Neue Hoffnung für Mieter der Hegestraße. Die Baugenehmigung für den Eigentümer soll aufgehoben werden. Die Wende im Konflikt steht in Zusammenhang mit einem Urteil des Hamburger Amtsgerichts.
Hamburg. Der Streit um die Wohnungen an der Hegestraße 46 erfährt eine spektakuläre Wende: Der Leiter des Bezirksamts Nord, Harald Rösler (SPD), hat ein Verfahren zur Aufhebung der Baugenehmigung für den Investor „GbR Hegestraße 44-48“ eingeleitet.
Die Firma will in dem vernachlässigten Gebäudekomplex am Isebekkandal 24 Eigentumswohnungen bauen. Das Bezirksamt hatte dafür im Juni 2012 eine Baugenehmigung erteilt. Daraufhin hatte der Investor allen Mietern gekündigt. Derzeit leben noch acht Mieterinnen und Mieter an der Hegestraße 46. Sie wollen bleiben.
Die Wende im Konflikt steht in Zusammenhang mit einem Urteil des Hamburger Amtsgerichts. Das Gericht hatte in der vergangenen Woche die Räumungsklage gegen eine Mieterin der Hegestraße 46 abgewiesen, weil der Investor zum Zeitpunkt der Kündigungen nicht die dafür nötigen Genehmigungen hatte. Es fehlte eine Zweckentfremdungsgenehmigung, um die Gebäude für ein Bauvorhaben leer stehen zu lassen. Aber das Gericht erklärte darüber hinaus, dass eine Genehmigung für den Leerstand zu wenig wäre. Denn nach Auffassung des Gerichts sind die geplanten Maßnahmen als Abbruch zu bewerten – und dafür hat der Investor keine Genehmigungen. Damit stellte sich das Gericht gegen das Bezirksamt: Röslers Behörde war nämlich wie der Investor lange der Auffassung, dass es sich beim Bauvorhaben um eine Sanierung handelt. Jetzt hat das Bezirksamt den Antrag noch einmal geprüft – und ist offenbar zu einer anderen Meinung gekommen. „Eine erneute und vertiefte Überprüfung der Unterlagen und der Abgleich mit einem mittlerweile vorliegenden Verwertungsgutachten haben konkrete Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die Antragsunterlagen, auf denen die Baugenehmigung basiert, widersprüchliche Angaben enthalten“, sagte Bezirksamtschef Harald Rösler. „Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Baugenehmigung fehlerhaft ist.“ Jetzt soll der Investor vom Bezirksamt angehört werden.
Das Bezirksamt wurde erst auf öffentlichen Druck hin aktiv
Der Fall Hegestraße ist ein Desaster für das Bezirksamt. Zum einen, weil es die Baugenehmigung gegeben hat, und zwar im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Rösler: „In diesem vereinfachten Verfahren sind die vorgeschriebenen Prüfungen weniger tiefgreifend.“ Zum anderen hat der Fall auch eine politische Dimension: Im Bauausschuss der Bezirksversammlung landete das umstrittene Projekt erst, nachdem es massive Proteste der Anwohner der Hegestraße und ihrer Unterstützer gegeben hatte. Und auch der Bauausschuss hat nicht viel mit Transparenz zu tun – er tagt geheim.
Dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Zweckentfremdungsgenehmigung fehlte, war nicht etwa dem Investor aufgefallen, sondern dem Bezirksamt, in diesem Frühjahr. Nachdem der Investor seinen Antrag gestellt hatte, wurde die Genehmigung im Hauruck-Verfahren erteilt. Nicht nur deshalb sind die Mieter der Hegestraße 46 davon überzeugt, dass Bezirksamt und Investor gemeinsame Sache machen.
Die Mieter werfen dem Investor vor, dass er ihnen das Wohnen zur Hölle gemacht habe – um sie aus der Wohnanlage zu vertreiben. Leer stehende Wohnungen seien unbewohnbar gemacht worden, Mängel in den Wohnungen der Mieter nicht behoben worden. Das sieht nach „Entmieten“ aus, es ist illegal. Der Investor streitet die Vorwürfe ab.
Für den Wohnraumschutz ist das Bezirksamt zuständig – es hat jahrelang nichts gegen den immer größeren Leerstand an der Hegestraße unternommen. Auch nachdem das Amt 2012 offiziell den Leerstand feststellte, passierte nichts. Die Beamten glaubten dem „schlüssigen Vortrag“ des Investors, wonach er die Wohnungen nicht illegal leer stehen lasse. Das Bezirksamt Nord leitete erst Ermittlungen wegen der Entmietungs-Vorwürfe ein, nachdem das Abendblatt über den Fall berichtet hatte.
Die Unterstützer der Mieter der Hegestraße glauben fest daran, dass der Entzug der Baugenehmigung kommt. Die Anwältin der Mieter, Anke Niehaus, sieht gute Chancen, dass die Mieter dann an der Hegestraße 46 bleiben können. „Den Kündigungen wäre durch einen Entzug der Baugenehmigung jede Grundlage entzogen“, sagte sie. Michael Werner-Boelz, Chef der Grünen-Bezirksfraktion sagte: „Wir interpretieren die Entscheidung des Bezirksamtes als ein deutliches politisches Signal an die Wohnungswirtschaft und an Investoren, dass auf dem Wohnungsmarkt nicht alles machbar ist.“