Hamburg. Gärtnern mit Blick auf die Elbe? Das geht in Hamburg. Wir haben die Menschen getroffen, die hoch über dem Fischmarkt Gemüse anbauen.
- Direkt über dem Fischmarkt wächst und gedeiht es im Stadtteilgarten St. Pauli.
- Auf dem 220 Quadratmeter großen Areal über dem Restaurant ÜberQuell toben sich Hobbygärtner seit einem Jahr jeden Mittwoch aus.
Vor der Kulisse des Hamburger Hafens und der Elbe, direkt über dem St. Pauli Fischmarkt, wachsen Tomaten, Erdbeeren, Auberginen, Bohnen, Kamille und Basilikum. Und das ist nur ein kleiner Überblick über das, was im Stadtteilgarten Green Pauli in 40 Hochbeeten sprießt und gedeiht. Der Garten befindet sich auf dem Dach des Restaurants ÜberQuell, das auch Quiz-Abende veranstaltet.
Das Lokal mit angeschlossener Brauerei hatte die Fläche zuvor der Grundschule St. Pauli als Schulgarten zur Verfügung gestellt. Dann übernahm die Hamburger Stiftung Was tun!, die mit ihrem Projekt „Stadtgemüse“ in einigen Hamburger Flüchtlingsunterkünften gemeinschaftliches Gärtnern anbietet, das 220 Quadratmeter große Areal. Sie errichtete hier den Stadtteilgarten „Green Pauli by Stadtgemüse“, der im Juni 2023 eröffnete.
St. Pauli: Stadtteilgarten – Hobbygärtner mittwochs ab 15.30 Uhr willkommen
Dass sein Motto „Gemeinsam wächst alles besser“ Programm ist, wird beim Blick auf die üppigen Kräuter, Obst- und Gemüsebeete deutlich. Projektleiter ist Leonard „Leo“ Müller. Der 27-Jährige hat in Portugal Erfahrungen im nachhaltigen Gemüseanbau gesammelt und sich „den Rest autodidaktisch beigebracht“.
Jeden Mittwoch – auch im Winter – schließt er um 15.30 Uhr die Gartenpforte auf. Dann dauert es nicht lange, bis die ersten Hobbygärtner kommen. Müller und seine Assistentin Lotta Graebler erläutern ihnen die anstehenden Arbeiten.
„Erfahrungen braucht man nicht, um hier mitzumachen. Nur Lust an der Gartenarbeit wäre gut“, sagt Müller. Er ist als Minijobber bei der Stiftung beschäftigt. Lotta Graebler, die ihre Gartenerfahrung in Schweden bei einem viermonatigen Work-and-travel-Aufenthalt gemacht hat, erhält eine Übungsleiterpauschale. Jäten, pflanzen, säen, ernten, wässern, ausgeizen, zurückschneiden und bauen. Im Stadtteilgarten Green Pauli wird bis zum Sonnenuntergang gearbeitet – im Sommer manchmal auch länger.
Green Pauli: Auch Senioren und Schulkinder betätigen sich im Stadtteilgarten
Um den Garten und die Möglichkeit, sich hier zu betätigen, im Stadtteil bekannt zu machen, hatte sich die Stiftung seinerzeit in der unmittelbaren Nachbarschaft vorgestellt. Dazu gehörten die Macher des benachbarten Park Fiktion, die im Stadtteilgarten gerade ein Gewächshaus bauen, die Kirchengemeinde St. Pauli sowie Jugend- und Senioreneinrichtungen.
„Das war toll, als hier eine Menge Senioren neugierig im Gänsemarsch ankamen, manche sogar mit Rollatoren, um sich den Garten anzusehen“, erinnert sich Müller. Doch er betreut auch ganz junge Gärtner: Jeden Montag weiht er die Schüler und Schülerinnen der Grundschule St. Pauli in die Kunst der Gartenarbeit ein.
Für Hamburger Studentin ist gemeinschaftliches Gärtnern eine „willkommene Abwechslung“
Heute ist Anna Kindsvater die erste Hobbygärtnerin, die im Green Pauli auftaucht. Die 23-Jährige wohnt in einem Studentenwohnheim in Othmarschen, hat über Instagram von der Stiftung Was tun! erfahren und ist schon öfter hier gewesen. „Ich freue mich über die Möglichkeit, mit netten Leuten zusammen gärtnern zu können.“
Ihre Mutter hat zu Hause in Niedersachsen einen großen Gemüsegarten, im Wohnheim hat die junge Frau noch nicht mal einen Balkon. Da sei die Gartenarbeit eine willkommene Abwechslung, sagt die Physikstudentin, während sie Erdbeeren pflückt. „Und dann noch mit diesem fantastischen Ausblick.“
Gemeinschaftsgarten auf St. Pauli begeistert auch Eltern von kleinen Kindern
Und der hat es wirklich in sich. Wo sonst ziehen mitten im quirligen Szeneviertel dicke Pötte in so geringer Entfernung an einem vorbei? Konrad und Karolina Weigel lieben dieses Flair. Daher sind sie vor einem halben Jahr mit ihrem mittlerweile einjährigen Sohn August nach St. Pauli gezogen. „Als wir den Garten gesehen haben, konnten wir uns sofort vorstellen, hier mitzumachen“, sagt das Paar, das heute zum zweiten Mal dabei ist.
Während August zwischen den Hochbeeten herumkrabbelt, geizen seine Eltern die Tomaten aus. Dass das ziemlich fachmännisch aussieht, liegt daran, dass Konrad Weigel Gartenbauingenieur ist und seine Frau und er fünf Jahre lang in der Gemüsegenossenschaft KoLa Leipzig gearbeitet haben. „Es ist schön, dass wir unserem Sohn in der Stadt zeigen können, wo das Gemüse wächst, das wir essen“, sagen sie.
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St. Pauli: Tomaten aus Stadtteilgarten kommen auch im ÜberQuell auf den Tisch
Genau darum geht es den Initiatoren von Green Pauli. „Kaum jemand im städtischen Umfeld hat Zugang zu einem Garten und kann erleben, wie Lebensmittel wachsen. Das möchten wir ändern“, sagt Annette Lichtenhahn-Pense von der Stiftung Was tun!. Durch das soziale Urban-Farming-Projekt wolle man Freude an nachhaltiger Lebensweise und regionalem Gemüseanbau, gemeinschaftliches Miteinander im Stadtviertel und die Erholung in einer grünen Oase ermöglichen.
Was geerntet wird, ist für den gemeinsamen Verbrauch bestimmt – etwa bei dem Gartenfest, das kürzlich gefeiert wurde. Ein Teil der Tomaten, an denen sich Familie Weigel gerade zu schaffen macht, landet aber auch in der Küche des ÜberQuell. Denn die „Miete“ wird hier in Naturalien bezahlt: Auch die Kräuter, die für Pizza oder Bowls verwendet werden, stammen vom Dachgarten. Frischer geht’s nicht.
Gemeinschaftsgarten Green Pauli, St. Pauli Fischmarkt 28–32, Öffnungszeiten: jeden Mittwoch von 15.30 Uhr bis Sonnenuntergang