Auf der Insel Neuwerk gibt es nur eine Schülerin und eine Lehrerin. Unklar ist allerdings, wie es vom Sommer 2013 an dort weitergeht.
Hamburg. Kaya Griebel könnte sich eigentlich glücklich schätzen. Während andere Hamburger Grundschüler mit durchschnittlich 22 Altersgenossen im Klassenraum sitzen, hat die Neunjährige eine Lehrerin ganz für sich allein. Und das, obwohl Kaya im Hamburger Bezirk Mitte zur Schule geht. Der Grund: Das aufgeweckte Mädchen mit den langen dunkelblonden Haaren besucht momentan als einziges Kind die Inselschule Neuwerk - gut 120 Kilometer von der Alster entfernt, mitten im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer gelegen. Auch im kommenden Schuljahr wird das so bleiben, wenn die Enkeltochter des Inselwarts Volker Griebel, 57, in die vierte Klasse kommt. Damit Kaya zumindest ab und zu in den Genuss von Unterricht mit Gleichaltrigen kommt, besucht sie mit ihrer Lehrerin Meike Müller-Toledo, 51, gelegentlich die Katharinenschule in der HafenCity - ebenfalls im Bezirk Mitte.
Im Sommer 2013 wird Kaya dann aller Voraussicht nach - wie auch ihre vier Jahre ältere Schwester Jana - an das Niedersächsische Internatsgymnasium in Bad Bederkesa wechseln. In der Schule, die eigens für die Kinder der niedersächsischen Inseln eingerichtet wurde, wird sie erstmals wieder mit Gleichaltrigen unterrichtet werden.
Wie es dann mit der kleinsten der 195 Hamburger Grundschulen auf Neuwerk weitergeht, ist derzeit unklar. Karlotta, Tochter von Nationalparkhaus-Leiterin Imme Schrey und nächste potenzielle Inselschülerin, wird im kommenden Mai erst zwei Jahre alt. "Es könnte gut sein, dass die Inselschule für zwei Jahre geschlossen werden muss, bevor Karlotta hier in die Vorschule kommt. Solche Schließungen zwischen zwei Schülergenerationen hat es in der Vergangenheit wiederholt gegeben", sagt die Insellehrerin. Als sie 2009 von der Grundschule an der Fährstraße in Wilhelmsburg nach Neuwerk kam ("Ich bin von einer Insel auf die nächste gewechselt"), sah die Zukunft der Schule noch etwas rosiger aus. Dann kam es aber auf der Insel gleich zu mehreren familiären Zerwürfnissen, und drei Frauen zogen mit ihren schulpflichtigen Kindern aufs Festland. Derzeit hat Neuwerk gut 30 Einwohner.
Auch wenn vorerst keine neuen Schüler für die Inselschule zu erwarten sind, so muss es dennoch laut Schulentwicklungsplan so lange die Möglichkeit zum Schulbesuch auf der Insel geben, wie schulpflichtige Kinder auf der Insel gemeldet sind. "Es könnte ja sein, dass eines der Kinder auf dem Internatsgymnasium in Bad Bederkesa scheitert und zu seinen Eltern auf die Insel zurückkehrt und hier wieder die Schule besuchen muss", sagt Müller-Toledo, der die Schüler bis zum Realschulabschluss unterrichten darf.
Eine Idee, von der alle Hamburger Schulen profitieren könnten, wenn die Inselschule fortbesteht, befürwortet auch Müller-Toledo: Nachdem das Hamburgische Wattenmeer im vergangenen Sommer von der Unesco den Status des Weltkulturerbes verliehen bekommen hatte, kam die Überlegung auf, aus der Inselschule eine "Umweltschule für ganz Hamburg" zu machen. Den Titel "Umweltschule" hatte die Inselschule im vergangenen Jahr erhalten, als sie Schüler und auch Gästekinder zum "Junior-Ranger" ausbildete. Diese Ausbildung könnten Schüler aus der Stadt in der Inselschule während eines Aufenthalts in einem der beiden Landschulheime absolvieren.
Bevor die Weichen für die Zukunft der Inselschule gestellt werden, soll aber zunächst deren Vergangenheit gefeiert werden. "Am 19. September wird die Inselschule 100 Jahre alt. Zurzeit beraten wir, wie umfangreich das Schuljubiläum gefeiert werden soll - eventuell mit vier Festtagen", kündigt Müller-Toledo an. Schon jetzt steht fest, dass eine Chronik zum Jubiläum erscheinen wird, die die Geschichte der Schule von ihren Anfängen im Leuchtturm über das erste Schulgebäude an der Turmwurt bis zu der heutigen Schule am Ringdeich dokumentiert.