Hamburg. Veranstalter zählt mehr als 45.000 Gäste. Nach langem Rätselraten: Band, die längst Arenen füllt, tritt im Docks auf.

Die Große Freiheit 36 stand am Sonnabend Kopf, oder besser gesagt: 1500 Musikfans schwebten zwei Fuß hoch über dem Boden, als das dänische Trio WhoMadeWho mit „Two Feet Off Ground“ einen Höhepunkt des diesjährigen Reeperbahn Festivals setzte. Spätestens jetzt sollte Dänemark nach Kanada 2017 und Frankreich 2018 als Partnerland für 2019 eingeladen werden, denn auch zahlreiche weitere Bands dieser aufstrebenden Pop-Nation, zum Beispiel das Motown-Soul-Ensemble D/troit im Indra, die Electro-Ambient-Rocker 2nd Blood im St. Pauli Museum oder die Garagenschrubber The Florines in der Nochtwache hinterließen viele starke Eindrücke, berstend volle Clubs und lange Schlangen davor.

Newcomer aus Belgien

Ein weiterer großer Gewinner war Belgien. Die Jury des Festival-Nachwuchspreises Anchor – bestehend aus Tony Visconti, Linda Perry, Skye ­Edwards, Cassandra Steen und Jason Bentley – konnte sich nicht auf einen Gewinner einigen und kürte bei der Anchor-Gala am Sonnabend im St. Pauli Theater sowohl Indie-Rocker Tamino und die Psychedelic-Pop-Band Faces On TV zu den herausragendsten Newcomern – beide aus Belgien. Der Forderung der Anchor-Jury, mehr künstlerischen Mut zu wagen und Komfortzonen zu verlassen, sollten sich einige deutsche Künstler, die in der Reihe „Wunderkinder – German Music Talent“ vorgestellt wurden, zu Herzen nehmen: Die Konzerte von Ace Tee und Charlotte Brandi im Mojo Club oder Bled White im Kukuun waren nett. Aber eben auch nur nett.

Bekannte Bands schummelten sich unter die 450 Newcomer

Mehr als nett waren die zahlreichen Überraschungen beim Reeperbahn Festival. Am Donnerstag spielte Philipp Poisel ein Spontankonzert im Uebel & Gefährlich, und am Freitag trat nach großer Geheimniskrämerei mit dem britischen Rock-Trio Muse im Docks die bisher berühmteste Band überhaupt beim Reeperbahn Festival auf. Eigentlich haben Stars, die längst Großarenen füllen, ja nichts zu suchen beim viertägigen Newcomer- und Entdecker-Marathon auf dem Kiez. Andererseits: Wer sich stundenlang in die Schlange vor dem Docks einreihte, wurde mit „Knights Of Cydonia“ und neuen Songs des kommenden Albums „Simulation Theory“ belohnt. Auch das schwedische Duo Friska Viljor, inoffizielles Maskottchen des Festivals, hatte sich unter falschem Namen ins Programm geschummelt: Als Shotgun Sisters überraschten sie am Sonnabend die Gäste des Nochtspeichers.

Partnerland 2019: Australien

Keine Überraschung, aber natürlich erfreulich, ist ein erneuter Besucher­rekord. Nach 40.000 Musik-Liebhabern und 4700 Fachbesuchern aus der Musik- und Medienbranche 2017 versammelten sich dieses Jahr 42.000 Fans und 5500 Fachleute (aus 56 Nationen) auf St. Pauli, um 450 Bands zu erleben. Die Reichweite von Europas wichtigstem Showcase-Festival steigt, dabei werden auch andere Festivals nicht vergessen: Bei der Verleihung der Helga-Awards gewannen mit „A Summer’s Tale“ (Bestes Festival für alte Leute), „MS Dockville“ (Anmutigstes Camping-Gelände, Booking), Till Krägeloh von „Watt En Schlick“ (Veranstaltungspersönlichkeit), „Wacken Open Air“ (Bestes Festival) und „Fusion“ (Bestes Gewissen) fast nur norddeutsche Sausen. Soeben wurde übrigens das Partnerland für das Reeperbahn Festival 2019 mitgeteilt: Australien.