An der Adolph-Schönfelder-Schule mussten sich Kinder gegen ihren Willen für ein digitales Bezahlsystem anmelden. Was denken Sie? Stimmen Sie ab!

Hamburg. Die Datenschutzprobleme mit dem Fingerabdruck-Bezahlsystem an der Adolph-Schönfelder-Grundschule sorgen in Hamburg für Aufregung und Debatten. Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar meldete sich im Abendblatt zu Wort: "Da nach unseren Erkenntnissen biometrische Daten ohne Einwilligung der Eltern erhoben wurden, wird derzeit geprüft, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. Es gilt dabei, zunächst zu bestimmen, ob Hamburg oder Schleswig-Holstein für das Verfahren zuständig ist", so Caspar.

„Grundsätzlich ist ein solches Verfahren bei Schülerinnen und Schülern aus pädagogischer Sicht kritisch zu sehen. Es könnte schon in jungen Jahren durch die alltägliche Verwendung der biometrischen Daten ein Gewöhnungseffekt und ein Gefühl der Normalität entstehen. Das könnte dazu führen, dass Kinder und Jugendliche ihre unveränderlichen, biometrischen Daten und damit einen Teil ihrer Identität unkritisch immer dann preisgeben, wenn es gefordert wird.“

Auch Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, kann nachvollziehen, dass es auf Seiten der Eltern Sorgen gibt. Für die Schulbehörde ist klar: Es muss für Eltern und Schüler die Wahlfreiheit geben, ob sie sich bei der Essensausgabe mit dem Fingerprint-System oder mit alternativen Verfahren ausweisen - also etwa Chipkarten.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass einige Kinder an der Adolph-Schönfelder-Grundschule ihr Mittagessen nur gegen Fingerabdruck erhielten, obwohl sie sich für eine Karte entschieden haben. In Hamburg funktioniert die Essensausgabe in den Kantinen von rund 16 Schulen mit dem Fingerprint-System. Die Firma, die das System betreut, hat den Fehler eingestanden.

Elternkammer: „Das geht gar nicht“

Entrüstet reagierte die Elternkammer Hamburg: "Was an der Adolph-Schönfelder-Schule gelaufen ist, geht gar nicht", sagt der Vorsitzende Gerrit Petrich. Das sei gegen den Elternwillen gerichtet gewesen und im Übrigen nicht das erste Mal, dass dies an der Schule geschehe. "Der Elternwille ist zu respektieren. Es muss für diejenigen, die nicht das Fingerprint-System nutzen möchten, einen anderen diskriminierungsfreien Zugang zum Mittagessen geben", fordert Petrich. Kurz: Die Eltern müssen auswählen dürfen.

Unter diesen Bedingungen habe er als Elternkammer-Vorsitzender kein Problem mit dem Fingerprint-System. Er persönlich würde das Verfahren als Vater allerdings nicht für sein Kind wählen. "Ich möchte nicht, dass der Fingerabdruck meines Kindes bei einem Caterer landet", sagt er.

Auch die CDU äußerte sich kritisch. „Hamburgs Eltern sind zu Recht empört. Es ist völlig inakzeptabel, dass Kinder unter Druck gesetzt wurden und nur dann ein Mittagessen in der Schule erhielten, wenn sie ihren Fingerabdruck abgegeben haben, mit oder ohne Einwilligung von Eltern. Das Abrechnungsverfahren der Caterer, die Hamburgs Schulen mit Essen beliefern, ist grundsätzlich fragwürdig“, so Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Wir fordern den SPD-Senat auf, das Bezahlsystem sofort zu ändern.“

IT-Verantwortlicher: Verfahren ist unbedenklich

Das verantwortliche Elmshorner Unternehmen People & Projects IT GmbH übernimmt nach eigenen Angaben für 140 bis 150 Schulen die Abrechnung. In einem Brief an die Adolph-Schönfelder-Schule hieß es: „An ihrer Schule verlief das Einlesen der Fingerprints für die künftige Essensausgabe turbulent. Im Eifer des Gefechts sind Fehler passiert.“ Grundsätzlich aber seien diese Systeme im Vorfeld bei mehreren Elternabenden vorgestellt worden, sagt Unternehmenssprecher Philip Tonne.

People & Projects habe vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein in Kiel bestätigt bekommen, dass das Verfahren datenschutzrechtlich unbedenklich sei.

Ein Blick in das Gutachten zeigt jedoch, dass sich dieses zwar auf den Umgang mit Daten in der Schulmensa-Verwaltung insgesamt bezieht, das Fingerprintverfahren aber außen vor lässt. So heißt es in dem entsprechenden Dokument: „Nicht Teil der Begutachtung ist das Fingerprintverfahren sowie das RFID-Verfahren“.

RFID heißt, dass mit einem modernen Chip bezahlt werden kann. „Generell bewerten wir den Umgang mit Daten, nicht aber, auf welche Art diese erhoben werden. Ob ein zertifiziertes System korrekt eingesetzt wird, können wir nicht im Voraus überprüfen“, so Henry Krasemann vom Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, Leiter des Referats Gütesiegel. Er hält ein Fingerprint-System für grundsätzlich zulässig. „Es muss aber wahlfrei bleiben.“

In einem Werbefilm auf der Internet-Seite des Unternehmens ist von einem "Ausweis ohne Bedenken" die Rede. Der Fingerprint sei kein Fingerabdruck. Für die Wiedererkennung würden sechs individuelle Koordinaten des Fingers genommen. Diese Daten würden getrennt voneinander und nicht verbindbar gespeichert.

Unterdessen äußerte sich auch SPD-Netzexpertin Gesche Joost, die derzeit auf Wahlkampf-Besuch in Hamburg ist. „Das Unbehagen an diesem Verfahren entsteht dadurch, dass hier der Körper selbst zum Datenträger wird. Die Technologie geht allerdings in diese Richtung. Das lässt sich auch nicht aufhalten. Wichtig ist auch hier der sensible Umgang mit den erhobenen Daten."