Strafverteidiger Andreas Beuth, bekannt als „Anwalt der linken Szene“, hegt schwerwiegende Zweifel an der Darstellung der Polizei in der Gewaltnacht. Die Polizei reagiert empört auf die Vorwürfe.

Hamburg. Erst skandierten sie Pöbel-Parolen („Ihr Scheißbullen, habt ihr noch nicht genug?!“), dann sollen rund 30 bis 40 vermummte Personen mehrere Polizeibeamte der Davidwache mit Steinen und Flaschen angegriffen haben. Im Zuge der Attacke in der Nacht zum 29. Dezember seien drei Polizisten teils schwer verletzt worden. Einer der Beamten habe durch einen Steinwurf einen Kiefer- und Nasenbeinbruch erlitten. So lautet, kurz zusammengefasst, die Darstellung der Polizei.

Doch Strafverteidiger Andreas Beuth, bekannt als „Anwalt der linken Szene“, spricht jetzt von „schwerwiegenden Zweifeln“ an diesem Geschehensablauf und von einem „polizeilich inszenierten Angriff“: Fünf seiner Mandanten, die sich zum fraglichen Zeitpunkt vor der Davidwache aufhielten, hätten ihm glaubhaft versichert, dass es weder vermummte Angreifer und damit auch „zu keinem Zeitpunkt“ Stein- oder Flaschenwürfe auf das Polizeikommissariat 15 gegeben habe. So wie die Polizeipressestelle die Ereignisse schildere, handele es sich um „schlichte Falschbehauptungen“. Beuth: „Es ist kein Beamter vor der Davidwache Ecke Reeperbahn/Davidstraße durch einen Stein oder anderen gefährlichen Gegenstand verletzt worden.“

Hinter der „bewusst falschen Darstellung“, so Beuth weiter, „stehen augenscheinlich politische Interessen der Polizeiführung und ihrer Gewerkschaften wie zusätzliche Stellen, eine bessere Bezahlung der Polizei, eine „Aufrüstung“ der Polizei und aktuell die Einrichtung eines unbefristeten Gefahrengebiets in einem nie dagewesenen Ausmaß.“ Die jetzt anschließende Debatte über den polizeilichen Einsatz von Tasern halte er vor diesem Hintergrund für eine "gefährliche, unverantwortliche und inakzeptable Reaktion".

Die Polizei bleibt indes bei ihrer Darstellung. Allerdings habe Beuth in einem Punkt Recht: Der folgenschwere Angriff auf drei weitere Polizisten, die ihren Kollegen gegen 23 Uhr zur Hilfe eilen wollten, habe sich nicht unmittelbar vor der Davidwache, sondern rund 200 Meter davon entfernt abgespielt, an der Ecke Seilerstraße/ Hein-Hoyer-Straße. Das hätten allerdings erst die laufenden Ermittlungen ergeben. Bisheriger Stand sei, dass der Angriff auf diese Polizisten aus der flüchtenden, teils vermummten Personengruppe heraus erfolgt sei. Einer der Beamten erlitt einen Kieferbruch.

Die Polizei fahndet weiterhin nach dem Täter, ermittelt unter anderem wegen versuchten Totschlags. 10.000 Euro Belohnung sind für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, ausgesetzt worden. Unbeteiligte Augenzeugen des Angriffs auf die Davidwache gebe es bisher indes nicht, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Wenigstens vier Polizisten der Davidwache hätten das Kerngeschehen in schriftlichen Vermerken aber ähnlich geschildert.

Die Polizei reagiert mit Entsetzen

Ein Video-Mitschnitt des Krawalls vor der Davidwache liegt nicht vor. Zudem sind – wie üblich nach derartigen spektakulären Vorfällen – auch im Internet noch keine Videos aufgetaucht. Der Raum unmittelbar vor dem Kommissariat ist zwar auch am fraglichen Abend durch Kameras überwacht worden. Nach Angaben der Polizei ist aufgrund von „datenschutzrechtlichen Bestimmungen“ aber nichts aufgezeichnet worden. Die Polizei hatte im Juli 2011 nach einem Gerichtsurteil die dauerhafte Videoüberwachung der Reeperbahn beendet und zwölf Kameras abgeschaltet. Seither, so die Polizei, würde nur noch anlassbezogen aufgezeichnet.

Immerhin, einen unbeteiligten Zeugen gibt es nach Angaben der Staatsanwaltschaft für die Attacke auf die Polizisten an der Hein-Hoyer-Straße. Demnach geht die Ermittlungsbehörde davon aus, dass der Täter aus der Personengruppe kommt, die Minuten zuvor vor der Davidwache randaliert hat.

Auf die Vorwürfe des Anwalts reagiert die Polizei mit Entsetzen. „Wie kommt ein Anwalt, ein Organ der Rechtspflege, bloß zu solchen Unterstellungen?“, sagt Polizeisprecherin Sandra Levgrün. „Es wäre hilfreicher, wenn uns Herr Beuth die Zeugen und Tatsachen, die er hat, zur Verfügung stellt, damit wir ein klares Bild der Ereignisse erhalten.“