Hamburg. Martyrium einer zweifachen Mutter aus Hamburg entsetzt Moderator Cerne und ZDF-Zuschauer. Polizei geht neuem Hinweis „mit Hochdruck“ nach.
- ZDF-Format erzählt Geschichte alleinerziehender Mutter, die brutal vergewaltigt wurde
- Hamburgerin erlebte durch Peiniger grausames Martyrium
- Die Anteilnahme ist so groß, dass Zuschauer noch während der Livesendung die Belohnung aufstocken
Nach diesem Einspieler musste Rudi Cerne erst einmal tief durchatmen. „Es ist wirklich unglaublich, was die Frau erleiden musste, ein entsetzlich brutales Verbrechen, eine Irrsinnstat“, entfuhr es dem Moderator am Mittwochabend, 21. August, live im ZDF. Gleich zu Beginn seiner Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ (4,3 Millionen Zuschauer/19,2 Prozent Marktanteil) wurde die Vergewaltigung einer zum Tatzeitpunkt 43 Jahre alten alleinerziehenden Mutter aus Hamburg ausgestrahlt, die dem erfahrenen Fernsehmann sichtlich zusetzte. „Nach all den Jahren bei ,Aktenzeichen XY‘: Das ist für mich eine neue Dimension einer Straftat“, gestand Cerne, der das Format seit Januar 2002 moderiert.
Schon die Anmoderation des 65-Jährigen ließ erahnen, dass der erste Fall des Abends tatsächlich „nichts für schwache Nerven“ sein würde. „Plötzlich beginnt für sie von einer Sekunde auf die andere der schlimmste Albtraum ihres Lebens“, leitete Cerne den Film ein, der das Verbrechen auch durch eine beklemmend authentische schauspielerische Leistung eindringlich nacherzählte. Was war geschehen? Am Abend des 31. Mai 2022, einem Dienstag, verabschiedete sich das spätere Opfer von seinen beiden Kindern, um eine Freundin nach deren Rückkehr aus dem Urlaub mit ihrem Auto vom Bahnhof abzuholen.
Aktenzeichen XY: Entsetzen über Vergewaltigung in Hamburg
Anschließend fuhr die 43 Jahre alte Frau ihre Freundin jedoch nicht wie ursprünglich gedacht nach Hause, sondern setzte sie auf ihren Wunsch bei den Eltern in Wilhelmsburg ab – von dort wollte die Urlaubsrückkehrerin dann alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die eigene Wohnung fahren. Als die 43-Jährige auf dem Weg zurück zu ihren Kindern allerdings aus dem Auto heraus eine Gruppe pöbelnder Männer beobachtete, entschloss sie sich zur Umkehr, um ihre Freundin doch lieber von ihren Eltern abzuholen. Während sie an der Ecke Stübenhofer Weg/Dahlgrünring in ihrem Wagen wartete, nahm das Martyrium seinen Anfang.
Gegen 23 Uhr riss plötzlich ein unbekannter Mann die Autotür hinter dem Fahrersitz auf, setzte sich hinter die Frau und forderte sie auf, loszufahren. Als die 43-Jährige sich weigerte, schlug der Eindringling mit einem Stück Asphalt wiederholt auf ihren Kopf ein. Auch der Hinweis, dass sie zwei Kinder habe, stieß beim Täter auf taube Ohren. Über die Straßen Stübenhofer Weg, Otto-Brenner-Straße und Kornweide lotste er die Autofahrerin auf einen unbeleuchteten Parkplatz gegenüber dem Friedhof am Finkenriek. Dort befahl er der Frau, sich zu entkleiden. Als sie sich wehrte, schlug der Täter erneut zu, würgte sein Opfer und vergewaltigte es.
Frau (43) in Hamburg vergewaltigt: War der Täter Lkw-Fahrer?
Nach der Tat warf der als etwa 30 Jahre alt beschriebene Mann den Stein und ein Messer, mit dem er die Frau zusätzlich bedroht hatte („Ich stech dich ab!“), weg und floh auf einem Fahrrad. Womöglich könnte der mutmaßliche Vergewaltiger dabei von einem Zeugen beobachtet worden sein, wie Kriminaloberkommissar Franz Graunke vom LKA Hamburg im ZDF-Studio berichtete. Der Hinweisgeber habe im Altenfelder Weg – einer unbeleuchtete Nebenstraße zur A1, die direkt zum Rasthof Stillhorn-West führt – einen Radfahrer gesehen, der wegen einer Vielzahl von Streifenwagen nervös geworden sei und „hastig“ umdrehte.
Durch die Nähe des Tatortes zur Autobahn sowie die „außerordentlich gute Ortskenntnis“ könnte es sich laut Kommissar Graunke neben einem Anwohner auch um einen Lkw-Fahrer handeln, der sich öfters auf dem Rasthof aufhält. Zu dieser Theorie passe auch folgender Umstand: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Fernfahrer auf ihren Touren Fahrräder mitführen, um während Pausen mobil und flexibel sein zu können.“
„Wir haben die DNA und die Fingerabdrücke des Mannes“
Aufgrund seines unsicheren Auftretens hätten die Ermittler „lange darüber nachgedacht“, um was für einen Typus es sich handeln könnte, so Graunke weiter. „Zum einen gehen wir davon aus, dass sich der Täter in einem absoluten Ausnahmezustand befunden haben muss, was für Triebtäter nicht unüblich wäre.“ Möglich sei auch, dass der Täter ein Doppelleben führe: „Zum einen ist er ein rechtschaffener Ehemann, vielleicht sogar Familienvater. Zum anderen aber ein skrupelloser Triebtäter.“
Da der Mann während der Tat darauf bedacht war, sein Gesicht zu verdecken, konnte zwar kein Phantombild erstellt werden. Dennoch habe die Frau ihren Peiniger grob beschreiben können. Und: „Wir haben die DNA und die Fingerabdrücke des Mannes“, so Graunke, „das lässt uns zumindest hoffen, dass wir dem Täter doch noch auf die Spur kommen.“ In den mehr als zwei Jahren seit der Vergewaltigung sei der Mann allerdings „offensichtlich nicht noch mal tätig geworden“.
Vergewaltigung in Hamburg: 12.000 Euro Belohnung für Hinweise
Und so beschrieb auch der Hamburger Ermittler den Fall aus Wilhelmsburg als beispiellose Tat. „Es ist unstrittig, dass mit einer solchen Brutalität begangene Straftaten die absolute Ausnahme darstellen, sowohl in Hamburg als auch im gesamten Bundesgebiet“, sagte Graunke bei „Aktenzeichen XY“. Aktuell seien keine vergleichbaren Fälle bekannt, die unaufgeklärt sind. „Wie groß ist die Gefahr, dass er noch mal zuschlägt?“, wollte Cerne schließlich wissen. Graunkes Antwort: „Generell gehen wir bei Sexualstraften immer von einer sehr hohen Wiederholungsgefahr aus.“
Für Hinweise, die zum Ergreifen des Vergewaltigers führen, hat die Hamburger Staatsanwaltschaft eine Belohnung von 4000 Euro ausgelobt. Noch während der Live-Sendung am Mittwochabend meldeten sich zudem zwei „Aktenzeichen XY“-Zuschauer, die noch einmal privat aufstocken wollten: Einer rief 5000 Euro auf, ein anderer 3000 Euro. „Wir hatten eine sehr große Betroffenheit“, berichtete Stephanie Wossilus vom LKA Bayern. Viele Zuschauer hätten angerufen und darum gebeten, präventiv darauf aufmerksam zu machen, im Auto im Zweifel die Zentralverriegulung zu betätigen.
Aktenzeichen XY: „Interessante“ Hinweise auf Vergewaltiger
Hinweise zu dem Fall vom 31. Mai 2022 nimmt das LKA Hamburg unter Telefon 040 428656789 sowie 040 428650 (ab 22. August) entgegen. Erste „interessante Hinweise“ zum Täter habe es laut Wossilus bereits im Laufe der Sendung gegeben. Diesen müssten die Hamburger Ermittler nun detailliert nachgehen. Außerdem platzierte die Kommissarin noch diese Bitte: „Wenn Frauen in den letzten Jahren Ähnliches erlebt haben und sich vielleicht noch nicht gemeldet haben, dann wäre es sehr hilfreich, wenn sie sich an das LKA Hamburg wenden.“
Zu dem Hamburger Fall seien bis zum Schluss der Sendung am späten Mittwochabend die meisten Hinweise eingegangen, hieß es beim ZDF am Donnerstag. Darunter sei auch einer gewesen, der nun doch auf einen möglichen Täter aus dem angrenzenden Wilhelmsburger Wohngebiet schließen lasse. „Die Polizei geht dieser Spur mit Hochdruck nach“, stand auch auf der Homepage von „Aktenzeichen XY“ zu lesen. „Ein Zuschauer nannte eine konkrete Person, die sofort von den Ermittlern überprüft wurde.“ Eine Polizeisprecherin sagte dazu: „Wir werden die Hinweise nun sukzessive abarbeiten.“
Und so wird der Täter beschrieben:
- männlich
- etwa 30 Jahre
- kleiner als 1,80 m
- normale Statur
- er trug eine helle (weiß oder beige), ausgewaschene Jeans, die nicht sonderlich hochwertig wirkte
- er trug außerdem einen hellen Kapuzenpullover und ein rotes Basecap
- er sprach akzentfrei Deutsch
- vermutlich Raucher