Hamburg. Parkplätze und Fahrspuren sollen wegfallen und dafür breite Geh- und Radwege gebaut werden. SPD-Staatsrat warnt vor Verkehrschaos.
Wie sollen die knappen Verkehrsflächen künftig verteilt werden? Sollen Fußgänger und Radfahrer deutlich mehr Platz bekommen, auch wenn das auf Kosten des Autoverkehrs geht? Oder muss der Privat-Pkw weiterhin auch in der Stadt überall freie (Vor-)Fahrt haben? Diese Grundsatzdebatte dürfte nach dem Kantersieg der Grünen bei den Bezirksversammlungswahlen noch intensiver geführt werden – und häufiger zulasten der Autofahrer ausgehen. Wie konfliktträchtig Abwägungen in der Verkehrsplanung bisweilen sind, zeigt derzeit ein prominentes Beispiel in der Innenstadt: der Streit über den Umbau der Esplanade zwischen Stephansplatz und Binnenalster.
Nach den Senatsplänen sollen an der Esplanade von 2020 an zwar wieder echte Radfahrstreifen an den Seiten entstehen – allerdings (je nach Variante) nur mit der Mindestbreite von 1,60 oder 1,85 Metern. Die Parkplätze unter den Bäumen zwischen den Fahrtrichtungen sollen teilweise erhalten bleiben. Außerdem soll dort ein echter Kfz-Fahrstreifen entstehen, da die Spuren aufgrund der Anlage des Radstreifens verschoben werden müssen. Es soll drei Fahrstreifen je Richtung geben. Das geht aus den Unterlagen hervor, die die Behörde für Wirtschaft und Verkehr an den Bezirk Mitte und Verkehrsunternehmen verschickt hat.
Grüne sehen Helsinki als Vorbild
Für die Grünen ist das vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) erarbeitete Senatskonzept nicht akzeptabel. Sie wollen die Esplanade zu einer Flaniermeile mit breiten Fuß- und Radwegen umbauen. Dafür sollen die Parkplätze in der Mitte und zwei Fahrspuren verschwinden. „Die Planung muss verändert werden, sie ist nicht zeitgemäß und geht am Bedarf vorbei“, sagt Grünen-Noch-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte, Michael Osterburg. „Der abnehmende Autoverkehr innerhalb des Rings 1 und die zunehmenden Rad- und Fußverkehre müssen abgebildet werden. Wir brauchen breite Fußwege und sichere Radfahrstreifen.“ Zudem sei das in einer Variante geplante „Fällen markanter Straßenbäume“ unnötig.
In einer Stellungnahme zu den Behördenplänen hat die Grünen-Fraktion in Mitte die Reduzierung der Autofahrstreifen auf nur noch zwei statt drei pro Richtung gefordert. „Der Ring 1 ist nicht nur für den motorisierten Verkehr der schnellste Weg um die Innenstadt herum, sondern verbindet auch wichtige Fahrradverbindungen“, heißt es in dem Papier. Es sei daher „nicht akzeptabel, dass die neue Radverkehrsanlage in Richtung Binnenalster lediglich die rechtliche Minimalbreite von 1,60 Metern erhalten soll“. Esplanaden würden „in Städten in ganz Europa … als Platz bzw. Straße zum Flanieren genutzt“, so die Grünen-Stellungnahme. „Helsinki ist ein gutes Beispiel. Hamburg dagegen nutzt seine Esplanade als Durchfahrtsstraße. Dabei ließe sich durch eine ansprechend gestaltete Flaniermeile eine natürliche Verbindung zwischen Binnenalster und Jungfernstieg auf der einen Seite sowie Stephansplatz und Planten un Blomen auf der anderen schaffen.“ Die Senatsplanungen aber „verschenken die Möglichkeit, den öffentlichen Raum neu zu verteilen“.
65.000 Fahrzeuge rollen täglich über die Lombardsbrücke
Die Grünen argumentieren mit dem Rückgang des Kfz-Verkehrs. Dieser habe seit dem Jahr 2000 an Werktagen um 13,3 Prozent abgenommen, heißt es mit Verweis auf eine Grünen-Anfrage in der Bürgerschaft. „Gleichzeitig lässt sich eine Zunahme des Radverkehrs ablesen. Dies sollte sich in der Verteilung der Verkehrsflächen widerspiegeln.“
In der Verkehrsbehörde sieht man das anders – und warnt vor Chaos durch massive Einschränkungen des Kraftverkehrs an dieser Stelle. „Wir haben sechs Ost-West-Querungen südlich der Außenalster: Baumwall, Willy-Brandt-Straße, Stadthausbrücke, Jungfernstieg, Kennedy- und Lombardsbrücke“, sagte Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) dem Abendblatt. „An zweien davon, nämlich Stadthausbrücke und Jungfernstieg, haben wir den Autoverkehr durch Umbauten bereits deutlich eingeschränkt.“ Wenn man das auch an der Esplanade als Hinführung zu Kennedy- und Lombardsbrücke täte, „bräche der Verkehr dort zusammen“, so der Staatsrat. Die Lombardsbrücke sei mit 65.000 Fahrzeugen pro Tag die am stärksten frequentierte Ost-West-Querung.
SPD wirft den Grünen Autoverhinderungspolitik vor
„Dort muss die Leistungsfähigkeit erhalten bleiben, wenn wir Dauerstaus verhindern wollen“, so Rieckhof. „Hier den Verkehr einzuschränken, das käme einer aktiven und bewussten Autoverhinderungspolitik gleich. Dafür stehen wir nicht. Wir stehen für gute Angebote an alle Verkehrsteilnehmer.“ Der Grünen-Vorschlag, hier eine Flaniermeile anzulegen, sei „schlicht nicht umsetzbar“.
Dabei hat Rieckhof aber wohl nicht alle Genossen geschlossen hinter sich. „Auch wir haben noch Rückfragen und Optimierungsvorschläge zur Planung“, sagt etwa SPD-Mitte-Fraktionschef Tobias Piekatz. „Wir erwarten, dass ein länger angekündigter Termin mit dem LSBG auch wirklich zustande kommt.“
Formal hat der Bezirk zwar keine Entscheidungsrechte, da es sich um eine Hauptverkehrsstraße handelt, für die der Senat zuständig ist. Gleichwohl dürfte der Umbau der Esplanade weiter auf allen Ebenen für Diskussionen sorgen. Schließlich geht es hier auch um Grundsatzfragen künftiger Verkehrspolitik.