In der Hansestadt protestieren immer mehr Anwohner gegen den Gefahrenbereich – mit demonstrativen Spaziergängen und Klobürsten. Wir erklären die Fakten.
Seit rund einer Woche prägen in Teilen Hamburgs Polizisten in voller Kampfmontur das Bild. Im sogenannten Gefahrengebiet dürfen sie in St. Pauli, Altona und der Sternschanze ohne Anlass Passanten kontrollieren – und haben es schon hundertfach getan. Die US-Botschaft sah sich schon zu einem Sicherheitshinweis für Amerikaner genötigt. In der Hansestadt protestieren immer mehr Anwohner dagegen – mit demonstrativen Spaziergängen und Klobürsten.
Warum hat die Polizei überhaupt Gefahrengebiete eingerichtet?
Anlass sind laut Polizei die Ausschreitungen rund um die Demonstration zum Erhalt des linksautonomen Kulturzentrums „Rote Flora“ am 21. Dezember mit Hunderten Verletzen. Hinzu kommen Angriffe auf Polizeiwachen – wobei der bislang letzte und für die Einrichtung des Gefahrengebiets wohl entscheidende am 28. Dezember nach Angaben aus der linken Szene gar nicht so stattgefunden hat, wie die Polizei behauptet.
Wie groß ist das Gefahrengebiet?
Als es am 4. Januar eingerichtet wurde, umfasste es – bundesweit einmalig – das Areal einer mittelgroßen Stadt mit mindestens 50 000 Einwohnern. Zahlreiche Beamte durchkämmten die Straßen rund um die Uhr nach Randalierern und Autonomen und fanden dabei auch etliche verbotene Gegenstände wie etwa Pyrotechnik. Seit Donnerstag gibt es anstelle des einen großen drei kleinere Gefahrengebiete. Kontrolliert wird dort nur noch zwischen 18.00 und 6.00 Uhr.
Was bedeutet das für Passanten im Gefahrengebiet?
Vorsicht bei der Kleiderwahl! Ein schwarzer Kapuzenpulli oder Lederhandschuhe in der Gesäßtasche, dazu ein Schal im Gesicht, können ausreichen, um kontrolliert zu werden, schildern Betroffene. Den Ausweis sollte man parat haben, freche Worte besser nicht. Sonst verschwimmen ab und an auch die Grenzen zwischen „in Augenschein nehmen“ von Rucksäcken oder Taschen – was im Gefahrengebiet zulässig ist – und dem nicht mehr erlaubten „Durchsuchen“.
Was bedeutet das Gefahrengebiet für Anwohner?
Erst einmal das Gleiche wie für Passanten und Touristen. Allerdings ist es laut geworden in den sonst zumindest an Werktagen ruhigen Quartieren. Die Polizei fährt mit ihren Mannschaftswagen mit eingeschaltetem Martinshorn hin und her, um ihre Beamten am einen Ort aussteigen und eine oder zwei Straßen weiter wieder aufsitzen zu lassen. Kino- oder Kneipenbesuche beginnen stets mit der Frage: „Habe ich auch meinen Ausweis dabei?“ Schließlich darf die Polizei jederzeit Platzverweise aussprechen. Bisher hat sie dies auch schon beinahe 200 Mal getan.
Wie ist die Stimmung im Gefahrengebiet?
Viele Hamburger begrüßen den Einsatz der Polizei, auch weil sie es leid sind, dass Randalierer Leute verletzen, Autos beschädigen oder Schaufensterscheiben einwerfen. Mindestens genauso viele sehen in dem Gefahrengebiet aber auch einen massiven Eingriff in ihre Grundrechte und fühlen sich unter Generalverdacht gestellt.
Wie sieht der Protest aus?
Anfangs dominierten Randalierer das Bild, die vor allem auf Provokation aus waren. Doch inzwischen hat sich die Lage geändert: Die Proteste sind kreativer geworden. Bei Kontrollen findet die Polizei immer häufiger Bananen oder Gurken mit Zündschnüren. Oder die Beamten werden gebeten, doch die „Bonuskarte Gefahrengebiet für Anwohner“ abzustempeln – denn nach zehn Kontrollen, so verspricht das Papier, dürfe man sich auf einer Wache nach Wahl einen Gratis-Kaffee abholen.
Was hat es mit der Klobürste auf sich?
Die Klobürste hat sich zum Symbol des Protests entwickelt. Im Netz kursieren bereits zahlreiche Varianten. So gibt es etwa den berühmten St. Pauli-Totenkopf längst als abgewandeltes Motiv mit gekreuzten Klobürsten. Hintergrund ist ein Beitrag im ARD-„Nachtmagazin“ vom 7. Januar, in dem zu sehen ist, wie ein Polizist in Kampfmontur einem mit erhobenen Händen an einem Bus stehenden Mann eine Klobürste aus dem Hosenbund zieht. Seither gehört dieses Sanitärutensil bei vielen zur Standardausrüstung. Unter dem Motto „St. Pauli bleibt widerborstig“ rufen sie dann gerne: „Klo, Klo, Klobürsteneinsatz!“