahnhof Ochsenzoll zum Fossberger Moor führen soll.

Anwalt mit pikanter Vergangenheit

Doch warum der Baustopp? Wie berichtet, können Audi-Zentrum, „Wichert-Welt“ und Park-and-ride-Haus nur über eine Stichstraße erreicht werden. Weil der hier entstehende Verkehrslärm in einem Gutachten nicht berücksichtigt worden war, hatte das Verwaltungsgericht entschieden, dass die vom Bezirksamt am 7. Dezember 2012 erteilte Baugenehmigung vorerst nicht umgesetzt werden darf. Erreicht hatten das Karin und Alfred S., die mit ihrer Tochter und deren Familie gegenüber der Stichstraßen-Einmündung wohnen. Sie hatten im Januar 2013 gegen die Baugenehmigung Widerspruch eingelegt. Pikant: Ihr Rechtsanwalt ist Mathias Frommann, von 1996 bis 2008 Bezirksamtsleiter von Nord. In seiner Amtszeit hatten die Planungen für den Wichert-Bau begonnen. Als das Bezirksamt bis Juni letzten Jahres weder auf den Widerspruch der Familie S. noch auf 400 eingereichte Unterschriften gegen das Projekt reagierte, verklagte Frommann seine früheren Mitarbeiter wegen Untätigkeit.

Bereits im September 2013 beantragte Familie S. beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Auch das Gericht ließ sich also Zeit mit seiner Entscheidung. „Für uns bedeutet der Beschluss, dass wir erneut das Gespräch mit den Nachbarn suchen werden und uns bemühen, mit den Klägern vor dem Verwaltungsgericht eine einvernehmliche Lösung zu finden“, sagt Wichert-Geschäftsführer Bernd Glathe.

Die Initiative Stockflethweg hat eine Online-Petition an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verfasst und in den ersten Tagen mehr als 440 Unterschriften erhalten (benötigt werden 5000). „Wir fordern von der Wirtschafts- und Verkehrsbehörde sowie der Senatskommission ein Einlenken hinsichtlich Standort, Höhe und Anbindung der P+R-Anlage sowie der Erschließung der restlichen Wichert-Welt“, so Sprecherin Karen Wilbrandt. Ansonsten würde der gesamte zusätzliche Verkehr komplett im Stockflethweg stattfinden.

Doch: Eine Verlagerung der Anlage mit 327 Stellplätzen ist unwahrscheinlich. „Die P+R-Häuser in der Umgebung sind bereits alle ausgelastet. Wir sind froh, dass wir überhaupt einen Platz gefunden haben“, sagt Jens Lang, Geschäftsführer der P+R-Betriebsgesellschaft, die das Parkhaus mieten wird.