St. Pauli. Schwerpunkteinsätze an Hafenstraßenhäusern, im Park an der Roten Flora und am Hansaplatz. Einheit spezialisiert sich auf Drogenhandel.

Innensenator Andy Grote (SPD) sagt den Drogenhändlern an der Balduintreppe den Kampf an. Dort hat sich im Schatten der Hafenstraßenhäuser eine immer offener agierende Dealerszene etabliert. Zu Beginn der einsetzenden wärmeren Jahreszeit wird mit einer weiteren Zunahme des Drogenhandels dort gerechnet. Jetzt soll die Polizei konzen­triert gegen die fast ausschließlich aus Schwarzafrikanern bestehende Täterszene vorgehen. Außerdem werden auch der Park an der Roten Flora im Schanzenviertel und der Hansaplatz mit ins Visier genommen. Auch dort wird offen gedealt.

Das Konzept birgt zusätzlichen Zündstoff. Die Bewohner der ehemals besetzten Häuser an der Hafenstraße und die Klientel der Roten Flora sind der linken Szene zuzuordnen, die bereits in der Vergangenheit Polizeieinsätzen auch gewalttätig entgegentrat.

Neu ist es nicht, dass offen an der Balduintreppe gedealt wird. Das weiß kaum jemand besser als Andy Grote, der als Bezirksamtsleiter Mitte sehr genau über die Problematik in Kenntnis gesetzt wurde. Den jetzigen Einsatz erklärt er damit, „dass die Beschwerdelage, die ich schon als Bezirksamtsleiter kannte, noch einmal zugenommen hat“. Zudem habe ihm neu erworbenes Insiderwissen als Innensenator sensibilisiert.

„Als ich neulich auf der Davidwache nachts mit den Kollegen gesprochen habe, ist mir gesagt worden, dass ein Zustand erreicht ist, den man nicht hinnehmen kann.“ Mit „ordentlicher polizeilicher Arbeit“ habe man etwas erreicht; „erfolgreich“ sei die Polizei gewesen. „Aber sie war nicht so nachhaltig erfolgreich, wie man es sich gewünscht hat“, so Grote.

Dealer weichen auf andere Orte aus

Auch das zeigt die Dimension der Problematik. Denn die Davidwache kann sich durch zahlreiche Zusatzkräfte auf die höchste Polizeistärke Deutschlands stützen. „In Wahrheit ist aber die Präsenz der Dealer so, dass es offenkundig ist, dass den ganzen Tag gedealt wird“, so Grote. Es entstehe der Eindruck, dass der Rechtsstaat sich zurückzieht und Polizei sich nicht durchsetzen kann. Der Innensenator: „Das geht nicht.“

Jetzt soll das PK 113 die Bekämpfung der offenen Szene übernehmen, eine Einheit an der Wache 11 in St. Georg. Dort hat man jahrelange Erfahrungen vor der eigenen Reviertür gemacht. Das PK 113 analysiert die Problematik, steuert die Kräfte und organisiert Schwerpunkteinsätze. Dazu stehen zwei Einsatzzüge rund um die Uhr zur Verfügung. Einer wird von der Bekämpfung des Haus- und Wohnungseinbruchs abgezogen, der zweite aus dem täglichen Dienst. „Diese dauerhafte Aufgabenzuteilung soll gewährleisten, dass die Kollegen mit Aufgabe und Szene vertraut sind und nicht immer neu eingewiesen werden müssen“, sagt Polizeisprecher Timo Zill.

Die Beamten der Wache St. Georg sind für die gesamte Region Mitte 1 zuständig, weil man davon ausgeht, dass die Täter von der Balduintreppe auf die anderen bekannten Drogenumschlagplätze im Schanzenviertel und St. Georg ausweichen dürften.

Polizeipräsident Meyer wünscht sich, dass Dealer abgeschoben werden

Warum einer von zwei Einsatzzügen bei der Soko „Castle“ abgezogen wird, die gegen Einbrecherkriminalität vorgeht, erklärt Polizeipräsident Ralf-Martin Meyer so: „Wohnungseinbruch findet in der dunklen Jahreszeit stärker statt.“ Deswegen gebe es einen „Badewanneneffekt“. Im Sommer gibt es weniger Wohnungseinbrüche. Beim offenen Handel mit Drogen unter freiem Himmel sei das umgekehrt. Da kurbelt gutes Wetter das Geschäft an. Deshalb könne man Kräfte dorthin verlagern.

Als Hemmnis bei der Bekämpfung von Kriminalitätsphänomenen hat sich die Tatsache entpuppt, dass beispielsweise beim Wohnungseinbruch kaum einer der von der Polizei als Profis und Serientäter eingestuften Verdächtigen auch zu Strafhaft verurteilt wurde. Das ist bei den Straßendealern kaum anders zu erwarten.

Meyer setzt hier auf die Staatsanwaltschaft. „Wir sind in intensiven Gesprächen.“ Auch eine Abschiebung der Dealer in ihre Heimat wünscht sich Polizeipräsident Meyer. Unterstützung bekommt das Drogenbekämpfungskonzept von Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Was man vorhat, ist wichtig und richtig“, sagt er. Allerdings frage er sich, woher für diese zusätzliche Prioritätsaufgabe auf Dauer das Personal herkommen solle.