Hinter hohen Mauern in Ohlsdorf liegt eine der weltweit berühmtesten Haftanstalten: die JVA Fuhlsbüttel, “Santa Fu“. Das Abendblatt stellt sie vor.

Hinter hohen Mauern, im Stadtteil Ohlsdorf, liegt eine der weltweit berühmtesten Haftanstalten: die JVA Fuhlsbüttel, besser bekannt als "Santa Fu". Hier leben die schweren Jungs, zu langen Haftstrafen verurteilte Straftäter. Logisch, dass hinter den Stahltüren andere Regeln herrschen als draußen. Die 291 Mitarbeiter bewältigen ihren Alltag gelassen, oft sogar mit Humor.

Der Bürgermeister

"Santa Fu, das ist schon ein Schwergewicht", sagt Andreas Gross. Der Mann mit der Nickelbrille leitet die sagenumwobene Justizvollzugsanstalt seit 2006. Er führt einen Betrieb, in dem verurteilte Terrorhelfer die Rabatten harken und die Erbsensuppe schon mal von Mörderhand ausgeschenkt wird, in dem es (derzeit) mehr Mitarbeiter als Inhaftierte gibt, auch weil in Santa Fu die schwersten Kaliber sitzen. Die "Jungs", wie die Mitarbeiter die Gefangenen nennen, sind zu Haftstrafen von mehr als drei Jahren verurteilt worden: Sie haben geschossen, erpresst, entführt, vergewaltigt. Es sind Männer, die nicht selten mit dem Leben abgeschlossen und nichts mehr zu verlieren haben.

"Googeln sie mal 'Santa Fu'", sagt Andreas Gross. "Da sehen Sie, dass wir in der ganzen Welt bekannt sind." Der Ruf, der dieser berühmtesten unter den 170 deutschen Haftanstalten vorauseilt, fußt auf Meutereien, Gefangenen-befreiungen und Zuständen wie im schlechten Film. Rund 700 Gefangene gab es früher, heute sind es knapp 260. Damals hatten alle gemeinsam Hofgang. Dabei galt das Recht des Stärkeren. Es war ein Hauen und Stechen.

Heute läuft es ruhiger ab. Sehr zur Freude des Chefs. Das, so glaubt Gross, liegt vor allem an den Mitarbeitern: "Egal auf welcher Station und in welchem Rang: Die Ideen, die hier geboren werden, sind einfach großartig." Gross versucht, so sagt er, ihr Selbstbewusstsein noch weiter zu stärken, auch Ansprechpartner für Sorgen und Nöte zu sein. Und dies nicht ganz uneigennützig: "Ich bin vor dem Gesetz dafür verantwortlich, was hier passiert. Am Anfang habe ich schon mal schlecht geschlafen. Santa Fu zu führen ist, als wäre man Kapitän auf hoher See. Allerdings ist das hier kein Kreuzfahrtschiff, sondern wohl eher ein Großtanker voller gefährlicher Fracht." Mal eben ein Wendemanöver zu machen, das sei unmöglich, sagt Gross. Jede Entscheidung müsse langfristig durchdacht sein. Gross: "Schließlich geht es um Menschen. Mit den Gefangenen gehen wir so um, wie wir auch draußen mit unseren Mitbürgern umgehen." Die Vollzugsbeamten haben eine Vorbildfunktion, sagt Gross. Zum Resozialisierungsauftrag gehört es deshalb, dass jeder Insasse freundlich gegrüßt wird - egal, wegen welcher Straftat er einsitzt. "Die Mitarbeiter hier, ihre Menschenkenntnis und ihr Gespür für Situationen sind durch nichts zu ersetzen", sagt Gross. Ihr Problem ist eines, das er aus eigenem Erleben kennt: Der Ruf seines Berufsstandes ist schlecht. Gross: "Wenn JVA-Mitarbeiter ihren Job gut machen, interessiert es niemanden. Nur, wenn mal ein Gefangener ausbricht, stürzt sich die Öffentlichkeit auf sie." Gross selbst bekommt regelmäßig Krisen, wenn mal wieder ein Gefängnis-Chef in einem TV-Krimi auftaucht. "Fast immer sind das Sadisten, Nazis oder Drogendealer mit einem Aquarium im Büro." Und, nein, ein Aquarium habe er auch nicht.

+++ Das Gefängnis in Zahlen +++

Die Polizei

Es gibt sicherlich Mitarbeiter, die bei den "Jungs" beliebter sind als Thomas Wittenburg, 52. Als Leiter der Revisionsabteilung ist er verantwortlich für Haftraum-Durchsuchungen, für Leibesvisitationen, Strafmaßnahmen und das Aufspüren von Drogen und Waffen, die Angehörige über die Mauern zu werfen versuchen.

Dabei ist Wittenburg ein ebenso fröhlicher wie sympathischer Mann. "Unser Auftrag ist die Sicherheit", sagt Wittenburg. "Der Reiz an dieser Aufgabe ist, dass man es mit Kunden zu tun hat, deren kriminelle Energie sich mit nahezu unbegrenzter Kreativität paart. Und die Zeit zum Basteln haben." Wittenburg: "Es gibt begnadete Handwerker unter den Gefangenen. Leider haben sie ihre Potenziale in die falsche Richtung entwickelt." Sein Lieb-lingsstück ist eine kleine Haschpfeife aus Waschbecken-Rohren. Unvergessen sind zum Beispiel die manipulierten Konservendosen, in denen Wertgegenstände versteckt waren, ein Schrank mit Geheimfach hinter den Scharnieren, eine Waffe, die so gewitzt im Haftraum versteckt war, dass Mitarbeiter sie erst nach langem Suchen fanden. Und: Da war dieser Gefangene mit dem fotografischen Gedächtnis. Er prägte sich den Bart eines Schlüssels beim bloßen Angucken ein und machte ihn in der Zelle nach.

"Du erlebst jeden Tag was Neues", sagt Amtsinspektor Wittenburg. Seit 1981 ist er in Santa Fu. Auch wenn der Job nicht eben einfacher wird: Etwas anderes will er nicht machen. Die Detektivarbeit liegt ihm. Mindestens viermal wird jeder Haftraum im Jahr gründlich gefilzt. Gibt es Grund zur Annahme, ein Häftling horte verbotene Dinge, wird häufiger kontrolliert. Wie oft? "Die Grenze nach oben ist offen", sagt Wittenburg. "Und wir kommen gewiss nicht immer zur gleichen Zeit."

Die Klinik

"Wir sind wie ein Hausarzt. Nur besser", sagt der stellvertretende Ambulanzleiter in Santa Fu, Stephan Reck, und lächelt wie ein Lausbub. "Schließlich sind wir rund um die Uhr für die Patienten da. Welche Praxis draußen kann das schon bieten?"

Die Mitarbeiter der Ambulanz sind Justizvollzugsbedienstete in Weiß. Manchmal sind sie aber auch Seelentröster und Kummerkasten. "Ab und zu bekommen wir Post von Entlassenen. Sie schreiben uns, wie gut die Behandlung in der Anstalt doch war", sagt Reck. Gibt es einen Anruf von einer der Stationen, dann laufen die Sanis mit allem medizinisch Notwendigen los. Regelmäßig, Tag für Tag, schieben sie mit einem Medikamentenwagen durch die Flure und verteilen Pillen, Schmerz- und Hustenmittel. In der Revierstunde gibt's alles, was eben nötig ist. Reck: "Die meisten Medikamente müssen unter Aufsicht geschluckt werden, um Handel mit Arzneien zu vermeiden."

Waren früher Drogen wie Heroin und Kokain die heißeste Handelsware im Gefängnis, so sind es heute Tabletten. Wie auch außerhalb der Anstaltsmauern geht der Trend zum Pillenkonsum. Von den derzeit 254 Insassen sind 30 bis 35 aber auch Stammgäste in den wöchentlichen Arzt-Sprechstunden von Dr. Eva Sokolowska, der Chefin der kleinen Praxis, die nur von Männern besucht wird.

Sie gibt gern zu, dass sie zu Beginn ihrer Tätigkeit als Anstaltsärztin schon mal ein komisches Gefühl hatte. Heute weiß sie die Vorzüge ihrer Aufgabe zu schätzen: "Wissen Sie, ich habe noch Zeit für meine Patienten. Und diese Patienten brauchen meine Zeit. Jeder hier hat seine Probleme. Nicht unbedingt körperlich, aber psychisch. Sie sind oft sehr dankbar, wenn man ihnen zuhört und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Einige lügen aber auch das Blaue vom Himmel", weiß die Medizinerin. Neben Sokolowska kommen zwei Zahnärztinnen stundenweise in die Klinik. Manch ein Insasse hat die Haft genutzt, um sich sein Gebiss runderneuern zu lassen.

Ist ein Patient ernsthaft erkrankt, wird er per Rettungswagen in eine Klinik gebracht. Dies natürlich nicht allein. Zwei Beamte fahren mit. Bei besonders gefährlichen Gefangenen wird die Polizei eingeschaltet. Bei einer Handvoll Haftinsassen begleitet gar das Mobile Einsatzkommando den Klinikbesuch. Dann kann es schon mal vorkommen, dass der Patient bei einer Operation gefesselt bleibt. Das aber sind Ausnahmen.

Lebensmittelversorgung

In der Küche schwingt der wortgewandte Herr Knorr den Löffel. Auf seinen Schultern ruht eine gehörige Last. "Wenn das Essen schlecht ist, gibt's Meuterei", sagt der Amtsinspektor und Küchenleiter der JVA. Selbstverständlich kocht Knorr nie allein: 30 Gefangene stehen jeden Tag an seiner Seite, um für ihre Haft- und Leidensgenossen Eintöpfe, Gulasch oder Nudelpfannen zuzubereiten. 3,20 Euro stehen Knorrs Team dafür pro Tag und Gefangenen zur Verfügung: Nicht üppig, aber mit ein wenig Fantasie, so sagt der Küchenchef, lässt sich so einiges zaubern. Besonders stolz ist man in der Großküche auf die Azubis: "Wir haben sieben Absolventen mit Auszeichnung zum Koch und zur Gastgewerbe-Fachkraft gebracht", sagt Knorr.

Christian Hackert ist der Ausbildungsleiter. Er sagt: "Natürlich verbringen wir mehr Zeit mit den Azubis, als es draußen der Fall ist." Manch Lehrling hat die Chance jedoch auch verstreichen lassen. "Wir versuchen, den Jungs klarzumachen, dass eine Ausbildung vielleicht die letzte Chance ist, das Leben in den Griff zu kriegen", sagt der 41-Jährige. Einzelgespräche im Haftraum gehören für Hackert und Knorr deshalb zum Betreuungsprogramm. Dafür bekommen sie viel zurück: "In unserer Truppe zählt der Teamgedanke", sagt Knorr. Sonst ginge hier auch alles drunter und drüber. Viele Gefangene bringen Rezepte aus ihrer Heimat mit in den Speiseplan ein, eine Essenskommission berät monatlich über das Angebot. "Und Köche haben ihren Stolz", sagt Knorr. Wenn die Gefangenen die Mahlzeiten auf den Stationen verteilen, und ein Mitinsasse meckert über das Essen, dann geht das an die Küchenehre", weiß der 52-Jährige.

Natürlich fragt er sich manchmal, ob das eigentlich eine gute Idee ist, einen Gewalttäter mit scharfer Klinge Kräuter schneiden zu lassen. Aber passiert ist zum Glück so gut wie nie etwas. "Arbeit ist ein sozialisierender Faktor", sagt Hackert. Fast alle Santa-Fu-Insassen arbeiten tagsüber. Wenn nicht in der Küche, dann in der Bäckerei, beim Tischler oder im Landschaftsbau, in der Elektrowerkstatt oder beim Schlosser. "Sie schmieden sich sogar die eigenen Gitter selbst", sagt Andreas Gross.

Die Lieblingsspeisen der "Knackis", das sind Klassiker: Currywurst, Nudeln mit Tomatensoße, Gulasch, Schnitzel, Eintöpfe. Alles wird ein wenig kräftiger gewürzt als in der freien Gastronomie. Der Nachtisch ist etwas süßer, aber äußerst beliebt. Knorr prophezeit: "Wenn wir eines Tages unsere Dienstags-Quarkspeise streichen, dann gibt es Mord und Totschlag." Täglich wird neben dem Standardgericht eine Schonkostvariante gekocht, ein fleischloses Essen, ein Gericht nach moslemischen Vorschriften und Diabetikerkost. Und: Sterbenskranken wird bis zum Lebensende Wunschessen zubereitet.

Der Kaufmann

"Tabak geht am besten", sagt Reimer Bargmann, 59. "Aber nur der Drehtabak. Echte Zigaretten sind zu teuer." Zusammen mit seiner Ehefrau Heike, 55, betreibt er den freitags und sonnabends geöffneten Santa-Fu-Supermarkt. Er verkauft Obst und Gemüse, das die Häftlinge sich auf den Stationen kochen, Getränke, TV-Zeitschriften, türkischen Tee und russischen Tabak, Lakritz-Lollis und Sauerkirschen.

Etwa 35 Euro Taschengeld hat jeder Gefangene im Monat. Das meiste davon landet in der Kasse des Kaufmanns. Bargmann betreibt auch in den anderen Hamburger Haftanstalten seine kleinen Supermärkte. Bis vor elf Jahren führte er mehrere Bahnhofskioske. "Da hab ich mich manchmal viel unsicherer gefühlt, als in Fu", sagt Bargmann. Und das auch, weil hier die Strafen drastischer sind: Wer beim Klauen erwischt wird, bekommt sechs Monate Shoppingverbot.

Der Verkehr

Auch Häftlinge müssen reisen. Meist zwar nur von einer Haftanstalt zur nächsten, aber immerhin. Für derartige "Zentrale Dienste" zeichnet Hans-Joachim Runge, 57, verantwortlich. Seine Mannschaft beaufsichtigt Baumaßnahmen auf dem Anstaltsgelände, verwaltet Waffen- und Schlüsselkammer, koordiniert Besuche und erfasst Daten. "Ich bin seit so vielen Jahren hier", sagt Runge. "Die meisten der Gefangenen kenne ich persönlich." Es sei ein professioneller Umgang miteinander. Freundschaften entstünden keine, aber man begegne sich mit Respekt.

Früher, als es noch Doppelbelegungen gab, da war das ganz anders, sagt Runge: "Das waren wilde Zeiten." Die bislang letzte Flucht gelang dem Großbetrüger "Milliarden-Mike" W. Das war im Jahr 2010. Er entwischte beim Ausgang, wurde kurz darauf in Portugal gefasst. Aus der Anstalt selbst ist ewig keiner mehr geflüchtet. Vor Jahrzehnten ließ sich mal einer in einer Fischkiste raustragen, erinnert sich ein Justizbediensteter. Der lag unter Eis, bis er draußen war. Inzwischen ist auch so etwas unmöglich. Nach wie vor ist Santa Fu eines der sichersten Gefängnisse Deutschlands.

Die Kirche

Als Psychologe, Psychotherapeut und evangelischer Seelsorger der JVA Fuhlsbüttel ist Christian Braune, 58, in der glücklichen Lage, nichts von dem, was er erfährt, weitersagen zu müssen. "Alles bleibt in meinem Zimmer", sagt Braune, ein bedächtiger Mann mit leiser Stimme. Ein Ort, an dem man sich fallen lassen könne, der sei auch ganz wichtig für die harten Jungs, betont der Seelsorger. Viele Gefangene nutzen die Religion als eine Art Hebel, um über sich, ihre Familien, ihre Taten, ihre Opfer und das verpfuschte Leben nachzudenken. Hinter dem großen Ich, das hat Braune gelernt, steckt oft eine schmale Seele.

Enttäuschungen, Kränkungen, Wut, Neuanfang und Kraft. Das sind Worte, die Braune immer wieder hört und benutzt. Er weiß: "Die äußeren Mauern kann ich den Gefangenen nicht nehmen. Ich kann ihnen aber den inneren Raum weiter machen." Dabei geht es Braune nicht darum, die Täter zu bemitleiden. Ganz konkret denkt er auch an ihre Opfer. "Die Täter sollen nicht böser rausgehen, als sie gekommen sind. Und das tun sie auch fast nie", sagt er. In Santa Fu sei genug Zeit, sich der Menschen anzunehmen.

Das sei in manchen anderen Anstalten naturgemäß anders, schon weil die Insassen kürzere Strafen absitzen. Wenn es dem Seelsorger selbst einmal zu viel wird, geht er an die Elbe. Und er läuft, auch um den Kopf frei zu bekommen. Froh ist Braune darüber, dass er jeden Patienten auch ablehnen kann. Denn zur Haftanstalt Fuhlsbüttel gehören auch die Sozialtherapie hier und an der Außenstelle Bergedorf. "Bei Tätern, die Kinder sexuell missbraucht haben, da empfinde ich tatsächlich eine gewisse Sperre", sagt Braune. "Da bin ich froh, dass ich aufhören kann, wenn es mir zu viel wird."

Die schönen Momente sind die Gottesdienste in der Anstaltskirche. "Da rede nicht ich, da machen wir alle etwas zusammen", sagt Braune. Es gibt Blumen, Kerzen, Schönheit im grauen Alltag. Fast immer kommen von den rund 250 Gefangenen knapp 50 zum Gottesdienst. Eine solche Quote schafft keine andere Gemeinde in Hamburg.

Braune ist seit eineinhalb Jahren in Santa Fu. Vorher seelsorgte er 20 Jahre lang auf der Intensivstation des Unfallkrankenhauses Boberg. "Ich habe wohl einen Hang zu extremen Jobs", sagt er.

Die Bank

Die JVA Fuhlsbüttel ist eine Stadt, in der es offiziell kein Bargeld gibt. Jeder Insasse hat ein Konto, auf dem sein Guthaben unverzinst verwaltet wird. Federführend tut dies Doris Hellberg, die Leiterin der Zahl-, Post- und Verwahrstelle. "Ich habe lebenslänglich", sagt sie. Denn bereits seit 31 Jahren arbeitet sie für die Justiz.

Da fast jeder Insasse einen Job in der Anstalt hat, kann er auch ein bescheidenes Guthaben anhäufen. Vier Siebtel davon muss er zurücklegen, bis sein Konto ein Plus von 1460 Euro ausweist. Dieses zwangsangesparte Geld bekommt er bei der Entlassung. Drei Siebtel bleiben ihm als Hausgeld, das er beim Kaufmann ausgeben kann.

Einige Gefangene besitzen Eigengeld, das sie von Freunden oder Verwandten geschickt bekommen haben. Solange keine Forderungen von Schuldnern eingehen, bleibt das Geld deponiert. Hellberg: "Wir tätigen monatlich etwa 500 Überweisungen für die Gefangenen. Viele Insassen schicken ihr Geld nach Hause." Schmuckstück ihres Amtszimmers ist der mehr als 100 Jahre alte Tresor, der das Herz der Verwahrstelle darstellt. Doris Hellberg: "Den Insassen ist es - auch zum eigenen Schutz - verboten, Schmuck am Körper zu tragen, der den Wert von 200 Euro übersteigt. Deshalb liegen diverse Rolex-Uhren und andere Preziosen sicher verschlossen bei uns." Eben jener Tresor stand im Zentrum eines jahrelangen Rechtsstreites zwischen einem bekannten Betrüger und der JVA. Der Mann hatte Diamanten deponiert, die, wie eine Prüfung der Justiz ergab, unecht waren. Der Betrüger wollte das nicht glauben. Er verklagte die JVA-Mitarbeiter, weil er felsenfest überzeugt war, Bedienstete hätten sich seine Diamanten unter den Nagel gerissen und gegen Modeschmuck ausgetauscht.

Die Sprache

"Es gibt hier zwei Ausländerberater. Mein Kollege ist für die türkischen Insassen zuständig, ich für den Rest", sagt Demba Buaro, 44. In Guinea-Bissau ist er geboren, in Deutschland lebt er seit 1988. Bald feiert er 20. Dienstjubiläum im Hamburger Strafvollzug. Buaro spricht fließend Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Kreole und drei weitere westafrikanische Sprachen. "Mit den slawischen Sprachen habe ich so meine Probleme", sagt Buaro. "Aber ich arbeite dran." Die Insassen fassen ein viel tieferes Vertrauen, wenn man sich mit ihnen in der Heimatsprache unterhalten kann, glaubt der 44-Jährige, der ein Büro in einem winzigen ehemaligen Haftraum eingerichtet hat.

Mit seinen Kunden in der JVA erledigt Buaro Anträge, Überweisungen, Anwaltspost und viel Privates. Dass vor allem die hier einsitzenden Schwarzafrikaner ihm vertrauen, liegt möglicherweise auf der Hand. Doch auch für die anderen Nicht-Deutschen, die zu ihm kommen, ist Buaro ein wichtiger Verbindungsmann. Er erzählt: "Viele Ausländer leiden unter der großen Distanz zur Familie. Andere wissen, dass es ihnen hier im Gefängnis noch weit besser geht als Frau und Kindern in der Heimat. Darunter leiden sie ebenfalls sehr." Buaro nimmt auch Dankesbriefe von Verwandten aus aller Welt entgegen. Überweisungen trägt er manchmal selbst zum Western-Union-Schalter.

Nebenbei arbeitet er als Dolmetscher für Amtsdeutsch bei Gerichten, für die Landes- und Bundespolizei. "Es ist gut, dass es eine Stelle wie meine im Strafvollzug gibt", sagt Buaro. "Ich helfe nicht nur den internationalen Gefangenen, sondern auch den Kollegen. Manche Insassen erzählen mir Dinge, die sie anderen nicht erzählen würden. Das hilft uns, sie zu verstehen."

Die Kultur

Seine Mitteilungen an die Gefangenen beginnt Hardy Baiersdorf, Koordinator für Kultur im Gefängnis, sachlich korrekt mit den Worten: "Sehr geehrte Herren". Darin listet er auf, was die Anstalt so alles an Zerstreuung bietet. Die regulär Gefangenen können wählen zwischen Gesprächsgruppen mit Namen wie "Regenbogen", "Positives Denken" oder "Wendepunkt", zwischen Yoga und Tischtennis, Literaturrunden und "Bewegung für Beginner". Und natürlich Kraftsport. Gegenstand zahlreicher Berichte war bereits das Fußball-Team der JVA, das unaufsteigbar in der untersten Klasse kickt und immer Heimrecht hat. Über Boxtraining hat er schon nachgedacht, obwohl es zunächst absurd klang, die wegen teils brutaler Taten einsitzenden Männer auch noch zusätzlich im Kampf zu schulen.

Fast ein wenig stolz ist man im Gefängnis, und da geht es Bediensteten wie Insassen gleich, auf die hauseigene Band. Die Jailbirds rocken die Anstalt mindestens zweimal im Jahr. An jedem letzten Freitag im Monat kommen außerdem Künstler von draußen rein: Stefan Gwildis war schon da, Lotto King Karl ebenso. Als Nächstes gibt sich der 25 Frauen starke DamenLikörChor die Ehre.

Die Grenzen

Hinter den mehr als fünf Meter hohen, rundherum mit scharfem Draht gespickten Backsteinmauern von Santa Fu herrscht höchste Sicherheitsstufe. "Das ist kein Freizeitheim", sagt Anstalts-Chef Gross. Besucher werden gefilzt, müssen Handy und Portemonnaie am Eingang deponieren. Wer zu einem Gefangenen will, kann donnerstags und wochenends nach Anmeldung kommen. Der Besucher wird wie am Flughafen gecheckt und abgetastet.

Ist ein Baby dabei, schauen die JVA-Bediensteten ihm bei der Kontrolle in die Windel: Die war einst ein beliebtes Versteck für Waffen, Drogen, Geld oder Alkohol. Dienstgruppenleiter Bernd Scheewe macht den Job schon seit 20 Jahren. "Ich habe die Kinder einiger Insassen aufwachsen sehen", sagt er.

Drinnen geht es ebenso sicher weiter. Im Herzen von Haus II, dort, wo die fünf Finger des alten Baus zusammentreffen, sitzen Herbert Kube und Fred Röper. Auf Monitoren sehen sie in alle Flure. Dort sind weitere Kollegen, mit denen sie auch über Funk verbunden sind. Und wenn einer von ihnen Alarm auslöst? Dann wird es hektisch in der Stadt, in die niemand freiwillig zieht.

Nächste Folge in der Reihe "Die Stadt in der Stadt" Anfang Juni: der Hauptbahnhof