In Barmbek gibt es besonders viele Vorbereitungsklassen. Dort lernen Einwandererkinder, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden.

Hamburg. Als Hata aus Mazedonien in die Vorbereitungsklasse an der Stadtteilschule Barmbek kam, sprach sie kaum ein Wort Deutsch. Die Elfjährige war mit ihrer Familie aus Mazedonien geflohen, wo sie als Roma verfolgt wurden. In Deutschland angekommen, waren Hata und ihre Familie zunächst einmal ziemlich orientierungslos. Klar war: Hata musste in die Schule gehen. Um sie für den Unterricht anzumelden, wandte die Familie sich an die Schulbehörde – und die ordnete das Mädchen einer Vorbereitungsklasse zu.

Vorbereitungsklassen – kurz VKs – sind spezielle Klassen für Kinder, die noch kaum Deutsch sprechen. Ein Jahr lang besuchen Einwandererkinder solche VKs zur Vorbereitung auf den regulären Unterricht. Ob sie eine VK besuchen müssen oder direkt am regulären Unterricht teilnehmen können, wird mit einem Eingangstest festgestellt. Erst nach dem Besuch der VK kommen die Schüler in eine sogenannte Regelklasse. Und bereits ein Jahr nach ihrer Ankunft in Deutschland sprach Hata fast akzentfrei Deutsch, erzählt VK-Lehrerin Sinje Waldschmidt, die Hata während des Vorbereitungsjahres begleitet hat.

Erfolgsgeschichten wie diese ereignen sich in vielen Vorbereitungsklassen. Hier lernen die Kinder nicht nur die Sprache: „Wir wollen die Schüler integrieren und ihnen helfen, sich in Deutschland zu orientieren“, sagt Silke Barkowski, kommissarische Abteilungsleiterin der Stadtteilschule Barmbek am Standort Fraenkelstraße. In Hamburg gibt es 71 solcher Klassen; an der Stadtteilschule Barmbek mit sieben VKs so viele wie an keinem anderen Hamburger Standort.

Bei der Zuweisung an die verschiedenen VK-Standorte achten die Mitarbeiter der Schulbehörde darauf, dass die Schüler möglichst kurze Fahrtwege haben. Da Barmbek zentral gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmittel gut erreichbar ist, kommen die Schüler aus den unterschiedlichsten Teilen der Stadt: von Volksdorf über Harburg bis nach Billstedt. Die jüngsten kommen in sogenannte „ABC-Klassen“, die ältesten in die zehnte Klasse. Sie kommen aus Ländern wie Ghana, Iran oder Mazedonien, auf der Flucht vor Armut, Gewalt, Verfolgung oder Krieg.

+++++Sie lebt das Vorbild: Die Hamburger Integrationsfigur+++++

Seit einem Jahr ist Sinje Waldschmidt die Klassenlehrerin an der Stadtteilschule Barmbek, Standort Fraenkelstraße. Sie unterrichtet die jahrgangsübergreifende VK der Stufen 5/6 in den Fächern Deutsch, Ethik, Kunst sowie Gesellschaft. „Ich habe meine Entscheidung für die Stelle nie bereut – im Gegenteil. Aber ein Sprung ins kalte Wasser war es schon“, sagt sie. Die 28-Jährige musste lernen, den Unterricht für Kinder zu konzipieren, von denen manche kein Wort Deutsch sprechen oder noch nie eine Schule von innen gesehen haben.

Aktuell hilft die junge Lehrerin 15 Kindern bei der Orientierung in der neuen Heimat. Manche der Schüler seien stark traumatisiert. Das zeige sich auch in alltäglichen Situationen: „Wenn ein Flugzeug tief fliegt oder eine Tür knallt, zucken viele zusammen“, sagt Waldschmidt. „Zwei Kinder sind neun Monate lang allein von Afghanistan nach Deutschland geflohen“, erzählt sie. Solche Erlebnisse hinterließen natürlich ihre Spuren.

Frontaler Unterricht sei kaum möglich, weil jeder Schüler auf einem anderen Leistungsniveau steht, sagt Sinje Waldschmidt. Sie versuche, mit individuellen Arbeitsmaterialien allen gerecht zu werden.

Peter Albrecht von der Hamburger Schulbehörde geht davon aus, dass Plätze in Vorbereitungsklassen in der nächsten Zeit noch stärker nachgefragt werden. Angesichts der wirtschaftlichen Situation zum Beispiel in Griechenland und auch Portugal sowie angesichts der politischen Verhältnisse in einigen arabischen und afrikanischen Ländern sei zu vermuten, dass weiterhin und zunehmend Menschen ihr Heimatland verlassen werden, so Albrecht. Somit werde voraussichtlich auch die Zahl der Kinder ohne deutsche Sprachkenntnisse in Hamburg ansteigen.

Als Lehrerin einer VK unterrichtet Sinje Waldschmidt nicht nur. Sie hilft den Kindern und ihren Familien auch mit Unterlagen von Behörden. In vielen Fällen gewährten die Behörden nur vorübergehend Asyl, so Waldschmidt. „Ein Kind wurde mitten in der Nacht von der Polizei aus dem Bett geholt und in ein Flugzeug gesetzt, das hat mich völlig aus der Bahn geworfen“, erzählt die Lehrerin.

Ereignisse wie dieses beschäftigen sie unweigerlich auch nach Feierabend. „Manchmal ist es sehr deprimierend, hilflos zusehen zu müssen, wie schwer es die Kinder haben“, sagt sie. Aber Sinje Waldschmidt will trotzdem nicht aufgeben: „Die Kinder sind so dankbar für jede Hilfe ihrer Lehrer. Daraus ziehe ich die Kraft, weiterzumachen.“

Und über kleine Erfolge kann sie sich bei ihrer Arbeit immer wieder freuen, sagt Sinje Waldschmidt: Vor ein paar Wochen erklärte die elfjährige Hata den anderen Kindern zum Beispiel, man sage nicht „Schemie“, sondern „Chemie“.

(abendblatt.de)